Ebenbürtigkeit

Ebenbürtigkeit

Ebenbürtigkeit bezeichnet die Standesgleichheit der Geburt nach.

Inhaltsverzeichnis

Ebenbürtigkeit im europäischen Adelsrecht

Ebenbürtigkeit galt früher beim Adel adelsrechtlich als Bedingung einer standesgemäßen Ehe. Ebenbürtigkeit lag nicht vor bei Ehen zwischen Adeligen und Nichtadeligen, in manchen Fällen aber auch nicht bei Ehen zwischen Angehörigen des hohen Adels und des niederen Adels. Ehen, die diesen Regeln nicht entsprachen, wurden als Missheirat oder Mesalliance bezeichnet, rechtlich als Ehe zur linken Hand oder morganatische Ehe.

Die Maßstäbe dafür, was als ebenbürtig angesehen wurde und was nicht, waren in einzelnen Ländern, auch je nach historischer Epoche und in den beteiligten Familien unterschiedlich.

So waren die Kriterien in Deutschland strenger als z. B. in England, wo die Heirat zwischen den Spitzen des Bürgertums und dem Adel zu keinen Rechtsnachteilen führte. Beispiel für das gegenteilige Extrem war die Familie Habsburg, die als ebenbürtig nur Mitglieder des Hochadels anerkennt. Das formale Verfahren, dies sicherzustellen, war die Adelsprobe.

Aufgrund der patriarchalischen Familien- und Gesellschaftsstrukturen war der unebenbürtige Teil in der weit überwiegenden Zahl aller Fälle die Frau.

Rechtsfolgen

Eine standesgemäße Ehe war Voraussetzung dafür, dass gemeinsame Kinder den Stand und die damit verbundenen Rechte des Vaters erhielten (Succession). Dazu zählte bei regierenden Häusern die Thronfolge und im übrigen Adel die Erbberechtigung oder die Nutznießung an gebundenem Vermögen (Stamm- oder Hausvermögen, Fideikommiss) und Lehnsgütern. Die Frau blieb in einer nichtebenbürtigen Ehe ebenfalls vom Stand des Ehegatten ausgeschlossen. Sowohl die Frau als auch die Kinder einer nichtebenbürtigen Ehe hatten nur diejenigen vermögensrechtlichen Ansprüche an die Hinterlassenschaft des Vaters, die von der Voraussetzung der Ebenbürtigkeit unabhängig waren. Daher hatte die Frau keinen Anspruch auf das standesgemäße Wittum.

Historische Entwicklung in Deutschland

Als sich im Mittelalter die ständische Ordnung stärker ausdifferenzierte, setzte sich das Prinzip durch, dass bei einer Ehe, in der die Partner unterschiedlichen Ständen angehörten, die Kinder der „ärgern Hand“, d. h. dem jeweils niedereren Stand folgten. Dieser „Mangel“ konnte im Einzelfall mittels einer Standeserhöhung durch den Kaiser oder einen Landesherrn behoben werden.

Unterschieden wurde in Deutschland zwischen niederem Adel (Ritterschaft), Grafenstand und Fürstenstand (Hochadel), deren Umgang mit der Ebenbürtigkeit sich auch unterschiedlich entwickelte. Am längsten hielt der Hochadel daran fest.

Niederer Adel

Mit dem schrittweise erfolgenden Verlust der Adelsprivilegien seit dem Ende des 18. Jahrhunderts wurden zunächst bei Heiraten des niederen Adels die bürgerlichen Rechtsregeln angewandt, so dass bei Heiraten zwischen adligen Männern und nichtadligen Frauen diese und ihre gemeinsamen Nachkommen den Stand des Mannes erlangten. In Preußen wurden die Ebenbürtigkeitsvorschriften des Allgemeinen Preußischen Landrechts von 1794 (II, 1, §§ 30–33), die Ehen zwischen Adligen und „Weibspersonen aus dem Bauer- oder geringerem Bürgerstande“ regelten, 1854 ganz aufgehoben. Das Beharren auf ebenbürtigen Ehepartnern wurde so ausschließlich zu einer Sache des Sozialprestiges, hatte aber keine rechtliche Bedeutung mehr. Auch die ökonomische Entwicklung spielte beim Wandel der sozialen Normen eine Rolle: je mehr die agrarischen Gutswirtschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten, umso akzeptabler erschien die Hochzeit mit einer reichen Erbin aus angesehener bürgerlicher Familie als Möglichkeit, sich finanziell zu sanieren. Trotz des in Adelskreisen damals unterschwellig verbreiteten Antisemitismus kamen schließlich auch Frauen aus assimilierten jüdischen Familien als Ehepartner in Betracht.

Hoher Adel

Anders verlief die Entwicklung beim Hohen Adel. Die Forderung nach Ebenbürtigkeit wurde hier durch die bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts üblichen Eheschließungen der regierenden Familien nach politischen oder dynastischen Gesichtspunkten gestützt.

Infolge der territorialen Zersplitterung des Heiligen Römischen Reiches war hier die Zahl von Geschlechtern des Hohen Adels besonders hoch. Deren Standesprivilegien wurden auch nach der 1806 erfolgten Mediatisierung beibehalten und in der Deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 festgeschrieben. Diese hatte zur Folge, dass der deutschsprachige Adel vom 17. bis ins 20. Jahrhundert hinein das bei weitem größte Reservoir ebenbürtiger Ehepartner für die regierenden Häuser Europas darstellte.

