Editha Klipstein

Editha Klipstein
Editha Klipstein, um 1945

Anna Dorothea Editha Klipstein (* 13. November 1880 in Kiel; † 27. Mai 1953 in Laubach) war eine deutsche Schriftstellerin und Journalistin. Sie hatte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einige literarische Erfolge, ist heute jedoch nahezu vergessen.

Ihr bekanntester Roman, der gleichzeitig ihr literarisches Debüt darstellte, ist die 1935 erschienene Anna Linde. Ebenfalls erwähnenswert sind der Roman Der Zuschauer (1942), die Essaysammlung Gestern und Heute (1948) und die Novelle Das Hotel in Kastilien (1951). Klipstein war Mitglied des P.E.N.-Clubs.

Heute ist Klipstein insbesondere als scharfsinnige und wortgewandte Zeitzeugin interessant. Neben Romanen, Novellen und Essays hinterließ sie unzählige autobiographische Aufzeichnungen, die erst in den letzten Jahren der Öffentlichkeit zugänglich wurden und neben dem detaillierten Bild einer geschichtsträchtigen Zeit auch das Leben einer Künstlerin mit allen Freuden und Nöten, Freiheiten und Zwängen widerspiegeln. Klipstein war mit dem Maler Felix Klipstein verheiratet und pflegte rege Kontakte zu bedeutenden Künstlern ihrer Zeit wie Stefan George, Friedrich Gundolf, Lovis Corinth, Rainer Maria Rilke, Käthe Kollwitz, Le Corbusier, Regina Ullmann und vielen mehr.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Am 13. November 1880 wurde sie als zweite von drei Töchtern des Gräzisten Friedrich W. Blaß und seiner Ehefrau Anna Blaß, geb. Schulz, in Kiel geboren. Die Familie zog 1892 nach Halle. Durch die Stellung des Vaters - er war einer der führenden Gräzisten - kamen Blaß und ihre Schwestern bereits früh mit internationalen Gelehrten in Kontakt und unternahmen mit dem Vater weite Reisen. Auf einer 1899 unternommenen Reise nach England entstand als erstes erhaltenes literarisches Zeugnis Blaß’ ein England-Reisetagebuch.

Noch lag ihr Interesse jedoch in der Malerei. Bereits als Jugendliche erhielt sie Zeichenunterricht, 1901 ging sie nach Berlin, um dort zunächst bei ihrer Tante Sabine Lepsius Malerei zu studieren, später die Malklasse von Lovis Corinth zu besuchen. Im Salon ihrer Tante machte sie während der sogenannten „Stefan-George-Abende“ Bekanntschaft mit Stefan George, Friedrich Gundolf, Karl Wolfskehl, Gertrud Kantorowicz und anderen Mitgliedern des George-Kreises.

Im Jahr 1905 ging sie mit nach Paris, wo sie ihr Studium bei dem Maler Claudio Castelucho an der Académie de la Grande Chaumière fortsetzte. Die folgenden Jahre waren von Reisen geprägt, bei denen sie ihre Leidenschaft für Spanien entdeckte.

Im Jahr 1908 lernte sie in Madrid ihren zukünftigen Mann, den Maler Felix Klipstein, kennen. Am 17. März 1909 heiratete Editha Blaß Felix Klipstein in Halle. Das Paar ging zunächst nach Segovia, zog jedoch bereits Ende 1909 in Felix Klipsteins Heimatstadt Laubach. Editha Klipstein beschrieb die Zeit in Spanien stets als die schönste Zeit ihres Lebens, während sie sich mit Laubach nur schwer abfinden konnte.

Nach der Heirat wandte sich Klipstein zusehends von der Malerei ab und der feuilletonistischen Schriftstellerei zu. Im Jahr 1914 kam der Sohn Christian als einziges Kind der Klipsteins zur Welt. Im gleichen Jahr begann der Erste Weltkrieg. Klipstein beschreibt in ihren Tagebüchern neben den politischen Entwicklungen vor allem auch den Kriegsalltag. Trotz des Krieges unternahm sie etliche Reisen. Im Jahr 1915 lernte sie in München den Dichter Rainer Maria Rilke kennen.

Im Jahr 1918 kam es in Folge einer „melange a trois“ mit ihrer Freundin Ilse Erdmann zu einer Ehekrise; Klipstein verbrachte einige Monate bei Freunden in Worms. Hier entstanden vermutlich erste Arbeiten zu den Romanen Anna Linde und Der Zuschauer. Ilse Erdmann beging 1924 Selbstmord. Im Jahr 1931 erschien Klipsteins Artikel Begegnung mit Rilke in der Neuen Schweizer Rundschau. Es folgten weitere feuilletonistische Veröffentlichungen.

Den Sommer 1935 verbrachte Klipstein bei ihrer Freundin Gertrud Kantorowicz in der Schweiz, wo sie mit jüdischen Exilantenkreisen zusammentraf. Hier stellte sie ihren Roman Anna Linde fertig. Im Oktober erschien Anna Linde im Henry Goverts Verlag in Hamburg. Der Erfolg ihres Debüts führte zu neuen Eheproblemen. Nach Felix Klipsteins Tod 1941 begann Klipsteins literarisch produktivste Zeit. Im Jahr 1942 erschien Der Zuschauer, 1947 Die Bekanntschaft mit dem Tode, 1948 die Essaysammlung Gestern und Heute. Im Jahr 1949 wurde Klipstein in den P.E.N.-Club aufgenommen. Im Jahr 1951 erschien die Novelle Das Hotel in Kastilien im renommierten Suhrkamp Verlag. Ein wirtschaftlicher Erfolg blieb jedoch aus.

