Echter Arznei-Baldrian

Echter Arznei-Baldrian
Echter Baldrian
Echter Baldrian (Valeriana  officinalis)

Echter Baldrian (Valeriana officinalis)

Systematik
Asteriden
Euasteriden II
Ordnung: Kardenartige (Dipsacales)
Familie: Geißblattgewächse (Caprifoliaceae)
Gattung: Baldrian (Valeriana)
Art: Echter Baldrian
Wissenschaftlicher Name
Valeriana officinalis
L.

Echter Baldrian (Valeriana officinalis) ist eine Pflanzenart der Gattung Baldrian (Valeriana).

Inhaltsverzeichnis

Namensgebung

Der botanische Gattungsname stammt vom lateinischen valens „kräftig“. Der deutsche Trivialname ist eventuell volksetymologisch angelehnt an den Namen des nordischen Lichtgottes Balder. Im Volksmund heißt diese Pflanzenart auch Katzenkraut, Stinkwurz, Hexenkraut, Augenwurzel, Mondwurz, Bullerjan, Tolljan, Katzenwargel.

Beschreibung

Echter Baldrian ist eine mehrjährige krautige Pflanze von 1 bis 2 m Höhe, die Rhizome als Überdauerungsorgane ausbildet. Sie hat sattgrüne, gefiederte Blätter von etwa 20 cm Länge, die unteren gestielt, die oberen sitzend. Die Fiedern sind oval oder lanzettlich, ganzrandig oder ungleich gesägt.

In dichten, endständigen, (schirm)rispigen Blütenständen öffnen sich kleine hellrosafarbene, süßlich duftende Blüten von 4 bis 5 mm Durchmesser. Die Blütezeit reicht von Mai bis Juli.[1]

Ökologie

Die Blüten sind kleine, asymmetrische, vormännliche „Trichterblumen“. Neben zwittrigen Pflanzen kommen auch rein weibliche vor (gynodiözisch). Die Blütenkrone ist hellrosa bis weiß und hat purpurne Strichsaftmale, die später verblassen. Die Blüte entfaltet einen starken Geruch. Das Nektarium befindet sich in einer Aussackung der Kronröhre. Bestäuber sind: Verschiedene Zweiflügler, Bienen und Tagfalter. Die Pflanze ist selbststeril, es findet keine spontane Selbstbestäubung statt. Blütezeit ist von Mai bis Juli.

Die Früchte sind bis 4 mm lange, nur 0,5 mg schwere Nüsse (Achänen) mit einem federigen, hygroskopischen, hinfälligen Haarkranz (Pappus), der sich bei Feuchtigkeit einrollt. Die Früchte breiten sich als Schirmchenflieger aus und besitzen eine Sinkgeschwindigkeit von 28 cm/sec. Daneben erfolgt eine Ausbreitung als Wasserhafter und Schwimmausbreitung. Die Vegetative Vermehrung erfolgt durch kurze Ausläufer; die Pflanze ist dadurch ein Kriechpionier.

Vorkommen

Der Echte Baldrian kommt in ganz Europa außer Portugal[1] vor, ostwärts bis nach Russland und Westasien. Baldrian ist frostbeständig und gedeiht in Sonne oder Halbschatten in fast jedem Boden. Die Vermehrung erfolgt durch Samen oder Teilung größerer Pflanzen.

Als Feuchtbodenpflanze verträgt er auch gelegentliche Überschwemmungen und ist daher in der freien Natur häufig auf Wiesen entlang von Gewässerläufen zu finden.

Verwertung

Inhaltsstoffe

Baldrian enthält unter anderem ätherisches Öl (neben Valerensäure unter anderem auch die Isovaleriansäure, die für den unangenehmen Geruch des Wurzelstocks verantwortlich ist), Valepotriate und Alkaloide.

Verwendung in der Heilkunst

Echter Baldrian in Form der Wurzeldroge (Valerianae radix)
Das ätherische Öl des Echten Baldrian (Valerianae oleum)

Als Heildroge dienen die getrockneten unterirdischen Teile der Pflanze (Valerianae radix). Die Baldrianwurzel ist eines der meist genutzten pflanzlichen Beruhigungsmittel. Ihre Anwendungsgebiete sind: Unruhezustände und nervös bedingte Einschlafstörungen, nervös bedingte Herzbeschwerden (soweit deren Diagnose gesichert ist) und krampfartige Beschwerden im Magen- Darmbereich. Auch als Badezusatz wirkt Baldrian beruhigend.

