- Drehimpulsoperator
-
Der Drehimpulsoperator ist ein Begriff der Quantenmechanik. Es handelt sich um einen hermiteschen Vektoroperator , dessen Komponenten der folgenden Kommutatorrelation genügen (εabc ist der Epsilon-Tensor):
Der Drehimpulsoperator spielt eine zentrale Rolle bei Atomen und anderen quantenmechanischen Problemen mit Rotationssymmetrie. Der Bahndrehimpulsoperator ist das quantenmechanische Analogon zum klassischen Drehimpuls. Außerdem gibt es den Spinoperator , der ebenfalls ein Drehimpulsoperator ist, aber kein klassisches Analogon besitzt.
Inhaltsverzeichnis
Eigenschaften
In der Folge wird die einsteinsche Summenkonvention verwendet, das heißt, über doppelt auftretende Indizes wird summiert.
Aus der Kommutatorrelation folgt automatisch:
Da die Komponenten des Drehimpulsoperators per Definition nicht vertauschen, geht man häufig zu den gemeinsamen Eigenvektoren von und einer beliebigen Drehimpulskomponente (üblicherweise ) über. bezeichnen die Eigenvektoren der gemeinsamen Basis von und und es gelten folgende Eigenwertgleichungen:
Die Quantenzahl j kann die Werte und die Quantenzahl m die Werte annehmen. Somit ist j gleich (2j + 1)-fach entartet.
Die Indizes j und m entsprechen beim Bahndrehimpuls der Nebenquantenzahl l (l ganzzahlig) bzw. der magnetischen Quantenzahl m des Bahndrehimpulses und analog beim Spin den beiden Spinquantenzahlen s (s halbzahlig) und ms.
Man definiert Leiteroperatoren mit denen das m-Spektrum zu gegebenen j durchlaufen werden kann:
- Aufsteigeoperator:
- Absteigeoperator:
Details zu den Quantenzahlen j und m
Aus und werden mittels Leiteroperatoren die möglichen Eigenwerte j und m ermittelt. Zuerst werden verschiedene Kommutatoren mit Leiteroperatoren bestimmt, die sich auf zurückführen lassen:
Nun soll die Wirkung der Leiteroperatoren auf den Zustand untersucht werden:
Bei Anwendung eines Leiteroperators verändert sich j nicht, aber m wird um 1 erhöht oder erniedrigt (deshalb sind die Bezeichnungen Auf- und Absteigeoperator gerechtfertigt). Im nächsten Schritt wird die Konstante bestimmt. Dazu werden zunächst Produkte aus Leiteroperatoren auf und zurückgeführt:
Anwenden von führt auf:
Da alle Eigenzustände normiert sein sollen, ist die Länge des Vektors und lässt sich über das Normquadrat bestimmen; dabei wird ausgenutzt, dass Auf- und Absteigeoperator adjungiert zueinander sind :
Da die Norm eines Vektors nicht-negativ ist, muss gelten. Daraus folgt:
Wendet man den Aufsteigeoperator auf den höchsten Zustand m = j an, wird c + = 0; wendet man den Absteigeoperator auf m = − j an wird c − = 0. In beiden Fällen bricht die Leiter ab und man erhält den Nullvektor:
Durch n-faches Anwenden () des Aufsteigeoperators auf den Zustand mit m = − j gelangt man zu m = j:
Deshalb müssen die möglichen Quantenzahlen j nichtnegativ ganzzahlig oder halbzahlig sein.
Bahndrehimpulsoperator
Eine spezielle Realisierung eines Drehimpulses stellt der Bahndrehimpulsoperator dar. Dieser ist wie folgt definiert:
Dabei ist der Ortsoperator, der Impulsoperator und der i-te Einheitsvektor. Die Eigenvektoren lassen sich in Ortsdarstellung mit den Kugelflächenfunktionen identifizieren (siehe unten). Die Eigenwerte l sind ganzzahlig:
Ortsdarstellung des Bahndrehimpulses in kartesischen Koordinaten
Für den Impulsoperator und Ortsoperator gelten in Ortsdarstellung bzw. . Dies in eingesetzt, ergibt mit :
Ortsdarstellung des Bahndrehimpulses in sphärischen Koordinaten
Mit dem Nabla-Operator bzw. dem Gradienten in Kugelkoordinaten erhält man nach Ausführen der Kreuzprodukte zunächst
Die kartesischen Komponenten von lassen sich nun an den kartesischen Komponenten der Einheitsvektoren und ablesen:
An der letzten Zeile erkennt man, dass die z-Komponente des Drehimpulses die Erzeugende einer Drehung (mit Winkel φ) um die z-Achse ist.
Der Operator entspricht in Ortsdarstellung gerade dem Winkelanteil Δθ,φ des Laplace-Operators (bis auf die Konstante ). Die Eigenfunktionen des Winkelanteils und somit von und sind die Kugelflächenfunktionen Yl,m(θ,φ):
Die Quantenzahlen l und m sind auf ganzzahlige Werte beschränkt:
Die Kugelflächenfunktionen bilden ein vollständiges Orthonormalensystem von quadratintegrablen Funktionen auf der Einheitskugel:
Erzeugende einer Drehung
Der Operator drehe die Ortskoordinaten um den Winkel φ um die z-Achse:
Für infinitesimal kleine Drehwinkel δφ können die Winkelfunktionen bis zur ersten Ordnung in δφ um δφ = 0 entwickelt werden (siehe auch: Infinitesimale Drehungen) und ebenso die Wellenfunktion:
Im letzten Schritt wurde die Definition der z-Komponente des Drehimpulsoperators verwendet. Da hermitesch ist, ist der infinitesimale Drehoperator unitär.
