Duldung (Aufenthaltsrecht)

Duldung (Aufenthaltsrecht)

Die Duldung ist nach der Definition des deutschen Aufenthaltsrechts eine "vorübergehende Aussetzung der Abschiebung" von ausreisepflichtigen Ausländern, und stellt damit keinen Aufenthaltstitel dar und begründet daher keinen rechtmäßigen Aufenthalt. § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) regelt, wessen Abschiebung ausgesetzt wird und in der Folge dann eine Duldung (§ 60a Abs. 4 AufenthG) erhält. Die Duldung dient ausschließlich dazu, dem Ausländer zu bescheinigen, dass er ausländerbehördlich registriert ist und von einer Durchsetzung der bestehenden Ausreisepflicht für den genannten Zeitraum abgesehen wird. Der Aufenthalt eines Ausländers wird mit der Duldung zwar nicht rechtmäßig, jedoch entfällt mit der Duldung eine Strafbarkeit wegen "illegalen" Aufenthalts nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Mit einer Duldung können Auflagen und Nebenbestimmungen verbunden werden. Die Duldung erlischt mit der Ausreise des Ausländers und berechtigt nicht zur Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Erwerbstätigkeit

Die Duldung beinhaltet keine Arbeitserlaubnis, jedoch kann für die Zeit der Duldung die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gestattet werden. Nach § 10 Beschäftigungsverfahrensverordnung (BeschVerfV) ist dies jedoch nur erlaubt, wenn dem Ausländer -nach Zustimmung der Agentur für Arbeit und mindestens einjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet- eine entsprechende Genehmigung erteilt worden ist. Eine solche Genehmigung darf gem. § 11 BeschVerfV insbes. dann nicht erteilt werden, wenn bei dem Ausländer aus selbst zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen (Abschiebung) nicht vollzogen werden können.

Räumliche Beschränkung

Inhaber einer Duldung dürfen sich nach dem als Residenzpflicht bekannten § 61 AufenthG nur in ihrem Bundesland aufhalten. Der Aufenthalt und die Wohnsitznahme können in Einzelfällen weiter, zum Beispiel auf einen Landkreis, beschränkt werden. Seit 28. August 2007 kann die Ausländerbehörde das Gebiet erweitern, wenn geduldete Personen eine unbeschränkte Arbeitsberechtigung besitzen.

Sozialleistungen (Unterhaltsleistungen)

Ein geduldeter Ausländer hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (ALG) oder Sozialhilfe. Ein Ausländer mit einer Duldung nach § 60a AufenthG gehört im Regelfall zum Personenkreis der Leistungsberechtigten des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG). Davon gibt es nur eine Ausnahme, die in der Praxis nur sehr selten ist: Duldungsinhaber, die in der Vergangenheit einmal vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als Asylberechtigte anerkannt wurden, sind gemäß § 1 Abs. 2 und 3 AsylbLG nicht nach dem AsylbLG leistungsberechtigt. In der Praxis trifft dies zum Beispiel auf Ausländer zu, die ihren Aufenthaltstitel auf Grund von Ausweisungsverfügungen verloren haben.

Nach § 3 AsylbLG wird der notwendige Bedarf an Ernährung, Unterkunft (Gemeinschaftsunterkunft), Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts vorwiegend durch Sachleistungen gedeckt. Kann etwas nicht geleistet werden, kann es in Form von Wertgutscheinen oder anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen gewährt werden. Besonders bei langfristig geduldeten Personen kommt es auch regelmäßig zu Barauszahlungen bzw. Überweisungen. Medizinische Behandlungen werden nur in sehr eingeschränkter Form gewährt (vgl. § 4 AsylbLG).

