EMRG

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Schematische Darstellung der Funktionsweise einer Railgun

Eine Railgun (genauer Electromagnetic Railgun/EMRG, dt. Schienengewehr oder Schienenkanone), ist eine Waffe, die Projektile mittels eines stromführenden Schlittens entlang zweier parallel laufenden Schienen beschleunigt. Das Projektil kann dabei auch selbst als Schlitten dienen, ist aber wegen der widersprüchlichen Anforderungen (das Projektil muss wegen der Aerodynamik schlank sein, der Schlitten dagegen breit und flach) unüblich in professionellen/militärischen Designs. Die beschleunigende Kraft wird dabei durch das entstehende Magnetfeld erzeugt. Abhängig von der Beschleunigungsstrecke (Schienenlänge) und der Stärke des Stromimpulses, aber auch von der Anordnung der Schienen („Rails“) lassen sich enorme Geschwindigkeiten (mehrere 1000 m/s) erreichen.

Es gab bereits Versuche durch deutsche Wissenschaftler im 2. Weltkrieg, diese waren allerdings weitgehend erfolglos und wurden nach Kriegsende von den Alliierten übernommen. Obwohl schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts Versuche unternommen wurden, leistungsfähige Railguns zu entwerfen, befinden sie sich noch immer in einer Entwicklungsphase. Das größte Problem bei der Konstruktion liegt in dem erforderlichen Energiespeicher, welcher kurzzeitig eine Leistung von mehreren Megawatt bis ca. 1 Gigawatt liefern muss. Verwendet werden hierfür unter anderem starke Kondensatoren. Dies macht die Waffe sehr schwer. Ein weiteres Problem ist der Verschleiß der Stromschienen, die den Strom zum Geschoss leiten und dieses kontaktieren müssen. In den letzten Jahren konnten allerdings einige Fortschritte in diesen Punkten erzielt werden. Alternativ werden auch Schwungräder als Energiespeicher verwendet, in diesem speziellen Fall Unipolarmaschinen oder deren Weiterentwicklung, die Compulsatoren.

Die Motivation in der Entwicklung elektromagnetischer Waffen liegt in den Vorteilen, die prinzipiell gegenüber den konventionellen Feuerwaffen bestehen: die Austrittsgeschwindigkeit unterliegt nur aerodynamischen Grenzen, wohingegen konventionelle Munition nie schneller sein kann als das expandierende Treibladungsgas (im Allgemeinen ist dies die Schallgeschwindigkeit in dem jeweiligen Gas). Die höhere Geschwindigkeit bringt ein vielfaches an Zerstörungskraft mit sich, da die kinetische Energie mit dem Quadrat der Geschwindigkeit wächst. Außerdem beschränkt sich die Geräuschentwicklung auf den Überschallknall was militärisch von Vorteil ist. Des Weiteren gibt es weniger bewegliche Teile, was den möglichen Verschleiß und Ausfall auf wenige Teile verringert und sie so potentiell wartungsärmer macht. Im momentanen Entwicklungsstand sind die meisten elektromagnetischen Waffen allerdings noch mindestens genauso schwer wie konventionelle.

Ein Einsatz von Railguns erscheint insbesondere dort interessant, wo hohe Feuerraten und Reichweiten erwünscht sind, z. B. als Flugabwehrgeschütz, da die Feuerrate durch den Ersatz der Treibladung nicht begrenzt ist und die Geschossgeschwindigkeit bei entsprechend hohem Strom (Größenordnung 1 Million Ampere) nur durch die Luftreibung begrenzt wird.

Inhaltsverzeichnis

Funktionsweise

Eine Railgun beschleunigt das Projektil durch die magnetische Wechselwirkung eines elektrischen Stromes, der über die Schienen das Projektil selbst oder einen hinter dem Projektil geladenen Treiber durchfließt. Es ist nicht mit einem Gaußgewehr (auch Spulenkanone oder Coilgun) zu verwechseln, bei welchem ein leitfähiges bzw. ferromagnetisches Projektil durch ein magnetisches Wanderfeld beschleunigt wird, ohne dass es von Strom durchflossen wird.
Die Kraftwirkung lässt sich mit der Lenzschen Regel erklären: das Projektil wirkt durch seine Bewegung verringernd auf den treibenden Strom. Die hinter dem Projektil auftretenden Magnetfelder versuchen, den umschlossenen Querschnitt zu vergrößern - das ist jedoch nur in Flugrichtung möglich, da die stromdurchflossenen Schienen sehr fest parallel miteinander verbunden sind. Die Kraft auf das Geschoss ist - auch wenn dieses bereits sehr schnell ist - proportional zum Strom. Das bedeutet, dass die Beschleunigung des Geschosses - anders als bei Treibladungen - bis zur Mündung nahezu konstant ist.

Als Stromquelle bzw. Energiespeicher kommen Kondensatoren oder Schwungrad-Generatoren zum Einsatz. Das Hauptproblem ist neben der mechanischen Festigkeit der Schienen deren Kontaktgabe zum Geschoss bzw. Treiber: die hohen Ströme (Mega-Ampere) verursachen derzeit so großen Verschleiß an den Schienen, dass sie oft nur einmal verwendet werden können.

