Dreipunkthydraulik

Dreipunkthydraulik
Dreipunkt eines modernen Traktors mit Ober- und zwei Unterlenkern sowie ebenfalls sichtbarer Zapfwelle (unten in der Mitte)

Eine Dreipunkthydraulik oder ein hydraulischer Kraftheber ist eine im 20. Jahrhundert entwickelte Vorrichtung an Traktoren, um Anbaugeräte (Arbeitsgeräte) anzukuppeln und anzuheben.

Das auch kurz als Dreipunkt bezeichnete Bauteil ist häufig an der Rückseite eines Traktors zu finden (Heckhubwerk). An der Front des Traktors angebracht wird von einem Fronthubwerk gesprochen. Die Abwärtsbewegung erfolgt entweder hydraulisch oder bei einfacheren Systemen durch das eigene Gewicht seiner Elemente (Unterlenker) bzw. der Anbaugeräte. Dreipunkt heißt das System, weil die Arbeitsgeräte an drei Punkten am Traktor befestigt werden. An den Unterlenkern kann bei Bedarf eine Ackerschiene befestigt werden. Bei alten Traktoren ohne Dreipunkt war die Ackerschiene starr mit dem Traktor verbunden.

Die Dreipunktbefestigungen sind heute standardisiert; je nach Traktorgröße werden diese in die Kategorien 1 bis 4 eingeteilt.[1] Zusätzlich gibt es noch die Kategorie 0 für kleine Kommunaltraktoren.[2]

Inhaltsverzeichnis

Aufbau

Aufbau der Dreipunktmechanik eines modernen Traktors
1 - Hubarm
2 - Oberlenker
3 - Befestigung am Traktor
4 - Hubzylinder
5 - höhenverstellbare Hubstange
6 - Unterlenker
7 - Reduzierkugel im Fanghaken

Tief am Heck des Traktors sind zwei Hebel in Längsrichtung montiert. Diese werden als Unterlenker bezeichnet. Die Unterlenker werden mit waagerechten, quer zur Fahrtrichtung orientierten Wellen bzw. Bolzen am Traktor befestigt. An den freien Enden der Unterlenker werden die Feldgeräte angehängt. Sie stellen die unteren zwei Punkte der Dreipunktaufhängung dar. Durch den tiefen Anbau werden Zugkräfte auf die Antriebsachse übertragen, was die Zugleistung erhöht. Die Unterlenker werden, entweder direkt oder über ein Hebelsystem, jeweils mit einem Hydraulikzylinder angehoben.

Weiter oberhalb der Unterlenker ist mittig ein weiterer Hebel angebracht. Er wird als Oberlenker bezeichnet. Das nach hinten weisende Ende ist der dritte Punkt an einer Dreipunkt-Aufhängung. Der Oberlenker wird als Gewindespindel ausgeführt oder bei schwereren Traktoren und Feldgeräten als doppelt wirkender Hydraulikzylinder. Durch die Längenveränderung lässt sich die Neigung des Anbaugerätes einstellen.

Die Aufhängungspunkte der Ober- und Unterlenker werden häufig als Fanghaken ausgeführt.

Rotes Schnellkuppeldreieck am Fronthubwerk eines Claas-Traktors Celtis 436 RX

Am Anbaugerät ist ein sogenannter „A-Rahmen“ vorhanden; an diesem werden die Fanghaken eingehängt. Beim Anheben in die Transportstellung wird das Anbaugerät durch die Kinematik der ungleich langen Anlenkung in Richtung des Traktors gekippt und somit der Schwerpunkt des Anbaugeräts zur Standfläche des Fahrzeugs verlagert. So wird eine für den Straßentransport erwünschte Fahrstabilität des Traktors erreicht.

Funktion

Mit der hydraulischen Dreipunktaufhängung lassen sich die Feldgeräte

  • stabil und sicher transportieren
  • auf dem Feld einfach und schnell in Arbeitsstellung bringen
  • auf eine bestimmte Arbeitstiefe einstellen und bei der Bodenbearbeitung automatisch genau regulieren.

Vorteile einer automatischen Hubwerksregelung:

  • Je nach Voreinstellung der Hydraulik sorgt das Eigengewicht des Feldgerätes für eine Verbesserung der Traktion an den Hinterrädern des Schleppers.
  • Es wirkt mehr Druck auf die Hinterräder, was den Schlupf, und somit den Reifenverschleiß verringert.
  • Auch bei hohen Zugkräften wird die Vorderachse nicht angehoben. Eine bessere Lenkbarkeit ist die Folge.
  • Bei Allradantrieb kann die Traktion aller Räder ausgenutzt werden.
  • Entlastung des Fahrers
  • Bessere Arbeitsqualität durch gleichbleibende Geräteposition.
  • Weniger Verschleiß an der Dreipunktaufhängung und den Arbeitsgeräten.

