Dubuffet

Dubuffet

Jean Dubuffet (* 31. Juli 1901 in Le Havre; † 12. Mai 1985 in Paris), eigentlich Jean Philippe Arthur Dubuffet, war ein französischer Maler und Bildhauer. Er zählt zu den prominentesten Vertretern der französischen Nachkriegskunst.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Manoir d'Essor, 1969/82, Louisiana Museum of Modern Art, Denmark

Dubuffet wurde als Sohn einer großbürgerlichen Familie von Wein-Großhändlern in Le Havre geboren. Nach dem Abitur begann er ein Kunststudium an der Akademie von Le Havre. 1918 begab er sich nach Paris, um Literatur, Sprache und Musik zu studieren. Hier lernte er 1919 Max Jacob kennen. In den zwanziger Jahren malte er im Umkreis der Pariser Surrealisten gegenständliche Kompositionen, gab die Kunst aber bald auf. Nach langer Schaffenspause, in der er als Weinhändler arbeitete, setzte er 1942 erneut mit naiven Gemälden ein; seine erste Einzelausstellung fand 1944 in der Pariser Galerie René Drouin statt. In der frühen Nachkriegszeit erregte er mit seinen „primitiven“ Materialbildern einen Skandal, erlangte aber bald internationale Bekanntheit, insbesondere in den USA. Dort stellte er in der Galerie Pierre Matisse in New York bereits 1947 aus.

Jardin d'Email, Kröller-Müller Museum

Dubuffet bemühte sich um eine antiintellektuelle Kunst, die er auch in Texten und Vorträgen verteidigte; seine frühen Gemälde sind vom Bildvokabular der Kinder, Naiven oder Geisteskranken inspiriert. In vielen dieser Werke verwendete er Mischtechniken aus Ölmalerei, die er mit Materialien wie Sand, Gips oder Teer versetzte, um eine belebt rauhe Oberfläche zu erzielen. Er experimentierte parallel intensiv mit Druckgrafik: Holzschnitt (Ler dla campane, 1948) und Lithografie (Les murs, 1945). Die Lithografien erarbeitete er zuerst in der Werkstatt Fernand Mourlot in Paris (Matière et mémoire, 1945), richtete sich 1958 eine eigenes Atelier ein; herausragend ist sein umfangreicher Zyklus Les Phénomènes (1958/1959). Nach 1962 entwickelte Dubuffet seine Serie Hourloupe, zellenartige Strukturen, die sich auf die Farben Rot, Weiß, Schwarz und Blau beschränken. Ende der 60er Jahre übertrug er die grafischen Elemente der Hourloupe-Serie in die Skulptur. Es entstanden bemalte felsartige Gebilde aus Polyester, großformatige Freiplastiken, teilweise begehbare Labyrinthe, wie Jardin d'Email (1972/1973) im Kröller-Müller Museum im niederländischen Otterlo. Im Jahr 1959 war Jean Dubuffet Teilnehmer der documenta 2 und auch auf den nächsten documenten, der documenta 3 (1964) und der 4. documenta (1968) in Kassel vertreten.

Nach seinem Tod 1985 sind auch seine musikalischen Experimente – mit Asger Jorn – bekannt geworden, ebenso sein schriftstellerisches Werk. Er unterhielt mit zahlreichen Autoren regelmäßig Korrespondenzen: unter anderem mit Claude Simon, Jean Paulhan und Witold Gombrowicz. Er gehörte seit 1954 dem Collège de Pataphysique an. Seine Werke sind in zahlreichen internationalen Museen vertreten; große Werkkomplexe stiftete Dubuffet zu Lebzeiten dem Musée des Arts décoratifs in Paris und dem Stedelijk Museum in Amsterdam. Sein Nachlass wird von der Fondation Dubuffet in Paris verwaltet, wo man sein ehemaliges Atelier in 137, rue de Sèvres besuchen kann, im zweiten Sitz der Stiftung in Périgny-sur-Yerres ist u.a. Dubuffets begehbare Großskulptur Closerie Falbala (1.610 m²) zu besichtigen.

Neben seiner Kunst war Dubuffet einflussreich wegen seines Engagements für Art Brut: die Schöpfungen von Geisteskranken, gesellschaftlichen Außenseitern und Sonderlingen, die er sammelte und förderte. Vor dem Hintergrund dieses Interesses besuchte er auch die umfangreiche Sammlung Hans Prinzhorns von Bildwerken psychisch Kranker in Heidelberg. Dubuffets Art-Brut-Sammlung wird heute in der Collection de l'Art Brut in Lausanne verwahrt.

Literatur

Werkverzeichnisse

  • Catalogue des travaux de Jean Dubuffet Fascicule I-XXXVIII, Paris 1965-1991.
  • Webel, Sophie, L’Œuvre gravé et les livres illustrés par Jean Dubuffet. Catalogue raisonné Paris 1991

Schriften

  • Prospectus et tous écrits suivants, Tome I, II, Paris 1967; Tome III, IV, Paris 1995.
  • Schriften I-IV Hg. Andreas Franzke, 4 Bände, Gachnang & Springer, Bern 1991-1994. ISBN 978-3-906127-24-8 (Band 1); Wider eine vergiftende Kultur ISBN 978-3-906127-35-4 (Band 2); ISBN 978-3-906127-41-5 (Band 3); ISBN 978-3-906127-45-3 (Band 4)
  • Biographie im Laufschritt Hg. Andreas Franzke, Walther König, Köln 2002 ISBN 3-88375-528-1

Jüngere deutsche Literatur und Kataloge

  • Andreas Franzke: Jean Dubuffet – Petites statues de la vie précaire. Kleine Statuen des unsicheren Lebens. Werkverzeichnis der Skulpturen 1954 und 1959/60, Gachnang & Springer, Bern 1988 ISBN 978-3-906127-16-3
  • dsb.: Jean Dubuffet Dumont, Köln 1990 ISBN 3-7701-2523-1
  • Mechthild Haas: Jean Dubuffet. Materialien für eine "andere Kunst" nach 1945 Reimer, Berlin 1997 ISBN 3-496-01176-9
  • Leonhard Emmerling: Die Kunsttheorie Jean Dubuffets Wunderhorn, Heidelberg 1999 ISBN 3-88423-160-X
  • Ernst-Gerhard Güse & Andreas Franzke (Hgg): Jean Dubuffet. Figuren und Köpfe. Auf der Suche nach einer Gegenkultur Ausst.-Kat. Saarland-Museum Saarbrücken. Hatje-Cantz, Ostfildern-Ruit 1999 ISBN 3-7757-0841-3
  • Agnes Husslein-Arco (Hg): Jean Dubuffet. Spur eines Abenteuers Ausst.-Kat. Museum der Moderne, Rupertinum Salzburg. Prestel, München 2003 ISBN 3-7913-2998-7 & ISBN 3-7913-6010-8
  • Michael Krajewski: Jean Dubuffet. Studien zu seinem Frühwerk und zur Vorgeschichte des Art brut Andere Verlag, Osnabrück 2004 ISBN 3-89959-168-2
  • Jean Hubert Martin (Hg): Im Rausch der Kunst. Dubuffet & Art brut Ausst.-Kat. Museum Kunst Palast, Düsseldorf.- 5Continents, Milano 2005 ISBN 88-7439-227-3

Weblinks



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