Wirkstoffe sind: Je nach Herkunft unterschiedlich zusammengesetzte Ätherische Öle mit Bornylacetat und Bornylisovalerianat als Hautkomponenten. Diese sind auch verantwortlich für den typischen Baldriangeruch, der beim Trocknen der Droge auftritt. Ihr Geruch lockt auch Kater an, weil er dem Lockgeruch läufiger Katzen entspricht. Weitere Inhaltsstoffe sind: Valeranon, Caryophyllen, Camphen und weitere Mono- und Sesquiterpene, Sesquiterpencarbonsäuren, wie die Valerensäuren, Valepotriate (Iridoide) mit Valtrat und Isovaltrat. Wegen der Instabilität dieser Verbindungen sind in Extrakten und Tinkturen z.T. nur deren Abbauprodukte, die sogenannten Baldrinale nachweisbar. Auch Aminosäuren und in geringer Menge Ligane und Pyridinalkaloide wurden als Inhaltsstoffe gefunden.

Die geschilderten Heilwirkungen konnten bisher keiner Einzelsubstanz zugeordnet werden, so dass für die Heilwirkung das Zusammenspiel mehrer Wirkstoffgruppen angenommen werden muss. In vielen Fertigarzneimitteln wird die Baldrianwurzel auch mit anderen beruhigend wirkenden Drogen kombiniert, z.B. mit: Hopfen, Melisse oder Passionsblume

Verwendung in der Küche

Baldrianextrakte werden als Aromastoffe in Nahrungsmitteln wie Gebäck und Eis eingesetzt – vor allem dann, wenn man Apfelgeschmackkomponenten erzielen möchte.

Baldrian ist eine Verwandte des Feldsalats (Valerianella sp. – kleiner Baldrian). Das frische Frühlingsgrün des Baldrians kann in Salaten mitgegessen werden – er erinnert im Geschmack an Feldsalat, ist sogar etwas zarter. Die Blüten sind gleichfalls genießbar.

Verwendung in der Duftindustrie

Vor allem während des Trocknungsprozesses strömt die Wurzel des Baldrians den Geruch aus, den Katzen anziehend finden (siehe Katzenminzen). Menschen erinnert der ranzige Geruch dagegen an Limburger Käse und wirkt eher abstoßend. Er ist so durchdringend, dass die Legende überliefert, der Rattenfänger von Hameln habe Baldrian bei sich getragen, um die Ratten anzulocken. Trotzdem wird Baldrian auch in der Parfümindustrie eingesetzt – in den richtigen Mischungen können damit moschusähnlich-holzige, balsamische Gerüche erzielt werden.

Baldrian im Aberglauben

Bei den nordischen Völkern wurde Baldrian als stark aromatisch riechende Pflanze zum Schutz vor bösen Geistern über die Tür gehängt. Die altgermanische Göttin Herta stellten sich die Germanen mit einem Baldrianstengel in der Hand auf einem Hopfenranken gezäumten Edelhirsch reitend vor. Wer Baldrian bei sich trug, galt als unempfindlich gegen Hexenzauber und geschützt vor dem Teufel. Man war auch der Überzeugung, dass sich ein im Zimmer aufgehängtes Baldrianbüschel bewegen würde, sobald eine Hexe das Zimmer beträte. Baldrian in den Bienenkorb gelegt, sollte das Schwärmen der Bienen verhindern und weitere anlocken.

Baldrian taucht auch zusammen mit Bibernelle als geweissagtes Heilmittel in vielen Pestsagen auf:

„Eßt Bibernellen und Baldrian
so geht euch die Pest nicht an“

Baldrian stand in dem Ruf, Zorn zu erregen, wenn er ein wenig gekaut würde. Ein Scharfrichter, der ein für seinen Beruf unübliches weiches Herz hatte, musste deshalb vor jeder Hinrichtung auf dieser Wurzel kauen, um nicht vom Mitleid mit dem zum Tode Verurteilten übermannt zu werden.