Außerdem erhält jeder ausreisepflichtige Ausländer, der Leistungen nach § 3 AsylbLG bezieht, ab Beginn des 15. Lebensjahres (14 Jahre), monatlich 40,90 Euro (für unter 14-Jährige sind es 20,45 Euro). Viele geduldete bzw. vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer erhalten jedoch keine Bargeldleistungen und damit auch nicht den im § 3 AsylbLG enthaltenen Bargeldanteil von 40,90 € bzw. 20,45 €. Dies ist dann der Fall, wenn die Leistungen nach dem AsylbLG gemäß § 1a AsylbLG auf das im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar Gebotene eingeschränkt werden. Typische Beispiele für Geduldete, die einer solchen Leistungseinschränkung unterliegen, sind Ausländer, die die deutschen Behörden am Vollzug einer Abschiebung hindern (z.B durch fehlende Mitwirkung bei der Passbeschaffung, Täuschung über die Identität etc.).

Nach 48 Monaten können unter gewissen Voraussetzungen höhere Analogleistungen nach § 2 AsylbLG in Anspruch genommen werden. Damit erhalten geduldete Ausländer Leistungen analog zum Sozialgesetzbuch (SGB XII) und bekommen somit die Leistung eines regulären Sozialhilfeempfängers inkl. gesetzlicher Krankenversicherung. Mit wenigen Ausnahmen sind geduldete Ausländer, die dann Leistungen nach § 2 AsylbLG analog zum SGB XII erhalten normalen Sozialhilfeempfängern gleichgestellt. Unterschiede bestehen darin, dass Teile des AsylbLG weiterhin auf diese geduldeten Ausländer Anwendung finden und dass ein Leistungsberechtigter nach dem AsylbLG im Gegensatz zum Sozialhilfeempfänger nach dem SGB II (allgemeinsprachlich "Hartz-IV-Empfänger" genannt) nicht oder nur sehr schwierig sanktioniert werden kann, wenn dieser eine zumutbare Erwerbstätigkeit nicht annimmt. Demnach sind geduldete Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG teilweise sogar besser gestellt als Empfänger von Arbeitslosengeld II.

Kinder- und Jugendhilfe kann ebenfalls in Anspruch genommen werden. Über das Asylbewerberleistungsgesetz besteht eine Art Krankenversicherungsschutz. Die zuständige Behörde (meistens die örtlichen Sozialämter) stellen die ärztliche und zahnärztliche Versorgung sicher (vgl. § 4 AsylbLG). Dies kann zum Beispiel durch die Gesundheitsämter der Gemeinden erfolgen, aber auch durch niedergelassene Ärzte, die direkt oder über die kassenärztlichen Vereinigungen mit den leistungsgewährenden Stellen abrechnen. Da Asylbewerber, solange sie Leistungen nach § 3 AsylbLG beziehen, keiner gesetzlichen Krankenkasse beitreten können, besteht die Gefahr, dass diese Leistungen wie Privatpatienten erhalten. Der Umfang der Krankenhilfe ist gesetzlich zwar wesentlich eingeschränkter als beim gesetzlich Versicherten. Dennoch ist es für viele Ärzte leicht, Leistungen mit den Sozialämtern abzurechnen, auf die Mitglieder der Gesetzlichen Krankenversicherungen keinen Anspruch haben. Dies liegt schlicht daran, dass in den Sozialämtern kein geschultes Krankenkassenpersonal beschäftigt ist und daher aus Unwissenheit Fehler unterlaufen. Auch diese verhältnismäßig hohen Arztkosten müssen die Sozialämter tragen.

Bildung

Ein Anspruch auf die kostenfreie Teilnahme an einem Integrationskurs besteht nicht. Es ist aber möglich, für einen freien Kursplatz die Zulassungserlaubnis zu bekommen.

Es gilt für alle Kinder und Jugendlichen (auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge), auch geduldete, die Schulpflicht: Grundschule und Sekundarstufe 1, bzw. Sonderschule, insgesamt 9 Jahre Vollzeitschulpflicht. Danach folgt die Berufsschulpflicht. Sie dauert bis zum Beginn des Halbjahres in dem die Schülerin/der Schüler volljährig wird.

Wenn die Voraussetzungen (Zeugnisse, Deutschkenntnisse etc.) zur Aufnahme eines Studiums erfüllt sind und die Universität, bzw. Fachhochschule den Studienplatz erteilen, ist ein Studium mit einer Duldung möglich. Auch ist es möglich, mit einer Duldung den Führerschein zu machen.

