E-Orgel

E-Orgel

Als elektronische Orgel wird allgemein ein Tasteninstrument mit elektronischer Tonerzeugung bezeichnet. Konkrete analoge oder digitale Technologie der Klangerzeugung, Designausführung oder Baugröße kann daran nicht festgemacht werden und ist immer vom jeweiligen Stand der Technik abhängig und stark anwenderbezogen. Da den Musiker vordergründig eher Klangqualität und Verwendungszweck des Musikinstrumentes interessieren, tritt damit die verwendete Technologie in den Hintergrund des Musizierens zurück. Umgangssprachlich wird sie auch mit: E-Orgel oder Elektro-Orgel (früher auch Elektronenorgel, Elektronikorgel) benannt.

Ab den 1930ern aus den Vorläufern entwickelt, war sie bis zum Aufkommen polyphoner Synthesizer Mitte der 1970er Jahre eines der wenigen elektrophonen Tasteninstrumente mit polyphoner Tonerzeugung. Ursprünglich war die Pfeifenorgel Vorbild zur Entwicklung der elektronischen Orgel: Tastatur (auch mit mehreren Manualen), Bezeichnung der Registerlagen nach der Fußtonzahl oder zum Teil der Registernamen werden übernommen. Durch stetig weitere Verbesserungen und inzwischen durch Einsatz der Computertechnik wurde die Klangerzeugung so verbessert, dass sie auch als elektronische Konzertorgel und Sakralorgel mit hoher Klangqualität zum Einsatz kommt.

Inhaltsverzeichnis

Historische Vorgänger

Zugriegel einer Hammond-XB-1

Außer der Lichttonorgel waren die frühen „elektronischen“ Orgeln fast alle elektro-mechanische Orgeln, wie etwa die Hammond-Orgel: Durch eine Mechanik wurde in Tonabnehmern ein elektrischer definierter Wechselstrom erzeugt. Hierdurch hat sich auch der Begriff „Hammond-Orgel“ als Synonym für die ganze Instrumentenklasse gebildet. Die Tonerzeugung erfolgte zunächst durch Zahnräder, deren Zähne elektrische Sinusspannungen in Spulen induzierten.

Diese ersten Instrumente besaßen im Gegensatz zu den „digitalen“ (diese lassen sich nur an- oder ausschalten) Registern des klassischen Vorbilds die Möglichkeit, mit Zugriegeln die Lautstärke stufig einzustellen. Pro Manual stehen meist neun Zugriegel zur Verfügung, wobei diese in den verschiedenen Tonlagen 16′, 51/3′, 8′, 4′, 22/3′, 2′, 13/5′, 11/3′ und 1′ klingen. Durch Herausziehen und Hineinschieben der einzelnen Zugriegel und angeschlossener Widerstandsregeler lassen sich gemäß entsprechender Teiltonintensität der Obertonreihe die einzelnen Sinustöne in ihrer Lautstärke beeinflussen und somit verschiedene Klangfarben erzeugen. Die Klangerzeugung entspricht damit einer einfachen additiven Synthese.

Analoge Tonerzeugung

Die erste Transistor- und damit vollelektronische Orgel der Welt, die Böhm-Orgel, konstruierte Anfang der 1960er Jahre der Physiker Dr. Rainer Böhm in Minden/Westfalen. Böhm bot erstmals Bausätze für elektronische Orgeln an, die auch von Laien zusammengesetzt werden konnten und später mit technischen Neuerungen erweiterbar waren. Im Jahre 1964 erschien mit der Philicorda AG 7500 der niederländischen „Gloeilampenfabrieken Philips“ ebenfalls eine frühe voll-elektronische Orgel, die eine größere Verbreitung fand.