Durch die hohe Geschwindigkeit verspricht man sich eine enorme Durchschlagskraft. Innerhalb der Lufthülle der Erde wird die erreichbare Geschwindigkeit theoretisch nur durch die Reibung mit der Luft beschränkt - das Geschoss kann aufgrund der Reibungshitze verglühen.

Aktueller Stand

Testschuss einer Railgun im US-Naval Surface Warfare Center, Januar 2008. Die Mündungsgeschwindigkeit des Projektils betrug 2520 m/s (9072 km/h)
Railgun Testanlage des US-Naval Surface Warfare Center

Offiziell sind die meisten Projekte zur Entwicklung einer Railgun eingestellt worden, da zu viele technische Hindernisse nicht bewältigt werden konnten. Ein großes Problem waren zum Beispiel die Abmessungen und Gewichte, die zu verringern sich als ausgesprochen schwierig herausstellte.

Eines der noch verfolgten und am weitesten vorangetriebenen Forschungsprojekte ist am TARDEC beheimatet, einem in Detroit angesiedelten Forschungsinstitut der US Army für gepanzerte Fahrzeuge. Dort soll bis 2015 der Prototyp einer funktionierenden Panzerkanone mit einem Kaliber von 60 Millimetern gebaut werden, die auf dem Railgun-Prinzip beruht. Neben der Stromversorgung ist vor allem der Verschleiß der Experimentalwaffen ein noch ungelöstes Problem. Vor allem die aus einer Kupferlegierung bestehenden Schienen leiden massiv unter der großen Erhitzung durch den Stromfluss. Bisher waren mit allen Versuchsaufbauten nur wenige Schüsse möglich, bevor die Anlagen ausfielen.

Die US Navy forscht in Washington an Railgun-Schiffsgeschützen, deren Geschosse auf bis zu Mach 7 beschleunigt werden, mit 5 Mach wieder in die Erdatmosphäre eintreten und eine Reichweite von mehr als 350 Kilometern erreichen sollen. Wichtigster Firmenpartner ist BAE Systems. BAE will bis 2011 einen ersten Prototypen mit einer Energie von 32 Megajoule und bis 2016 einen mit 64 Megajoule fertigstellen, während die Navy davon ausgeht, 2016 bis 2018 einen ersten einsatzfähigen Prototyp mit zugehörigen Unterstützungssystemen testen zu können. 2020 bis 2024 soll die erste Railgun auf einem Schiff installiert werden. Es soll auch eine Variante zur Abwehr von Interkontinentalraketen geben. Allerdings steht im August 2009 eine grundlegende Entscheidung der Navy-Forschungsabteilung an, ob das Railgun-Projekt überhaupt weiterverfolgt werden soll. Bislang wurden rund 36 Millionen US-Dollar in das Projekt investiert. Bis 2011 sind weitere 240 Millionen eingeplant.

Ende Januar 2008 berichtete die Navy von einem Versuchsaufbau, der die bis dahin besten Leistungsergebnisse erbracht haben soll. Im Naval Surface Warfare Center in Dahlgren im US-Bundesstaat Virginia soll dabei eine 32-Megajoule-Anlage ein Geschoss auf 2520 Meter pro Sekunde beschleunigt haben. Das Aluminium-Geschoss erreichte dabei eine Energie von 10,68 Megajoule. [1][2] Die Geschossmasse betrug dabei etwas mehr als 3 kg. Vergleichbar ist diese kinetische Energie mit der eines Wuchtgeschosses, wie es vom Kampfpanzer Leopard 2 verschossen wird (m ≈ 8 kg, v ≈ 1700 m/s).

Es gibt eine Hobby-Gemeinde, die sich mit der Konstruktion von Railguns befasst. Diese Projekte arbeiten meist mit Graphit-Projektilen, um die Gleiteigenschaften bei den auftretenden hohen Temperaturen an den Berührungspunkten zu den Schienen zu erhalten. Die erreichten Parameter haben jedoch eher den Charakter von Demonstratoren.

Railguns in der Populärkultur

Erwähnt wurden Railguns in der Literatur, verschiedenen Filmen und Computerspielen. Der Spielfilm Eraser mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle dreht sich um hypothetische Railguns in Form tragbarer Infanteriewaffen. Die Darstellung im Film (mit Röntgenzielgeräten und großen Detonationen) entspricht allerdings nicht den realen Gegebenheiten. In vielen Videospielen, darunter jene der Quake, Red Faction, Command & Conquer, Shadow Warrior, Planetside, EVE Online und Metal Gear-Reihe kommen tragbare bzw. fest montierte Railguns als Waffen vor. Bei den elektromagnetischen (Gauss-) Geschützen in den Mechwarrior-Romanen handelt es sich um die oben erwähnten Gaußgewehre.

Railguns kommen ebenfalls in den Sci-Fi-Serien Stargate – Kommando SG-1 und Stargate: Atlantis vor. Die dortigen Waffen entsprechen mehr einer verwirklichbaren Railgun.

Siehe auch

Quellen

Einzelnachweise

  1. „US-Marine testet revolutionäre Kanone“ auf www.spiegel.de
  2. Peter Mühlbauer:Der Transrapid der Waffentechnik, Telepolis, 05.02.2008

Weblinks


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