In Abhängigkeit von eingestellter Arbeitstiefe und Bodenbeschaffenheit wirken unterschiedliche Kräfte auf Ober- und Unterlenker. Die Lenker übertragen die zur Steuerung der Hydraulik erforderlichen Druck- und Zugkräfte. Werden nur die Kräfte bzw. die Bewegungen des Oberlenkers berücksichtigt, spricht man von „oberlenkergesteuert“. Mit „unterlenkergesteuert“ bezeichnet man Hubwerksregelungen, bei denen am Unterlenker die Steuersignale abgegriffen werden.

Nach folgendem Schema wird die Ansteuerung der Hydraulikzylinder geregelt:

  • mehr Zugwiderstand = das Hubwerk hebt den Pflug an
  • weniger Zugwiderstand = das Hubwerk senkt den Pflug tiefer ab.
Dreipunkt bei einem modernen System-Traktor Terra Variant von Holmer

Je nach Art der Umsetzung von Druck- und Zugkräften in Steuersignale unterscheidet man folgende Systeme:

MHR

Mechanische Hubwerkregelung. Die Ober- oder Unterlenker wirken über ein Gestänge auf die Hebel der Hubwerksbetätigung. Die MHR ist die älteste Form der Zugkraftregelung.

SHR

Vollhydraulische Hubwerkregelung. Die Gestänge wirken direkt auf ein hydraulisches Steuerventil, welches die Ansteuerung der Hydraulikzylinder regelt. Die SHR wurde 1983 von Case-IH am Markt eingeführt.

EHR

Bei der elektronischen Hubwerksregelung werden die Bewegungen und Kräfte an der Aufhängung elektronisch erfasst. Die Lenker sind mit Kraftmessbolzen am Traktor befestigt. Im Bolzen sind zwei Magnetspulen vorhanden. Die Primärspule wird bestromt. Durch die Krafteinwirkung verändern sich die magnetischen Eigenschaften des Materials und in der Sekundärspule wird eine Spannung erzeugt. Anhand dieser Spannung wird von einem elektronischen Steuergerät der Lastzustand berechnet. Mit einem Positionssensor an der Dreipunktaufhängung kann die genaue Höhe ermittelt und eingestellt werden.

Die elektronische Regelung ist im allgemeinen feinfühliger und schneller als eine mechanische Regelung. Durch den Wegfall von mechanischen Komponenten ist eine elektronische Hubwerksregelung verschleißarm und weniger wartungsintensiv. Die EHR ist Standard bei modernen Traktoren. Die Hubwerksregelung kann zugkraftabhängig oder lageabhängig regeln. Auch eine Mischung aus beiden Regelungsarten sind möglich.

Zugkraft-Regelung
Als Parameter für die Regelung wird die Zugkraft an den Gestängen abgegriffen. Die zugkraftabhänige Regelung wird generell nur beim Pflügen eingesetzt.
Lage-Regelung
Das Hubwerk wird nach seiner relativen Höhenänderung zum Traktor gesteuert. Das Anbaugerät wird fix auf einer bestimmten Höhe gehalten. Lage Regelung wird beispielsweise für Düngerstreuer angewendet.
Schwimmstellung
Schwimmstellung bedeutet keine Regelung. Die Hydraulikzylinder werden zum Hydraulikrücklauf freigeschaltet. Die Anbaugeräte können sich frei nach oben und unten bewegen. Bei der Schwimmstellung wird die Arbeitshöhe durch Stützräder am Anbaugerät eingestellt. Einsatz zum Beispiel bei Drillmaschinen.

Durch den Einsatz der Elektronik können auch weitere Funktionen realisiert werden.

  • Einstellung unterschiedliche Transporthöhen für unterschiedliche Geräte.
  • Schwingungsdämpfung beim Transport.
  • Schwimmstellung mit elektronisch begrenzten Endpunkten.
  • Antriebsschlupfregelung
  • Programmierbare Arbeitsabfolgen - z.B. automatisches Anheben und Absenken für das Drehen des Wendepfluges am Vorgewende
  • Regelung der Arbeitsstellung und programmierter Arbeitsabfolgen mit Hilfe von GPS-Navigationsdaten.

