Dritte industrielle Revolution

Dritte industrielle Revolution
Mikroprozessor

Der Begriff digitale Revolution (auch elektronische Revolution) bezeichnet den durch Erfindung des Mikrochips ausgelösten Umbruch, der seit Ausgang des 20. Jahrhunderts einen Wandel sowohl der Technologien als auch (fast) aller Lebensbereiche bewirkt, ähnlich wie die Industrielle Revolution 200 Jahre zuvor [1]. Heinrich Klotz spricht von einer zweiten Moderne.

Die Mikrochips waren als Speicherbausteine, Digital/Analog- bzw. Analog/Digital-Wandler oder als datenverarbeitentende Prozessoren entwickelt worden. Das ermöglichte eine Abkehr von spezialisierten analogen elektronischen Schaltungen hin zu verallgemeinerten digitalen Algorithmen. Verkürzt gesagt: Software statt Lötkolben.

Inhaltsverzeichnis

Technischer Wandel

Die digitale Revolution basiert auf der Erfindung des Mikrochips und dessen stetiger Leistungssteigerung (Mooresches Gesetz), der Einführung der flexiblen Automatisierung in der Produktion und dem Aufbau weltweiter Kommunikations-Netze wie dem Internet.

Eine wichtige Rolle spielte hierbei auch die allgemeine Computerisierung. In den 80er Jahren begannen Computer nicht nur in Beruf und Forschung, sondern auch im privaten Bereich Anwendung zu finden, teilweise kamen grafische Benutzeroberflächen zum Einsatz, die den herkömmlichen Schreibtisch imitierten. Anfangs noch Spielzeug der Hacker, wird der Heimcomputer bald zum geschätzten Werkzeug, das selbstverständlich verwendet wird wie ehemals Telefon und Fernsehen.

Der Computer ist heute in Wissenschaft, Erziehung und fast allen Lebensbereichen nicht mehr wegzudenken. Eine entscheidende Rolle nehmen hierbei die so genannten digitalen Güter (Software und digitale Informationen) ein. Diese unterscheiden sich von klassischen, materiellen Produkten (z.B. Hardware) dadurch, dass sie beliebig oft benutzt oder kopiert werden können, ohne sich zu verbrauchen und unabhängig davon, wie viel Arbeit in ihnen steckt. Digitale bzw. nachträglich digitalisierte Güter lassen sich vor allem über das Internet kostengünstig und direkt an den Kunden verkaufen. Dies hat in bestimmten Branchen einen entscheidenden Einfluss auf klassische Vertriebswege, insbesondere im Einzelhandel. Neben neuen Mitbewerbern erwächst dem Handel bei derartigen Gütern weitere Konkurrenz durch illegale Verbreitung von urheberrechtlich geschütztem Material, z. B. mittels Filesharing-Plattformen.

Diesem Umstand wird versucht mittels Patenten und internationalen Abkommen (wie z.B. TRIPS) zu begegnen, die Intellektuelles Eigentum an Software und Informationen sichern soll. Dem steht das Konzept der Freien Software entgegen.

Die neue Technik erbrachte auch Gefahren datennetzbezogener Katastrophen (D-Gefahren), ein Arbeitsfeld des Katastrophenschutzes.

In der ersten Moderne wurde die Muskelkraft (siehe auch Pferdestärke) durch die Dampfmaschine (siehe auch Watt) ersetzt. In der zweiten Moderne wird die Denkleistung des Menschen (s. a. IQ) durch die Maschine (s. a. KI) ersetzt. Ein Sinnbild hierfür ist der Schachcomputer, der heute (2008) von keinem Menschen mehr sicher bezwungen werden kann. Eine Kombination aus technischer Kraft und technischer Denkleistung ist der Roboter. Industrieroboter verdrängen mehr und mehr den Menschen aus der industriellen Produktion. Gleichzeitig entstehen komplett neue Industriezweige. So war das Mobiltelefon erst mit Computereinsatz (Schaltung von Verbindungen) realisierbar.

Der Anfang war die Entwicklung des Computers in den 1940er Jahren. Nur mit Hilfe des Computers wurde die Weltraumfahrt in den 1960er Jahren möglich[2]. 1967 wurde der Taschenrechner entwickelt. Mit dem PC wurde der Computer in den 1970er Jahren für jedermann erschwinglich. In den 1980er Jahren kamen die CD, der Videorekorder, Multimedia und GPS, in den 1990er Jahren das Mobiltelefon, der Roboter, das Internet, die DVD, die Kernspintomographie bzw. bildgebende Verfahren, Computeranimation insbesondere für Simulationen und in der Filmkunst. 1996 konnte erstmals eine Maschine (Deep Blue) den amtierenden Schachweltmeister in einer Partie schlagen. Es folgten Digitalkamera, Videokamera, Digitalfernsehen, Digitalradio, Navigationssystem, RFID. Alleine das Internet - die Vernetzung fast aller Computer - entwickelt sich mehr und mehr zum ersten Kommunikationsmedium und ersetzt nach und nach traditionelle Medien wie Printmedien (siehe auch Zeitung), Telefon (siehe VoIP), Radio (siehe Webradio), Fernsehen (siehe IPTV), Fax und Brief (siehe E-Mail), und entwickelt ganz eigene, bis dahin unbekannte Formen wie Suchmaschinen, Versteigerungsbörsen, "Mitmach"-Enzyklopädien, Diskussionsforen, Wikis usw. Mit dem Internet startet das Informationszeitalter.

