EStGB

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Das Einkommensteuergesetzbuch, EStGB (umgangssprachlich Kirchhof-Modell) ist ein von der Forschungsgruppe Bundessteuergesetzbuch unter der Leitung von Paul Kirchhof entwickelter Vorschlag zur Vereinfachung des deutschen Ertragsteuerrechts auf rechtswissenschaftlicher Basis.

Es wurde 2001 dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestags und der Fachpresse vorgestellt und im Folgenden äußerst kontrovers diskutiert.

Inhaltsverzeichnis

Das Konzept

Eine Einkunftsart

Das Konzept sieht vor, dass nicht mehr wie bisher zwischen 7 Einkunftsarten unterschieden wird, sondern dass alle Einkunftsquellen unabhängig von ihrem Ursprung gleich behandelt werden, gleich ob etwa Gehälter, Zinsen, Mieteinnahmen oder Unternehmensgewinne. Damit entfallen Unterschiede in den Abzugsmöglichkeiten bei unterschiedlichen Steuerobjekten (sog. horizontale und vertikale Verrechnung).

Weitere Steuersubjekte, Gleichheit der Rechtsformen

Das Konzept erweitert den Kreis der Steuersubjekte. Neben natürlichen Personen sind sog. „steuerjuristische Personen“ steuerpflichtig. Damit definiert das EStGB eigene Begriffe, unabhängig vom Zivilrecht und erfasst alle Personengesellschaften und Sondervermögen sowie Kapitalgesellschaften und ersetzt die Körperschaftsteuer gänzlich. Damit entfallen Gestaltungsmöglichkeiten und Unterschiede unter den Rechtsformen von Unternehmen.

Einheitlicher Steuersatz und Progression

Das Konzept sieht einen einheitlichen Steuersatz von 25 % vor, eine sogenannte Einheitssteuer (flat tax).

Natürliche Personen können von ihren Erwerbserlösen eine Vereinfachungspauschale von bis zu 2.000 Euro abziehen. Von ihren Einkünften wird ein Grundfreibetrag von 8.000 Euro und ein Sozialausgleichsbetrag von höchstens 3.000 Euro abgezogen.

Der resultierende Steuertarif ist indirekt progressiv. Die ersten 5.000 Euro zu versteuerndes Einkommen werden zu 60 % mit 25 % veranlagt, die nächsten 5.000 Euro zu 80 %. Dadurch entstehen de facto Steuerstufen von 15 %, 20 % und 25 %. Wird die Steuerlast im Verhältnis zum Bruttoeinkommen minus den Werbungskosten (also dem objektivsten Maß des Ertrages aus Leistung) gesetzt und nicht zum versteuernden Einkommen ergibt sich aber eine stetige Progression, die mit höherem Einkommen abflacht.

Das Ehegattensplitting entfällt. Ehegatten können aber ihre Grundfreibeträge zusammenlegen, ebenso die Sozialausgleichsbeträge.

Kongruenz von Bilanzen

Bilanzpflichtige Unternehmen können ihre Handelsbilanz als Steuerbilanz zu Grunde legen.

Gegenfinanzierung

Zur Gegenfinanzierung sollen sämtliche Steuervergünstigungen und Ausnahmetatbestände abgeschafft werden und somit die Bemessungsgrundlage stark erweitert werden, sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen.

Konsequenzen laut Kirchhof

Das Steuerrecht würde transparenter werden, da für den einzelnen Bürger die Möglichkeit entfiele, seine Steuerlast durch steuersenkende Maßnahmen, wie beispielsweise Abschreibungsmodelle, zu verändern. Durch die Erweiterung der Bemessungsgrundlage muss für alle Einkommen der gleiche Steuersatz bezahlt werden. Hiermit würden vom Bundesverfassungsgericht in früheren Urteilen festgestellte Mängel des derzeitigen Steuerrechtes, das nicht mit dem im Grundgesetz verankerten Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Einklang steht, ausgeräumt.

Für die Politik entfiele die Möglichkeit, über das Steuerrecht indirekte Subventionen zu gewähren, und damit auch eine Möglichkeit, die Steuerzahler bei finanziellen Entscheidungen zu beeinflussen. Das Steuerrecht wurde in der Vergangenheit als Mittel eingesetzt, wirtschaftliche Entwicklungen anzuregen und zu verstärken, beispielsweise bei Wohnungsbau, Denkmalschutz, Förderung veralteter Industriezweige, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, Familienförderung.

Diese Steuerungsmöglichkeit entfiele vollständig oder müsste durch direkte Subventionen ersetzt werden. Das Modell wird daher auch dafür kritisiert, es entziehe mit der Abschaffung von indirekten Steuersubventionen dem Staat ein effizientes makroökonomisches Lenkungssystem. Zu den allgemeinen makroökonomischen Nachteilen einer Einheitssteuer siehe dort.

