Dunkle Energie

Dunkle Energie

Als Dunkle Energie wird in der Kosmologie eine hypothetische Form der Energie bezeichnet. Die Dunkle Energie wurde als eine Verallgemeinerung der kosmologischen Konstanten eingeführt, um die beobachtete beschleunigte Expansion des Universums zu erklären. Der Begriff wurde 1998 von Michael S. Turner geprägt.

Die physikalische Interpretation der Dunklen Energie ist weitgehend ungeklärt und ihre Existenz ist experimentell nicht nachgewiesen. Die gängigsten Modelle bringen sie mit Vakuumfluktuationen in Verbindung, es werden aber auch eine Reihe weiterer Modelle diskutiert. Die physikalischen Eigenschaften der Dunklen Energie lassen sich durch großräumige Kartierung der Strukturen im Universum, beispielsweise die Verteilung von Galaxien und Galaxienhaufen untersuchen; entsprechende astronomische Großprojekte befinden sich in Vorbereitung.

Inhaltsverzeichnis

Beobachtung

Materie- bzw. Energie-Anteil des Universums zum jetzigen Zeitpunkt (oben) und zur Entkopplungszeit (unten), 380.000 Jahre nach dem Urknall. (Beobachtungen der WMAP-Mission u.a.)

Nachdem die Expansion des Universums durch die Beobachtung der Rotverschiebung der Galaxien als etabliert galt, wurden detailliertere Messungen durchgeführt, um die Geschwindigkeit der Expansion und ihre Veränderung über die Lebenszeit des Universums zu bestimmen. Traditionelle Modelle besagten, dass die Expansion aufgrund der Materie und der durch sie wirkenden Gravitationsanziehung verlangsamt wird; Messungen sollten diese Verlangsamung quantifizieren.

Die Messungen, die im Wesentlichen auf Entfernungsbestimmungen weit entfernter Supernovae vom Typ 1a basierten, ergaben entgegen dieser Lehrmeinung eine Zunahme der Expansionsgeschwindigkeit. Diese unerwartete Beobachtung wird seitdem auf eine unbestimmte Dunkle Energie zurückgeführt. In den Modellen besteht das Universum zum gegenwärtigen Zeitpunkt, ca. 13,7 Milliarden Jahre nach dem „Urknall“, zu 72 % aus Dunkler Energie, 23 % aus Dunkler Materie und zu 4,6 % aus der sichtbaren, baryonischen Materie. (In der Frühzeit des Universums, zum Zeitpunkt der Entkopplung der Materie von der Hintergrundstrahlung, war die Zusammensetzung noch wesentlich anders.)

Die Existenz einer Dunklen Energie könnte auch eine Erklärung für die „Flachheit“ des Universums sein. Es ist bekannt, dass die normale Materie nicht ausreicht, um dem Universum eine flache (das heißt im Wesentlichen euklidische) Geometrie zu geben; sie stellt nur 2–5 % der notwendigen Masse. Aus Beobachtungen der gravitativen Anziehung zwischen den Galaxien ergibt sich aber, dass Dunkle Materie maximal 30 % der erforderlichen Materie sein kann. Dunkle Energie (aufgrund der einsteinschen Formel E = mc2 hat sie ein Masseäquivalent) würde die fehlende Masse gerade liefern.

Dunkle Energie ist ebenfalls ein wichtiger Parameter in Modellen zur Strukturbildung im Universum.

Theoretischer Hintergrund

Die heute akzeptierte Theorie zur großräumigen Entwicklung des Kosmos ist die Allgemeine Relativitätstheorie. In der Diskussion um die Expansion oder Kontraktion des Universums bewirkt die Materie durch ihre Gravitationswirkung eine Verlangsamung der Expansion; die kosmologische Konstante (sofern sie positiv ist) beschreibt dagegen eine beschleunigte Expansion, und sofern sie auf großen Skalen gegenüber der Krümmung dominiert, ein flaches Universum.