Tonwiedergabe

Wichtiger Bestandteil einer „klassischen“ Hammond-Orgel ist ein Lautsprecher-Kabinett (Leslie-Lautsprecher), das den Klang der Orgel über rotierende Lautsprecher wiedergibt und ihm damit zusätzliche Schwebungs- und Tremoloeffekte verleiht. Die Rotationsgeschwindigkeit lässt sich dabei in zwei Stufen (Slow/Fast) bestimmen. Später ging man nicht zuletzt aus Platz- und Gewichtsgründen auf die elektronische Simulation dieses Effektes mittels Eimerkettenschaltungen über. Beispiele für solche Geräte waren das Wersivoice der Firma Wersi und der Phasingrotor der Firma Dr. Böhm.

Von der Firma Dynacord wurden in den 80er und 90er Jahren racktaugliche Effektgeräte hergestellt, welche auf die Simulation eines Leslie-Kabinetts spezialisiert waren und eine recht weite Verbreitung fanden (CLS-22, CLS-222, DLS-223, DLS-300).

Digitale Tonerzeugung

Heutige Orgeln kombinieren eine Reihe von Klangsynthesen wie Sampling und FM-Synthese. Während die Hammond-Orgel als Inbegriff für den typischen „Sinus-Orgelsound“ steht, gelten neuere Orgeln der Marken Wersi, Böhm oder Roland als Inbegriff für Orchesterorgeln, die neben traditionellen Orgelsounds unterschiedlicher Stilrichtungen (Sinus-, Theaterorgel usw.) auch Orchesterklangfarben in mittlerweile beeindruckender Qualität abbilden. Diese Orgeln sind gerade im Heimbereich sowie bei Alleinunterhaltern beliebt. Große Serieninstrumente verfügen heutzutage über zwei Manuale mit 61 Tasten, einem 76-Tasten-Manual mit Hammermechanik und einem polyphonen 30-Tasten-Pedal.

Im Rock oder Jazz findet man dagegen meist klassische Hammond-Orgeln oder moderne „Clones“. Zunehmend werden diese auch in Software-Synthesizern emuliert.

Heimorgel

Die Heimorgel ist eine für das Wohnzimmer konzipierte elektronische Orgel. Sie besitzt überwiegend zwei Manuale mit je drei bis vier Oktaven (sogenannte Spinett-Orgeln – die Manuale sind hier um eine Oktave versetzt) bzw. fünf Oktaven (sogenannte „Voll-Orgeln“ – die Manuale liegen parallel übereinander). Zusätzlich verfügen Heimorgeln in der Regel über ein Stummelpedal. Fast überwiegend besitzen Heimorgeln eine eingebaute Endstufe und – ausstattungsabhängig – mehrere Lautsprecher. Die Tonerzeugung war zunächst rein analog, später wurde auch die Heimorgel digitalisiert. Die Registrierung erfolgt dabei durch Betätigung von Tastern und Schaltern, die einzelne Schaltkreise (und damit einzelne Klangfarben) zu- und wegschalten.

Blütezeit der Heimorgeln waren die 1970er und frühen 1980er Jahre. Zu dieser Zeit waren Heimorgeln durchaus auch Statussymbol, was sich in einer Leistungsklasseneinteilung ähnlich der Automobilwelt niederschlug. Typische Unterklasse-Modelle waren meist mit drei Fußlagen im Obermanual und ein bis zwei Fußlagen im Untermanual ausgestattet. Mittelklasse-Modelle hatten regelmäßig orchestrale Presets – mehr oder minder gute Kopien von Streicher- oder Bläserklängen sowie monophone Synthesizereinheiten, mit denen Soloinstrumente simuliert wurden. Oberklasse-Modelle waren zudem oft mit dem klassischen Merkmal echter Hammond-Orgeln, nämlich Zugriegeln, bestückt oder hatten ein drittes – kleiner geratenes – Manual für Solostimmen. In seltenen Fällen waren diese Oberklasse-Modelle auch mit Vollpedalen (25 oder 30 Pedale) ausgestattet. Nahezu alle Heimorgeln enthielten Rhythmusgeräte, so dass die Illusion eines „Ein-Mann-Orchesters“ möglich wurde. Weniger versierten Spielern wurde zudem mit immer weiterentwickelten Begleitautomatiken die Möglichkeit gegeben, den Klang der Orgel herauszustellen, ohne dabei wirklich über die Fähigkeit zu verfügen, „mit Hand und Fuß zu spielen“. Die Preise lagen Ende der 70er Jahre zwischen 2000 und 15.000 DM.