Baldrian in der Kunst

Baldrian erscheint als Pflanze gelegentlich auf Gemälden des späten Mittelalters und der Renaissance, weil man sich so die Narde vorstellte, aus der in der Antike ein kostbares Öl gewonnen wurde. Die Indische Narde (Nardostachys jatamansi), die im Unterschied zu Valeriana officinalis einen angenehmen Duft hat, lieferte das in der alten Welt gesuchte, außerordentlich kostbare Nardenöl. Mit Nardenöl wurden Jesus von Maria, der Schwester Marthas, die Füße gesalbt und als einer seiner Jünger, Judas Iskariot, dies kritisierte, wies Jesus ihn mit den Worten zurück „Lass sie mit Frieden! Mag es gelten für den Tag meines Begräbnisses!“. (Evangelium nach Johannes 12, 1-7). Die Darstellung von Baldrian verweist auf diese Salbung und letztlich übertragen auf Jesu Tod. Baldrian ist daher auf vielen Tafelbildern der Renaissance zu sehen, oft sehr exponiert im Zentrum.

Literatur

  • Manfred Bocksch: Das praktische Buch der Heilpflanzen. München
  • Hartwig Abraham und Inge Thinnes: Hexenkraut und Zaubertrank. Unsere Heilpflanzen in Sagen, Aberglauben und Legenden. Greifenberg 1995
  • Gertrud Scherf: Zauberpflanzen Hexenkräuter. Mythos und Magie heimischer Wild- und Kulturpflanzen. München 2002
  • Marianne Beuchert: Symbolik der Pflanzen. Frankfurt am Main 1995
  • Miranda Seymour: Eine kleine Geschichte der Kräuter und Gewürze. Verlag Scherz, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-502-15879-7
  • R. Düll/ H. Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands. 7. Auflage, Quelle & Meyer-Verlag, 2011, ISBN 978-3-494-01424-1
  • Ingrid und Peter Schönfelder: Das neue Handbuch der Heilpflanzen, Franckh-Kosmos Verlagsgesellschaft, 2004, ISBN 3-440-09387-5

Einzelnachweise

  1. a b Oleg Polunin: Pflanzen Europas. BLV, München 1977, ISBN 3-405-11832-8

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Echter Baldrian – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Echter Baldrian – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Echter Baldrian — (Valeriana officinalis) Systematik Klasse: Dreifurchenpollen Zweikeimblättrige …   Deutsch Wikipedia

  • Baldrian — Echter Baldrian (Valeriana officinalis) Systematik Abteilung: Bedecktsamer …   Deutsch Wikipedia

  • Baldrian (Gattung) — Baldrian Echter Baldrian (Valeriana officinalis) Systematik Abteilung: Bedecktsamer …   Deutsch Wikipedia

  • Arzeneibaldrian — Echter Baldrian Echter Baldrian (Valeriana officinalis) Systematik Klasse: Dreifurchenpollen Zweikeimblättrige …   Deutsch Wikipedia

  • Arzneibaldrian — Echter Baldrian Echter Baldrian (Valeriana officinalis) Systematik Klasse: Dreifurchenpollen Zweikeimblättrige …   Deutsch Wikipedia

  • Valeriana officinalis — Echter Baldrian Echter Baldrian (Valeriana officinalis) Systematik Klasse: Dreifurchenpollen Zweikeimblättrige …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Gefäßpflanzen Deutschlands/B — Liste der Gefäßpflanzen Deutschlands Die folgende Liste enthält deutsche Namen für fast alle in Deutschland wild oder eingebürgert vorkommenden Gefäßpflanzen, sortiert nach den deutschen Gattungsnamen. Zusätzlich sind die zugehörigen… …   Deutsch Wikipedia

  • Gymnoscelis rufifasciata — Rotgebänderter Blütenspanner Rotgebänderter Blütenspanner (Gymnoscelis rufifasciata) Systematik Klasse: Insekten …   Deutsch Wikipedia

  • Fleischfarbene Passionsblume — Passiflora incarnata Passiflora incarnata Systematik Klasse: Dreifurchenpollen Zweikeimblättrige (Rosopsida) …   Deutsch Wikipedia

  • Passiflorae herba — Passiflora incarnata Passiflora incarnata Systematik Klasse: Dreifurchenpollen Zweikeimblättrige (Rosopsida) …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”