Die digitale Revolution ist nicht abgeschlossen. Ein großes Potential wird z. B. noch bei der Entwicklung der Roboter gesehen.[3] Als Beispiel rechnet Ian Pearson, Chef-Futurologe bei British Telecom, ab 2020 mit Maschinen mit Bewusstsein. [4][5]

Soziale und ökonomische Folgen

Weltweit führte die digitale Revolution zu großen Mentalitätsänderungen, besonders durch ihre Auswirkung auf die Kinder- und Jugendkultur.

Sie hatte als weltumspannende wirtschaftliche, soziale und kulturelle Konkurrenz und Kommunikation bedeutenden Anteil an der Richtung des Prozesses der Globalisierung [6].

Nach Auffassung des US-Ökonomen Jeremy Rifkin wird durch die digitale Revolution langfristig die Arbeit verschwinden, da selbst die billigste menschliche Arbeitskraft teurer sei als die Maschine. [7] Auf Grundlage dieser Annahme argumentiert ein Teil der Befürworter eines Grundeinkommens.

Internet und Mobiltelefonie werden von Entwicklungspolitikern und Hilfsorganisationen mittlerweile als Aspekt der Grundbedürfnisse definiert, da diese Demokratie förderten [8]. Die Entwicklung in der Informationswirtschaft führt auch zur Stabilisierung der Marktwirtschaft und dem Erreichen von Wohlstand: "Informationen bringen Märkte zum funktionieren, und Märkte schaffen Wohlstand,"[9]

Auswirkungen auf die Wissenschaft

Nach Ansicht von Pieter Drenth, Ex-Präsident der All European Academies, hat die digitale Revolution Fortschritte der Wissenschaft auf verschiedensten Gebieten ermöglicht: Erfolge in der Genom-Entschlüsselung, Voraussagen der Klimaforschung, komplexe Modelle in Physik und Chemie, Nanotechnologie, Neurophysiologische Grundlagen der Sprachentwicklung und der kognitiven Funktionen, ökonomische Simulationen sowie vergleichende Studien in Sprach- und Literaturwissenschaften. Eigentlich habe jede wissenschaftliche Disziplin von den Entwicklungen der Computertechnologie profitiert [10].

Siehe auch

Literatur

  • Dieter Balkhausen: Die dritte industrielle Revolution. Wie die Mikroelektronik unser Leben verändert. 1978. ISBN 3-430-11147-1
  • Uwe Jean Heuser: Tausend Welten. Die Auflösung der Gesellschaft im digitalen Zeitalter. Berlin Verlag, 2000. ISBN 3-8270-0208-7
  • Jeremy Rifkin: Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft, Campus Verlag, 2004

Weblinks

Quellen

  1. Wolfgang Thierse, Traditionswahrung und Modernisierung - Sozialdemokratie in der Entscheidung, Vortrag (Friedrich Ebert Stiftung), 2003
  2. Interview mit Konrad Zuse: (...) Zuse: Selbstverständlich. Wernher von Braun selbst hat ja gesagt, ohne Computer wäre die Raumfahrt nicht möglich gewesen. (...)
  3. golem.de: Bill Gates: Ein Roboter in jedem Haushalt bis 2013
  4. heise.de Futurologe rechnet ab 2020 mit Maschinen mit Bewusstsein
  5. golem.de: Künstliche Intelligenz auf dem Weg zum Bewusstsein
  6. siehe auch Günther Stahlmann: Die Informationsgesellschaft braucht die Soziale Arbeit, Blätter der Wohlfahrtspflege 1999, Heft 9/10/S.185-193
  7. Interview in der Stuttgarter Zeitung, 29. April 2005
  8. golem.de: Internet und Handy für Demokratie in Afrika wichtig
  9. spiegel.de: Das Handy macht den Sardinenpreis: Eine Langzeitstudie zu lokalen Fischmärkten in Südindien beschreibt erstmals exakt die ökonomischen Effekte von Handy-Netzen auf Mikroökonomien in Entwicklungsländern. Demnach profitieren die Fischer spürbar vom Mobilfunk.
  10. Die digitale Revolution in den Wissenschaften

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