Klipstein erkrankte 1952 an Krebs und verstarb am 27. Mai 1953 in Laubach. Sie fand ihre letzte Ruhe auf dem Laubacher Friedhof.

Werke

Essays

Die Essays Editha Klipsteins machen einen Großteil ihres Œuvres aus. Sie schreibt für die Feuilletons verschiedener Zeitungen und Zeitschriften, insbesondere das der Frankfurter Zeitung, und ist als Autorin offensichtlich begehrt. Einige der in den 30er und 40er Jahren entstandenen Essays fasst Editha Klipstein später in dem Band Gestern und Heute (1948) zusammen.

Gestern und Heute

Gesammelte Essays. Schloss Laupheim: Ulrich Steiner Verlag, 1948.
Der Titel weist bereits auf das zentrale Thema der Texte hin: es geht um Erinnerungen, insbesondere Erinnerungen an ihre Zeit in Spanien. Daneben finden sich kulturhistorische Essays zu weltanschaulichen und ästhetischen Fragen sowie zu Vertretern und Werken der Weltliteratur - zum Beispiel dem Schriftsteller Marcel Proust (Betrachtungen über Proust), Flauberts Madame Bovary (Aus Flauberts Werkstatt) oder Goethes Bekenntnissen einer schönen Seele, dem 6. Buch von Wilhelm Meisters Lehrjahren (Etwas über Goethes „Bekenntnisse einer schönen Seele“).

Spanien

Essay. Hrsg. v. Rolf Haaser, Nikola Herweg und Christiane Klipstein, Gießen 2001. [entspricht im Wortlaut dem im Nachlass gefundenen Typoskript Spanien III, handschriftliche Korrekturen wurden berücksichtigt. Entstehungsdatum unbekannt, vermutlich 1944]
Das im Nachlass entdeckte Spanien-Essay gehört zu den besten Texten Editha Klipsteins. Witzig und anschaulich erzählt der Text von ihrem ersten Ehejahr mit dem Maler Felix Klipstein, das die beiden im spanischen Segovia verbringen.

Romane und Novellen

Anna Linde

Roman. Hamburg: Goverts 1935.

Die Bekanntschaft mit dem Tode

Roman. Hamburg: Claassen & Goverts, 1947.

Das Hotel in Kastilien

Novelle, Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag, 1951.

Sturm am Abend

Novelle. In: Frankfurter Zeitung, ab 3. Februar 1938 als Fortsetzungsroman in 8. Teilen.

Der Zuschauer

Roman. Hamburg: Claassen & Goverts, 1942.
Sechs Jahre nach Editha Klipsteins erfolgreichem Debütroman Anna Linde, erscheint 1942 Der Zuschauer. Als einziger ihrer Romane ist er in der ersten Person verfasst und beschreibt den Blick auf das Geschehen aus männlicher Sicht. Durch den Ich-Erzähler, einen pensionierten Arzt, erfährt der Leser von verschiedenen Begebenheiten, die sich in einer mitteldeutschen Kleinstadt abspielen: ein Bergwerksunglück, ein Duell, ein Brand und schließlich auch eine Liebesgeschichte, in die der sonst so distanzierte „Zuschauer“ plötzlich einzugreifen scheint.
Wie in allen Romanen Editha Klipsteins ist es eine junge Frau, die durch Irrungen und Schuld schließlich zu sich selbst findet. Durch den Blick des „Zuschauers“ gefiltert wirkt die Handlung des Romans oft etwas steif. Das Ende ist überraschend, denn hier wird der nüchterne Realismus der Erzählung gebrochen zu Gunsten einer schicksalhaften, fast mystischen Klärung aller Wirrnisse. Die Ordnung, die sich einstellt, gleicht einer ständischen Ordnung und nicht durch Zufall gehört ein Teil der Protagonisten dem Adel an, der für Editha Klipstein als Sinnbild des „Unverfälschten“, also „Richtigen“ gilt. „Auf die Richtigkeit eines Lebens in sich kommt es an, nicht auf seine Moral“, heißt es im Roman und so findet die unbändige Sophia, die stets ihrem Gefühl gehorcht und dabei auch Niederlagen und Strafe in Kauf nimmt, schließlich ihren Platz in der Gesellschaft und den richtigen Mann an ihrer Seite.
Editha Klipstein, die selbst oft – sie leidet an Schwerhörigkeit und empfindet sich häufig als außenstehend – zur Zuschauerin wird, scheint sich und ihrer Rolle in diesem Roman ein Denkmal gesetzt zu haben.

Literatur

  • Bildnis einer Schriftstellerin - Editha Klipstein. Heft 12 der Laubacher Hefte, hrsg. v. Heimatkundlichen Arbeitskreis Laubach e. V., Laubach: 1997.
  • Nikola Herweg: Editha Klipstein - Ein Leben. Fernwald: 2002. ISBN 3-932289-73-0

Weblinks


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