Die Hersteller für den Massenmarkt waren in den 1970er und 1980er Jahren z. B. Farfisa (Italien), GEM (Italien), Yamaha (Japan) und Technics (Japan). Besonders billige, aber auch qualitativ geringerwertige Modelle wurden von Bontempi (Italien) hergestellt. Die deutschen Hersteller Wersi und Böhm boten Bausätze an, mit denen sich von versierten Hobbybastlern sehr leistungsstarke Orgeln auch für den Heimbereich aufbauen ließen. Diese Modelle gewannen ihre Attraktivität dadurch, dass sie von den Orgelstars der damaligen Zeit benutzt wurden. Komplett aufgebaut und fertig montiert erreichten die Modelle dieser Hersteller jedoch Preise oberhalb des Heimorgel-Niveaus. Wersi und Böhm sind auch heute noch auf dem deutschen Markt vertreten, vornehmlich mit Konzertorgeln, während sich die Hersteller Farfisa, GEM, Yamaha und Technics vom Markt zurückgezogen haben bzw. nicht mehr existieren. Grundsätzlich gibt es heute nur noch wenige Orgeln auf dem Markt, auf die die Bezeichnung Heimorgel zutrifft. Ein wesentlicher Grund für den Rückgang des Orgelbooms dürfte in der seit den 90er Jahren ständig wachsenden Verbreitung von Keyboards zu sehen sein. Diese einmanualigen, leicht transportablen Instrumente lassen sich von wenig geübten Musikern in ähnlicher Weise spielen wie eine Heimorgel mit Begleitautomatik, sie sind für den Endkunden jedoch deutlich billiger, da sie nicht mehr die prinzipielle Möglichkeit eines dreiläufigen Spiels schaffen (rechte Hand – linke Hand – Fuß). Aufwändige Gehäusekonstruktionen entfallen somit, ebenso wie die integrierten Verstärker- und Lautsprechersysteme.

Bekannte Orgelkünstler und damit Wegbereiter des „Heimorgel-Hype“ waren zur Blütezeit u. a. Klaus Wunderlich, Franz Lambert, Mark Shakespeare, Ady Zehnpfennig sowie Curt Prina. Lambert und Prina sind auch heute noch als Konzertorganisten tätig. Auch der Jazz-Organist Jimmy Smith spielte Anfang der 1980er Jahre manchmal ein Wersi-Instrument. Aktuell populär sind Künstler wie Mambo Kurt oder MC Orgelmüller, die einen spielerischen und experimentierfreudigen Umgang mit dem Instrument pflegen und die Orgel damit in eigentlich fremde Gefilde wie Punk und Heavy Metal vordringen lassen.

Konzertorgel

Digitale Konzertorgel

Die Konzertorgel dient hervorragenden Organisten als Instrument für Solokonzerte überwiegend auf dem Gebiet der Popmusik. Im Prinzip ist sie eine Heimorgel mit extrem aufwendiger Ausstattung. Dazu gehören zwei, meist drei Manuale, immer ein Vollpedal mit in der Regel 25 Tasten. Konzertorgeln verfügen nur selten über ein internes Lautsprechersystem, sondern werden über externe Verstärker und Boxen gespielt, um den akustischen Anforderungen großer Säle oder auch Open-Air-Veranstaltungen zu genügen. Bekannte Hersteller waren bzw. sind noch Böhm, Roland, Yamaha, Wersi. Auch Hammond hat Konzertorgeln gebaut, die aber eher für Jazzkonzerte benutzt wurden.

