Eberhard Czichon

Eberhard Czichon

Eberhard Czichon (* 1930) ist ein deutscher Historiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Czichon machte eine Lehre, besuchte die Arbeiter-und-Bauern-Fakultät und studierte Geschichtswissenschaften. Danach arbeitete er als Lektor, weiterhin im Institut für Heimatmuseen beim Ministerium für Kultur. An der Akademie der Wissenschaften der DDR war er zunächst in der Arbeitsstelle für Akademiegeschichte und ab 1970 im Wissenschaftlichen lnformationszentrum beschäftigt.[1]

Czichon arbeitete über den OMGUS-Bericht der amerikanischen Militärregierung über die Macht der Banken aus dem Jahre 1946 und setzte sich kritisch mit der Rolle von Hermann Josef Abs ab 1938 in der Deutschen Bank auseinander.

Aufsehen erregte seine umfangreiche Arbeit Der Bankier und die Macht. Hermann Josef Abs in der deutschen Politik, die im Jahre 1970 im Kölner Pahl-Rugenstein Verlag erschienen war.[2] Abs klagte gegen den Autor und gegen seinen Verleger Manfred Pahl-Rugenstein wegen einer Reihe von Behauptungen über seine Rolle im Vorstand der Deutschen Bank während des Dritten Reichs, die in dem Buch enthalten waren. Es ging insbesondere um die Frage, ob sich Abs bei der „Arisierung“ jüdischer Firmen persönlich bereichert habe; inwieweit er ein „überzeugter Anhänger des Hitlerregimes“ gewesen sei; und inwieweit Abs und die Deutsche Bank Eigentum aus den von Deutschland besetzten Ländern geplündert hätten.[3] Der Prozess fand vor dem Landgericht Stuttgart statt. Ziel war, eine zweite Auflage des Buchs zu verhindern. Dabei wurde Abs von Josef Augstein vertreten, während auf der Seite der Beklagten Friedrich Karl Kaul als Rechtsanwalt tätig wurde. Der Prozess traf auf ein reges Interesse der Öffentlichkeit.[3][4] Czichon und sein Verleger verloren sowohl das Eilverfahren[4] als auch das Verfahren in der Hauptsache.[5][6] Beide wurden im Juni 1972 zur Zahlung von 20.000 DM Schadensersatz verurteilt, weil die Behauptungen, die Czichon über Abs aufgestellt hatte, von dem Gericht für unzutreffend gehalten worden waren.[5] Außerdem durfte das Buch nicht weiter verbreitet werden.[7]

Seine Arbeit über Abs, Der Techniker der ökonomischen Aggression, wurde aufgrund des Drucks, den die SED auf die Akademie der Wissenschaften ausgeübt hatte, nicht als Dissertation angenommen.[8]

Seit dem Jahr 1948 gehörte Czichon der SED an, aus der er 1981 „wegen Unbotmäßigkeit“ ausgeschlossen wurde.[8] Von 1990 bis 1994 war er Mitglied der PDS, 1993 trat er der DKP bei.[1]

Czichon lebt in Berlin.

Schriften

  • Wer verhalf Hitler zur Macht. Pahl-Rugenstein Verlag. Köln, 1967. 2. Aufl. 1971. ISBN 3-7609-0042-9
  • Der Primat der Industrie im Kartell der national-sozialistischen Macht. In: Das Argument 10, 1968, S. 168 ff.
  • Hermann Josef Abs. Porträt eines Kreuzritters des Kapitals. Union Verlag, 1969
  • Der Bankier und die Macht. Hermann Josef Abs in der deutschen Politik. Pahl-Rugenstein Verlag. Köln. 1970.
  • Der Techniker der ökonomischen Aggression. Unveröffentlichtes Manuskript. Januar 1977.
  • Die Bank und die Macht – Hermann Josef Abs, die Deutsche Bank und die Politik. Papyrossa Verlags GmbH, 1995, ISBN 3-89438-082-9
  • Das Geschenk. Die DDR im Perestroika-Ausverkauf. PapyRossa Verlag, Köln, 1999, ISBN 3-89438-171-X (zusammen mit Heinz Marohn)
  • Ernst Thälmann. Biographische Recherchen
  • Deutsche Bank / Macht − Politik. Faschismus, Krieg und Bundesrepublik. 2001, ISBN 978-3-89438-219-3
  • Thälmann. Ein Report, Berlin 2010, ISBN 978-3-939828-56-3 (zusammen mit Heinz Marohn)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Lothar Bisky: Eberhard Czichon - ein Leben gegen die Bankenmacht. Texte zur Vorbereitung der Konferenz „Gegen die Macht des großen Geldes“, Frankfurt/Main, 17. Juni 2000. In: Rosa Luxemburg Stiftung. Abgerufen am 1. August 2011.
  2. Wilhelm Treue: Eine (deutsche) Bank, zwei Geschichten. In: Die Zeit. Nr. 33, 1970 (http://www.zeit.de/1970/33/eine-deutsche-bank-zwei-geschichten, abgerufen am 2. August 2011).
  3. a b N.N.: Prozesse: Abs. Noch'n Ruck. In: Der Spiegel. Nr. 43, 1970, S. 128–131 (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43801130.html, abgerufen am 2. August 2011).
  4. a b N.N.: Banken: Abs. Vollkommen rein. In: Der Spiegel. Nr. 46, 1970, S. 119–120 (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43837761.html, abgerufen am 2. August 2011).
  5. a b Eintrag „Abs, Hermann“. In: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv. 18/1994 vom 25. April 1994. Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 39/2004. Abgerufen am 1. August 2011.
  6. Karl Heinz Roth: OMGUS. Ermittlungen gegen die Deutsche Bank. Übersetzt und bearbeitet von der Dokumentationsstelle zur NS-Politik Hamburg. In: Hans Magnus Enzensberger (Hrsg.): Die andere Bibliothek. Eichborn Verlag, Nördlingen 1985, Nachwort, S. 529f. („… viele Tatsachenbehauptungen stimmten nicht … Zu viele Details erwiesen sich als falsch, andere konnten nicht bewiesen werden. Grundsätzliche Erörterungen aber wurden abgelehnt. Den Rest besorgte ein Kreis von der Bank freundschaftlich verbundenen Persönlichkeiten, der von einigen seinerzeit in die Emigration getriebenen Bankiers bis zur amerikanischen Botschaft reichte“).
  7. N.N.: BB und die Legende vom bösen Banker. In: Die Zeit. Nr. 34, 1973 (http://www.zeit.de/1973/34/bb-und-die-legende-vom-boesen-bankier, abgerufen am 2. August 2011).
  8. a b Manfred Behrend: Rezension. Eberhard Czichon: Deutsche Bank – Macht – Politik. Faschismus, Krieg und Bundesrepublik. PapyRossa Verlag, Köln 2001, 323 S.. In: Glasnost Archiv. 2001, abgerufen am 1. August 2011.

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