In Kugelkoordinaten lautet eine infinitesimale Drehung um die z-Achse analog zu oben:
Um aus einer solchen infinitesimalen Drehung eine endliche Drehung zu erzeugen, betrachte folgenden Grenzübergang:
Da sich der Drehoperator aus unitären Operatoren zusammensetzt, ist er selbst unitär.
Eine Drehung um eine beliebige Achse (mit ) um den Winkel φ kann man allgemein schreiben als:
Spinoperator
Der Spin ist ein weiterer Freiheitsgrad eines quantenmechanischen Teilchens. Zu diesem gibt es kein klassisches Analogon (somit auch keine Ortsdarstellung), man kann ihn aber als Eigendrehimpuls auffassen. Der Spinoperator kommutiert mit allen anderen Freiheitsgraden des Teilchens (z.B. Impulsoperator, Bahndrehimpulsoperator). Die Quantenzahlen s und ms sind halbzahlig und beschränken sich im einfachsten und häufigsten Fall auf die Werte:
Spin 1/2-Teilchen sind alle Quarks und Leptonen, sowie zusammengesetzte Teilchen wie Proton und Neutron. Es gibt allerdings auch Teilchen mit anderem Spin, z. B. das baryonische Delta mit s=3/2.
Meist bezeichnet man die beiden Eigenzustände mit "Spin up" und "Spin down".
Diese Zustände erfüllen die Eigenwertgleichungen
Die Leiteroperatoren haben auf die Eigenzustände die Wirkung:
Die Spinkomponenten lassen sich über die Leiteroperatoren ausdrücken:
Oft wird die Matrixdarstellung der Operatoren benutzt, wobei den Eigenzuständen folgende Spaltenvektoren (Spinoren) zugeordnet werden:
Schließlich werden über die Beziehung
die Spinkomponenten mit den Pauli-Matrizen verknüpft.
Addition von Drehimpulsen
Man geht von zwei Drehimpulsoperatoren und aus, die jeweils die Quantenzahlen j1 und m1 bzw. j2 und m2 besitzen. Jeder dieser Drehimpulse hat seinen eigenen Eigenraum, der durch die Eigenvektoren zu bzw. zu aufgespannt wird. Die Drehimpulse vertauschen untereinander .
Nun koppeln die einzelnen Drehimpulse zu einem Gesamtdrehimpuls:
Somit gilt automatisch . Da der Gesamtdrehimpuls aus beiden Einzel-Drehimpulsen besteht, kann er im Produktraum der einzelnen Eigenzustände (tensorielles Produkt) dargestellt werden.
Allerdings sind dies keine Eigenvektoren des Gesamtdrehimpulses , so dass er in dieser Basis keine Diagonalgestalt besitzt. Daher geht man über vom vollständigen Satz kommutierender Operatoren mit den Eigenzuständen zum vollständigen Satz kommutierender Operatoren mit den Eigenzuständen . In der neuen Basis hat der Gesamtdrehimpuls wieder eine einfache Diagonalgestalt:
Die Quantenzahlen zum Gesamtdrehimpuls J und M können folgende Werte annehmen:
- .
Den Übergang von der Produktbasis in die Eigenbasis geschieht über folgende Entwicklung (Ausnutzen der Vollständigkeit der Produktbasis):
Dabei sind die Clebsch-Gordan-Koeffizienten.
Spin-Bahn-Kopplung
Es wird ein 1/2-Spin mit einem Bahndrehimpuls gekoppelt.
Die Spinquantenzahlen sind auf s = 1 / 2 und beschränkt, die Bahndrehimpulsquantenzahlen sind und ml = − l,...,l. Somit kann die Gesamtdrehimpulsquantenzahl J nur die folgenden Werte annehmen:
- für l > 0
- J = 1 / 2 für l = 0
Jeder Zustand der Gesamtdrehimpulsbasis setzt sich aus genau zwei Produktbasiszuständen zusammen. Zu gegebenen kann nur sein.
- für
- für
Aus der Forderung der Orthonormiertheit der Zustände sind die Koeffizienten festgelegt:
- für
Als Beispiel soll der Bahndrehimpuls mit l = 1 mit einem Spin s = 1 / 2 gekoppelt werden. Im folgenden schreibe abkürzend und für die Produktbasis .
Für gibt es ein Quartett:
Für gibt es ein Dublett:
Spin-Spin-Kopplung
Im folgenden werden zwei 1/2-Spins gekoppelt.
Die Spinquantenzahlen sind auf s1,2 = 1 / 2 und beschränkt. Somit können die Gesamtspinquantenzahlen S und MS nur die folgenden Werte annehmen:
- S = 0 dann MS = 0
- S = 1 dann MS = − 1,0,1
Im folgenden schreibe abkürzend und für die Produktbasis
Für S = 1 gibt es ein Triplett:
Für S = 0 gibt es ein Singulett:
Literatur
- Nolting: Grundkurs Theoretische Physik 5/2. Quantenmechanik - Methoden und Anwendungen. Springer Verlag, ISBN 3540260358
Wikimedia Foundation.