Die beobachtete Beschleunigung der Expansionsbewegung bedeutet, dass eine Beschreibung durch die kosmologische Konstante sinnvoll ist. Manche Wissenschaftler waren bislang der Meinung, dass diese Konstante ein Ad-hoc-Konstrukt sei, das keine tiefere Begründung für die zugrundeliegende Ursache liefere. Dem ist entgegenzuhalten, dass die einsteinschen Feldgleichungen durch Integration hergeleitet wurden. Jede korrekt ausgeführte mathematische Integration fordert das Vorhandensein einer konstanten Zahl, der sog. Integrationskonstanten. Die Integrationskonstante, die bei der Herleitung der einsteinschen Feldgleichung korrekterweise auftritt, wird als kosmologische Konstante bezeichnet. Eines der ersten kosmologischen Modelle, das auf Einstein zurückgeht, beschreibt ein statisches, nicht expandierendes Universum. Im Rahmen dieses Modells besitzt die kosmologische Konstante einen Wert ungleich null; die kosmologische Konstante entspricht einer Energie des Vakuums, die der Gravitation der im Universum enthaltenen Materie entgegen wirkt. Nachdem entdeckt wurde, dass das Universum nicht statisch ist, sondern expandiert, ging auch Einstein dazu über, die kosmologische Konstante gleich Null zu setzen. Dennoch wurden in der Literatur auch weiterhin Modelle diskutiert, in denen die kosmologische Konstante einen von Null verschiedenen Wert besitzt, z.B. im Lemaître-Universum (Inflexionsmodell).

Erklärungsversuche

Über die genaue Natur der dunklen Energie kann derzeit nur spekuliert werden. Die einfachste Lösung ist, einen geeigneten Wert einer kosmologischen Konstanten zu postulieren und als gegebene und grundlegende Eigenschaft des Universums hinzunehmen.

Ein Vorschlag ist, die dunkle Energie als Vakuumenergie, die in der Quantenfeldtheorie auftritt, zu verstehen. Allerdings gibt es bislang keine überzeugenden quantitativen Herleitungen.

Alternativ wird dunkle Energie als die Wirkung eines Skalarfeldes, „Quintessenz“ genannt, angesehen. Die Fluktuationen eines solchen Feldes breiten sich typischerweise mit Fast-Lichtgeschwindigkeit aus. Aus diesem Grund neigt ein solches Feld auch nicht zu gravitativem Klumpen: Die Fluktuationen in überdichten Regionen strömen sehr schnell in unterdichte Regionen und führen so zu einer praktisch homogenen Verteilung. Die Elementarteilchen, welche man einem solchen Skalarfeld zuschreibt, wären überaus leicht (ungefähr 1082-stel der Masse eines Elektrons) und dürften – von der Gravitation abgesehen – praktisch nicht mit normaler (baryonischer) Materie wechselwirken.

Inflation

Dunkle Energie bzw. die damit verbundenen Felder sind ebenfalls eine denkbare Ursache der Inflation in der Frühzeit des Kosmos. Allerdings ist unklar, ob zwischen einer derartigen dunklen Energie und derjenigen, die für die derzeitig beobachtete Expansion vorgeschlagen wird, ein Zusammenhang besteht.

Literatur

  • Gerhard Börner, Matthias Bartelmann: Astronomen entziffern das Buch der Schöpfung. in: Physik in unserer Zeit. Weinheim 33.2002,3, S.114–120. ISSN 0031-9252
  • Harald Lesch/Jörn Müller: Kosmologie für helle Köpfe – Die dunklen Seiten des Universums. Wilhelm Goldmann, München 2006. ISBN 3-442-15382-4
  • Welt der Wunder. Stuttgart 2008, 2, S.24.
  • Sidney C. Wolff, Tod R. Lauer: Observing dark energy. Astronomical Soc. of the Pacific conference series. Bd 339. San Francisco Calif. 2005. ISBN 1-58381-206-7

Weblinks


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