Schnellkuppler und Maße

Heute werden Dreipunkthydraulikanlagen meist mit Schnellkupplern ausgerüstet. Je nach Zapfwellenleistung werden verschiedene Kategorien gewählt. Die Kategorien sind folgendermaßen definiert:

Kategorie 0 1 2 3 4L 4H
Zapfwellenleistung bei Motornenndrehzahl bis ca. 20 hp bis 48 kW bis 92 kW 80–185 kW 150–350 kW 150–350 kW
Oberer Kupplungspunkt
Kugeldurchmesser Oberlenker 50 mm 60 mm
Kugelbreite Oberlenker (max.) 44 mm 51 mm 51 mm 64 mm 64 mm
Bolzendurchmesser Oberlenker (Toleranz) 5/8" 19 mm (0; -0,08) 25,5 mm (0; -0,13) 32 mm (0; -0,2) 45 mm (0; -0,8) 45 mm (0; -0,8)
lichter Abstand zw. Sicherungssteckern am Oberlenkerbolzen (min) 76 mm 93 mm 102 mm 140 mm 140 mm
Untere Kupplungspunkte
Kugeldurchmeser Unterlenker 44 mm 56 mm 64 mm
Kugelbreite Unterlenker (Toleranz) 35 mm (0; -0,2) 45 mm (0; -0,2) 45 mm (0; -0,2) 57,5 mm (0; -0,5) 57,5 mm (0; -0,5)
Bolzendurchmesser Unterlenker (Toleranz) 5/8" 22,4 mm (+0,25; 0) 28,7 mm (+0,3; 0) 37,4 mm (+0,35; 0) 51,0 mm (+0,5; 0) 51,0 mm (+0,5; 0)
Abstand Unterlenkermitte zur Längsmittelebene des Traktors ca. 10" 359 mm 435 mm 505 mm 610 od. 612 mm 610 od. 612 mm
Seitliche Abweichung der Unterlenker von Mittelstellung (min.) 100 mm 125 mm 125 mm 130 mm 130 mm
Abstand Zapfwellenende bis Mittelpunkt des unteren Kupplungspunktes bei horizontalem Unterlenker 500–575 mm 550–625 mm 575–675 mm 575–675 mm 610–670 mm

Geschichte

Der Erfinder der Dreipunktaufhängung ist der Ire Harry Ferguson. Er bekam 1918 von der britische Landwirtschaftsbehörde den Auftrag, durch die Entwicklung von landwirtschaftlichen Geräten die Effizienz der Nahrungsmittelproduktion zu steigern.[3]

Im Jahre 1928 plante er den Prototyp eines neuen Anhängesystems. Ziel sollte es sein, einen Teil des Gewichts der Anbaugeräte auf den Traktor zu übertragen, um die Leistung eines leichten Traktors besser nutzen zu können. Aus der Duplex-Hitch entwickelte er die Dreipunktaufhängung. Um seine Idee auch zukünftigen Herstellern wirksam demonstrieren zu können, plante er einen eigenen Schlepper zu konstruieren. Er benutzte Getriebeteile von David Brown und einen Herkulesmotor, der aus den USA kam.

Im Jahr 1933 stellte Ferguson in seiner Werkstatt in Belfast den weltweit ersten Schlepper mit hydraulischer Dreipunktaufhängung, den Black Tractor, vor.[3] Der Name leitete sich von seiner schwarzen Lackierung ab. Der Black Tractor steht heute im Londoner Science Museum. In den folgenden Jahren schloss er sich mit dem englischen Traktorenhersteller David Brown zusammen. 1936 erschien der erste Serienschlepper mit dem Ferguson-System, der Ferguson Brown Typ A.

Bereits 1938 schloss Ferguson sich mit dem amerikanischen Automobil- und Schlepperhersteller Henry Ford zusammen. 1938 erschien auch der erste Ford-Schlepper mit der Dreipunktkupplung, der Typ 9N.

Ferguson trennte sich von Ford nach einem längeren Streit im Jahre 1947. Daraufhin baute er von 1947 bis 1953 selbst Schlepper. 1953 verkaufte er seine Fabrik dem kanadischen Landmaschinenhersteller Massey-Harris. Daraus entstand Massey Ferguson.

Im Jahr 1979 wurde mit einem Knicklenker-Traktor von Massey-Ferguson zum ersten Mal eine elektronische Hubwerksregelung (EHR) von Bosch zur Serienreife gebracht.[4]

Agrarhistorische Auswirkung

Krone-Scheibenmähwerke an den Heck- und Front-Dreipunkten eines Case-Traktors montiert und in Transportstellung gehoben

Die Dreipunkthydraulik hat die Landwirtschaft des 20. Jahrhunderts nachhaltig beeinflusst. Durch ihre Einführung wurde die intensive rationelle, weil Arbeitskraft sparende, Bodenbearbeitung möglich.

Einzelnachweise

  1. DIN ISO 730-1 Landmaschinen und Traktoren – Heck-Dreipunktanbau – Teil 1: Kategorien 1, 2, 3 und 4 (ISO 730-1:1994) Ausgabe: 1997-05 Norm
  2. TractorData.com: Three-Point Hitch.
  3. a b masseyferguson.at: MF Geschichte – Die Gründer.
  4. winci.de: Bosch-Rexroth EHR – Elektronische Hubwerks Regelung für Landmaschinen.

Weblinks

 Commons: Dreipunkte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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