Konzertorgeln wurden oft als Spitzenmodell der Heimorgelserie für Werbekonzerte eingesetzt. Hierfür hatten die Hersteller Top-Organisten unter Vertrag genommen, die als Symbolfiguren für die Qualität der Orgelmarke gelten sollten. Das bekannteste Beispiel hierfür ist wohl Franz Lambert, der seit den 70er Jahren Konzerte auf Wersi-Orgeln gibt.

Digitale Sakralorgel

Digitale Sakralorgel (Spitzenmodell)
Kleine Sakralorgel in einer Trauerhalle

Eine weitere Variante, die sich mit dem Fortschritt der Digitaltechnik zunehmend ihren Platz erobert (hat), ist die Elektronische (oder Digitale) Sakralorgel (weniger gebräuchlich: „Digitalorgel“). Sie löste in den frühen 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die mit analoger Technik bestückte Sakralorgel ab. In den Jahren der frühen Digitaltechnik waren die klanglichen Ergebnisse zwar ein Fortschritt gegenüber den analogen Orgeln, aber meist noch wenig überzeugend. Erst in den letzten Jahren hat sich die Qualität dieser Instrumentengattung enorm gesteigert. Ihre Disposition (Zusammenstellung der verschiedenen klingenden Stimmen) entspricht der von Pfeifenorgeln. Auch der Spieltisch dieser Instrumente (Registerzüge oder -wippen, Manuale und Pedal) ist wie bei Pfeifenorgeln gestaltet.

Die Klangerzeugung geschieht hier auf der Basis von zuvor aufgenommenen Samples der verschiedenen Orgelregister. Diese werden dann additiv mit einem speziellen Hardwaresampler wieder zusammengefügt und können mittels Tastendruck abgerufen werden. Sie sind vor allem als Übungsinstrument in Privathäusern, sowie in Kirchsälen, kleinen Kirchen und Kapellen zu finden. Die mittlerweile überzeugende Klang- und Reproduktionsqualität macht digitale Sakralorgeln aber auch zunehmend zu einer ernst zu nehmenden Alternative für größere Kirchen und Konzertsäle. Weitere Argumente für die Verbreitung der digitalen Sakralorgel sind der im Vergleich zur Pfeifenorgel wesentlich niedrigere Anschaffungspreis, die Unempfindlichkeit gegenüber Schwankungen von Temperatur und Luftfeuchtigkeit sowie der dadurch bedingte Wegfall von regelmäßigen Wartungskosten.

Seit 2003 simuliert Hauptwerk, eine Software, die sich mit einem MIDI-fähigen Orgelspieltisch ansteuern lässt, das Samplingprinzip auch auf dem PC. Das Sampling hat jedoch einige Nachteile. Einerseits erfordert Sampling einen enormen Aufwand, da jede einzelne Pfeife eines Originalinstrumentes aufgenommen und digitalisiert werden muss. Eine besondere Schwierigkeit besteht darin, dass mittels Sampling der Effekt der gegenseitigen Beeinflussung mehrerer gleichzeitig erklingender Pfeifen nur mit erhöhtem Aufwand simuliert werden kann. Diese Beeinflussung ist umso größer, je näher die Pfeifen räumlich beieinander stehen. Eine freie Alternative, die mit den gleichen Samples wie Hauptwerk arbeiten kann, ist MyOrgan. Weil diese Orgel-Sample-Sets jedoch auch meist den Nachhall des Raumes wiedergeben, ist eine Verwendung in Kirchenräumen wenig überzeugend. Von einigen Sample-Set-Produzenten wird die Verwendung von deren Samples in öffentlichen Räumen durch den Endbenutzer-Lizenzvertrag verboten.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, anhand mathematischer Rechenmodelle das natürliche Verhalten einer Pfeifenorgel zu simulieren. Ein Vertreter dieser Art ist die Software Aeolus, die ebenfalls als freie Software unter der GPL für das Betriebssystem Linux zur Verfügung steht. Ein ähnliches Verfahren verwenden digitale Sakralorgeln der Firma Eminent.


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