Die mediatisierten Familien versuchten in der Folgezeit, ihren realen Statusverlust durch eine besondere Betonung ihrer formalen Gleichrangigkeit mit Mitgliedern regierender Häuser, die auch in einem entsprechend zähen Festhalten am Prinzip der Ebenbürtigkeit zum Ausdruck kam, zu kompensieren. Ähnliches gilt für die Familien, die im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts die Landesherrschaft verloren (Hannover, Kurhessen, Hohenzollern-Sigmaringen und Nassau) und schließlich für die 1918 entmachteten regierenden Häuser, zum Teil bis in die Gegenwart.

Ebenbürtigkeit nach 1945

Liquidierung als Rechtssatz durch das Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung vom 22. März 2004 festgestellt, dass das Ebenbürtigkeitsprinzip mit der Eheschließungsfreiheit nach Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar ist. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Von vier Söhnen Louis Ferdinands von Preußen heirateten nur die beiden jüngeren Söhne, Louis Ferdinand jr. und Christian Sigismund, hausgesetzmäßig. Der Vater Louis Ferdinands, Kronprinz Wilhelm, hatte durch Erbvertrag mit seinem Vater, dem exilierten Kaiser Wilhelm II., und seinem Sohn Louis Ferdinand festgelegt, dass jeder Nachkomme vom Erbe ausgeschlossen sei, der „nicht aus einer den Grundsätzen der alten Hausverfassung des Brandenburg-Preußischen Hauses entsprechenden Ehe stammt oder in einer nicht hausverfassungsmäßigen Ehe lebt“. Dagegen klagten nach dem Tode Louis Ferdinands († 1994) die dadurch vom Erbe ausgeschlossenen beiden älteren Söhne, Friedrich Wilhelm und Michael.

Der Bundesgerichtshof entschied mit Urteil vom 2. Dezember 1998 (Az.: IV ZB 19/97, abgedruckt JZ 1999, 514): „Ein Erblasser, dem aus Gründen der Familientradition am Rang seiner Familie nach den Anschauungen des Adels liegt, kann für seinen von der Herkunft der Familie geprägten Nachlass letztwillig wirksam anordnen, dass von seinen Abkömmlingen derjenige nicht sein alleiniger Nacherbe werden kann, der nicht aus einer ebenbürtigen Ehe stammt oder in einer nicht ebenbürtigen Ehe lebt.“ Der Rechtsstreit wurde an das Landgericht zurückverwiesen, damit dieses prüfen konnte, welche Anwärter auf das Erbe der Ebenbürtigkeitsklausel genügten.

Gegen dieses Urteil legte der zweitälteste Sohn Louis Ferdinands, Michael, Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Dieses hat daraufhin das Urteil des Bundesgerichtshofes durch Entscheidung vom 22. März 2004 (Az: 1 BvR 2248/01) aufgehoben, weil es mit der Eheschließungsfreiheit nach Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und der Abschaffung der Monarchie als Staatsform unvereinbar sei.

Weiterbestehen im Vereinsrecht

Nach der gegenwärtigen Auffassung der Vereinigung der Deutschen Adelsverbände bestimmt sich die Zugehörigkeit zum historischen Adel nach der Lex Salica, d. h. ausschließlich durch Weitergabe im Mannesstamm. Demnach erwirbt eine nichtadlige Frau durch Heirat mit einem adligen Mann die Zugehörigkeit zum Adel ("adelige Namensträgerin"), nicht aber der Mann durch Heirat mit einer adligen Frau. Sollte er gemäß den Möglichkeiten des geltenden deutschen Namensrecht sich dazu entscheiden, den adeligen Nachnamen seiner Frau anzunehmen, wird er nach diesen Vereinsregeln als "nicht adeliger Namensträger" eingestuft. Umgekehrt verliert die aus einer adligen Familie stammende Frau durch Heirat mit einem Nichtadligen die Zugehörigkeit zum Adel, nicht aber der Mann durch Heirat mit einer nichtadligen Frau. Entsprechend wird die Zugehörigkeit der Kinder zum Adel vom Stand des (ehelichen) Vaters bestimmt. Diese Regeln haben heute nur noch interne vereinsrechtliche, keine öffentlich-rechtliche Bedeutung mehr. Sie stehen in Gegensatz zu den geltenden namensrechtlichen Bestimmungen, da sie fundamentalen Verfassungsgrundsätzen wie der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 Abs. 2 GG) und der Gleichberechtigung ehelicher und nichtehelicher Kinder (Art. 6 Abs. 5 GG) widersprechen.

Beispiele

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs unterliegt das Prinzip der Ebenbürtigkeit auch in den Familien des Hohen Adels einem stetigen Erosionsprozess. Der politische Bedeutungsverlust der verbliebenen europäischen Monarchien und der Wandel der herrschenden gesellschaftlichen Anschauungen hatten eine stetig wachsende Zahl von Eheschließungen zwischen Angehörigen regierender Häuser und nichtstandesgemäßen, meist bürgerlichen Ehepartnern zur Folge. Das gilt auch für Thronfolger.

Wurde die Hochzeit von

so ist die Wahl bürgerlicher Ehepartner in den Herrscherfamilien Europas um die Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert längst von der Ausnahme zur Regel geworden. Die Heirat des

Dagegen heirateten in

Sonstiges

Nach dem Ende der Ständegesellschaft wird der Begriff „ebenbürtig“ im modernen Sprachgebrauch noch metaphorisch im Sinne von „gleichwertig“ verwendet.

Siehe auch

Literatur

Weblinks


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