Das Neue BAföG sagt unter Ausbildungsförderung 1,2a:!"Geduldeten Ausländern (§60a des Aufenthaltsgesetzes), die ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben, wird Ausbildungsförderung geleistet, wenn sie sich seit mindestens vier Jahren ununterbrochen rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten."

Aufenthaltserlaubnis

Nach § 25 Abs. 5 AufenthG besteht nach 18 Monaten Duldungszeit ein Soll-Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Ein solcher Anspruch besteht jedoch nur dann, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist; die Unmöglichkeit der Abschiebung also nicht selbst verschuldet hat und auch eine freiwillige Ausreise unmöglich oder jedenfalls unzumutbar ist.

Praxis

In der Praxis leben annähernd 200.000 Geduldete in Deutschland, mehr als ein Drittel ist schon seit mindestens 10 Jahren geduldet. Die Praxis, Duldungen immer wieder zu verlängern, nennt man Kettenduldung. Viele der geduldeten Personen können nicht abgeschoben werden, da sie keinen Pass besitzen. Da eine Abschiebung jedoch nur mit einem Pass oder einem Rückreisedokument (Passersatzpapier) möglich ist, wirken geduldete Personen oftmals an einer Passbeschaffung bzw. einer Identitätsklärung nicht mit, um einer sonst drohenden Abschiebung zu entgehen, wobei erschwerend hinzukommt, dass häufig von Beginn an falsche Identitätsdaten (Name, Geburtstag, Geburtsort, Herkunftsland) angegeben werden.

Bleiberecht

Am 17. November 2006 einigten sich die Innenminister der Länder auf ein Bleiberecht für geduldete Ausländer. Demnach sollte „geduldeten“ Ausländern, die mehr als sechs Jahre in Deutschland leben, ein dauerhaftes Bleiberecht eingeräumt werden, wenn sie bis 2009 eine Arbeitsstelle nachweisen können. Dabei werden durch den Kompromiss keine höheren Sozialleistungen anfallen. [1] Ausgeschlossen waren Ausländer, die die Ausländerbehörde vorsätzlich über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht haben, insbes. also in der Vergangenheit über ihre Identität täuschten.

Eine ähnliche Regelung wurde später mit § 104a AufenthG umgesetzt.

Aufenthaltserlaubnis für qualifizierte Geduldete zum Zweck der Beschäftigung

Mit § 18a AufenthG wurde 2011 geduldeten Personen ein weiterer Weg zum rechtmäßigen Aufenthalt eingeräumt, der eine qualifizierte Berufsausbildung und ggf. mehrjährige qualifizierte Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet erfordert. Auch in diesem Fall wurde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an Personen ausgeschlossen, die behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert oder behindert haben.

Österreich

Im Herbst 2007 musste der österreichische Verfassungsgerichtshof Bleiberechtskriterien mit Minimalstandards erlassen, um das Agieren der österreichischen Regierung und der Behörden wieder in menschenrechts- und verfassungskonforme Bahnen zu lenken. Des Weiteren wurde vom VfGH angemerkt, dass bei fortgesetzter Unterschreitung dieses Minimalkriterien durch Regierung und Behörden Verurteilungen der Republik Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sehr wahrscheinlich seien.[2][3]

Belege

  1. www.zeit.de – „Zuwanderung: Koalition einigt sich beim Bleiberecht“; www.handelsblatt.com – „Geduldete Ausländer müssen sich bewähren“
  2. Der Standard, 31. Oktober 2007: Verfassungsgerichtshof legt Kriterien für Bleiberecht fest
  3. ORF, 31. Oktober 2007: Bleiberecht – VfGH-Ohrfeige für Regierung

Weblinks

Siehe auch

Literatur

  • Philipp A. Riecken: Die Duldung als Verfassungsproblem, 2006, Verlag Duncker & Humblot, ISBN 9783428121786.
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