Im Vergleich zwischen direkten und indirekten, über die Steuer gewährten Subventionen fällt auf, dass der Bürger im Falle indirekter Subventionen ein Mitspracherecht erhält, wie die Subventionen eingesetzt werden sollen. So entscheidet er, welchen gemeinnützigen Vereinen er spendet und in welche Abschreibungsmodelle er investiert und trifft dadurch eine Auswahl, welchen Zwecken er dem ihn gewährten Steuervorteil zukommen lässt. Dadurch gibt es eine Art Wettbewerb um die indirekten Subventionen.

Bei direkten Subventionen wird dagegen das Budgetrecht des Bundestages und der Länderparlamente gestärkt, die direkt über eine Verwendung ihrer Mittel entscheiden können.

Politische Bewertungen

CDU und CSU standen dem Kirchhof-Modell positiv gegenüber und nahmen Paul Kirchhof in das Kompetenz-Team der CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel auf, wo sein Modell zu einem der zentralen Streitpunkte im Bundestagswahlkampf 2005 wurde, obwohl eine Umsetzung in der nächsten Legislaturperiode nicht zur Debatte stand und sowohl CDU/CSU als auch FDP ein anderes Steuermodell in ihren Wahlkampfprogrammen führten.

Das Steuerkonzept mit drei Einkommensteuersätzen (im Volksmund Bierdeckelsteuer), das im Jahr 2003 von Friedrich Merz vorgestellt wurde, basierte teilweise auf den Vorarbeiten der Forschungsgruppe Bundessteuergesetzbuch.

SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke standen dem Kirchhof-Modell ablehnend gegenüber und verwiesen oft darauf, dass die von Kirchhof propagierte Einheitssteuer mit einem einheitlichen Steuersatz bereits in einigen osteuropäischen Ländern umgesetzt worden sei. Kennzeichnend für diese Staaten sei eine enorme soziale Polarisierung, da die "Einheitssteuer" vor allem ausländische Direktinvestitionen attraktiver machen soll, während die ärmere Bevölkerung oft Mehrbelastungen zu ertragen habe.

So werden häufig, wie z.B. in der Tschechischen Republik die Sozial- und Krankenversicherungsbeiträge sowohl des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers versteuert (Superbruttoeinkommen), mithin beträgt die steuerliche Bemessungsgrundlage bei Arbeitnehmern 135% des Bruttolohns. Dadurch haben die meisten Arbeitnehmer von der Senkung der Einkommensteuersätze nicht profitiert.[1]

Hinzu kommt, dass die Reform der Einkommensteuer in allen osteuropäischen Ländern eine Erhöhung der Mehrwertsteuer erfordert hatte, was insbesondere Familien und Geringverdiener überdurchschnittlich belastete.[2] In der Slowakei wurde beispielsweise die Steuerreform 2002 durch Abschaffung des verminderten Mehrwertsteuersatzes von 14% gegenfinanziert. Die Folge war, dass auch lebenswichtige Güter wie Grundnahrungsmittel, Medikamente, Strom, Kohle etc. mit dem normalen Steuersatz von 19% versteuert wurden. [3]

In der Slowakei wurde die Regierung 4 Jahre nach Durchführung der radikalen Steuer- und Sozialreformen im Jahr 2006 abgewählt.[4] Die Opposition gewann die Wahl mit dem Versprechen die Reformen wieder rückgängig zu machen, was aber nur teilweise umgesetzt wurde.[5]

Inwieweit das unbestreitbar hohe Wirtschaftswachstum der osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten nicht nur auf die niedrigen Löhne und die Nähe zu den wohlhabenden EU-Staaten zurückzuführen ist, sondern auch auf die Steuerreformen, wird von unterschiedlichen politischen Lagern unterschiedlich bewertet. Unstrittig ist dagegen, dass die effektiv sehr niedrigen Unternehmenssteuern in Osteuropa ausländische Direktinvestitionen attraktiver machen.

Wissenschaftliche Bewertung

Experten wie der SPD-nahe Finanzwissenschaftler Professor Stefan Homburg bezweifelten öffentlich die Richtigkeit der von Kirchhof vorgelegten Zahlen: Trotz der Vorschläge zur Gegenfinanzierungen hätte der Einheitssteuersatz demnach bedeutend über den anvisierten 25 Prozent liegen müssen. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung betrachtete in einer 2004 vorgelegten Analyse das Kirchhof-Modell als eine kurzfristig nicht finanzierbare Steuerentlastung.[6] Langfristig jedoch versprechen sich auch weiterhin viele renommierte Wirtschaftsexperten gesamtwirtschaftliche Vorteile durch solch eine radikale Vereinfachung des Steuersystems.

Einzelnachweise

  1. Tschechien-online: Grosse-steuerreform
  2. Die Zeit: Osteuropa: Einige Länder haben die Einheitssteuer. Doch sie ist umstritten
  3. http://www.iwkoeln.de/Portals/0/pdf/trends02_06_5.pdf Institut der deutschen Wirtschaft Köln: Die arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Reformen in der Slowakischen Republik
  4. Slowakei-net: Wahlen 2006
  5. Bilanz nach dem ersten Regierungsjahr
  6. Vergleich verschiedener Steuerreform-Konzepte (DIW Wochenbericht 16/2004) (PDF-Format)

Weblinks


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