Draussen vor der Tür

Draussen vor der Tür

Draußen vor der Tür (Untertitel: „Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will“) ist ein Werk von Wolfgang Borchert.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung und Bearbeitungen

Wolfgang Borchert schrieb „Draußen vor der Tür“ im Januar 1947 in acht Tagen. Das Stück wurde am 13. Februar 1947 zum ersten Mal vom Nordwestdeutschen Rundfunk als Hörspiel gesendet und einen Tag nach Borcherts Tod als Bühnenstück in der Inszenierung Wolfgang Liebeneiners am 21. November 1947 in den Hamburger Kammerspielen uraufgeführt. Verfilmt wurde es erstmals unter dem Titel „Liebe 47" im Jahre 1949 (Regie: Wolfgang Liebeneiner, mit Karl John als Beckmann und Hilde Krahl als Anna Gehrke). Im Jahre 1957 wurde der Stoff unter seinem Originaltitel vom NDR für das Fernsehen produziert. Unter der Regie von Rudolf Noelte spielten Paul Edwin Roth (Beckmann), Malte Jaeger und Konrad Wagner in den Hauptrollen. Das Buch wurde in viele Sprachen übersetzt.


Die Personen

Borchert benennt und beschreibt die Personen seines Dramas im Rollenverzeichnis wie folgt:

  • Beckmann, einer von denen
  • seine Frau, die ihn vergaß
  • deren Freund, der sie liebt
  • ein Mädchen, dessen Mann auf einem Bein nach Hause kam
  • ihr Mann, der tausend Nächte von ihr träumte
  • ein Oberst, der sehr lustig ist
  • seine Frau, die es friert in ihrer warmen Stube
  • die Tochter, gerade beim Abendbrot
  • deren schneidiger Mann
  • ein Kabarettdirektor, der mutig sein möchte, aber dann doch lieber feige ist
  • Frau Kramer, die weiter nichts ist als Frau Kramer, und das ist gerade so furchtbar
  • der alte Mann, an den keiner mehr glaubt
  • der Beerdigungsunternehmer mit dem Schluckauf
  • ein Straßenfeger, der gar keiner ist
  • der Andere, den jeder kennt
  • die Elbe

Der alte Mann versinnbildlicht Gott, der Beerdigungsunternehmer den Tod.

Ort der Handlung

Das Drama „Draußen vor der Tür“ spielt im Hamburg der unmittelbaren Nachkriegszeit 1945. Ein Mann namens Beckmann kommt mit nur einer Kniescheibe, humpelnd und frierend aus der Kriegsgefangenschaft aus Sibirien nach Hause zurück und trifft alles anders an, als er es verlassen hat. Er ist „einer von denen, die nach Hause kommen und die dann doch nicht nach Hause kommen, weil für sie kein Zuhause mehr da ist. Und ihr Zuhause ist dann draußen vor der Tür.“

Inhalt

Vorspiel

Ein Beerdigungsunternehmer und ein alter Mann unterhalten sich über einen Mann, der an der Kante eines Pontons an der Elbe steht und sich offensichtlich in den Tod stürzen möchte. Viele Menschen, die aus dem Krieg nach Hause kommen, bringen sich um und für den Tod (in der Gestalt des Beerdigungsunternehmers) ist dieser hier nur einer von den vielen. Gott (in der Gestalt des alten Mannes) grämt sich darüber, dass er es nicht ändern kann, weil keiner mehr an ihn glaubt, und er ist ein wenig auf den Tod neidisch, weil der geliebt und gefürchtet wird: "Der Tod? - Du hast es gut! Du bist der neue Gott". Der Beerdigungsunternehmer rülpst viel und hat schon Fett angesetzt, denn sein „Geschäft“ floriert, da in diesem Jahrhundert viel gestorben wird.

Der Traum

Beckmann ist ins Wasser gesprungen, um seinem Leben ein Ende zu setzen, doch die Elbe (in Gestalt einer Frau) sagt ihm resolut, dass er nicht in den Fluss gehöre. Er sei noch zu jung, und ein steifes Bein könne sie als Grund nicht akzeptieren. Stromabwärts wirft sie ihn bei Blankenese wieder ans Ufer.

1. Szene

Beckmann liegt am Strand, wo ihn der Andere findet, sein optimistischer „alter ego“, der auch im weiteren Verlauf des Stückes die Rolle eines Antagonisten zu Beckmann spielt, welcher durch den Krieg zu einem Fatalisten geworden ist. Diesem Anderen klagt Beckmann nun sein ganzes Leid. Er erzählt von seiner Frau, die einen anderen Mann gefunden hat, seinem toten Kind, das irgendwo unter den Trümmern liegt und auch, dass er wegen seines steifen Beines den Krieg sicher nicht so schnell vergessen werde. Eine junge Frau hört Beckmann reden und nimmt den nassen und frierenden Mann, den sie mitleidig-liebevoll „Fisch“ nennt, mit nach Hause.

2. Szene

Das Mädchen, wie die junge Frau in dem Stück genannt wird, macht sich über Beckmanns Aussehen lustig – er trägt immer noch die gespenstisch-dunkelrandige Gasmaskenbrille – und gibt ihm die Jacke ihres Mannes, der nicht aus dem Krieg nach Hause gekommen ist. Dann hören sie Krücken und erkennen den Einbeinigen, der seine Jacke und seine Frau von Beckmann wiederhaben möchte. Wieder auf der Straße kann der Andere Beckmann gerade noch davon abhalten, sich erneut in die Elbe zu stürzen. Beckmann war im Kriegseinsatz der Vorgesetzte des Einbeinigen und fühlt sich an dessen Verletzung mitschuldig. Aber auch für den Tod von elf Soldaten eines ihm anvertrauten 20 Mann starken Spürtrupps fühlt er sich verantwortlich. Nun versucht der Andere ihn zu überreden, zu seinem vormaligen Oberst zu gehen und ihm diese Verantwortung einfach wieder zurückzugeben.

3. Szene

Als Beckmann beim Oberst ankommt, sitzt dieser gerade mit seiner Familie beim Abendessen. Dessen Frau und Tochter grauen sich vor Beckmann, der Schwiegersohn nimmt ihn nicht ganz ernst. Zuerst machen sie sich über das Aussehen des Besuchers lustig, doch dann erklärt Beckmann, dass er nun dem Oberst die Verantwortung für die Soldaten zurückgeben will, die er ihm übertragen hatte. Nur so glaubt er, die Schuldgefühle loswerden zu können, die ihn nicht mehr schlafen lassen. Der Oberst aber windet sich heraus, indem er das Ganze ins Lächerliche zieht und Beckmann als Witzbold abtut, der ins Kabarett gehöre, worauf Beckmann sich Brot und eine Flasche vom Tisch greift und geht.

4. Szene

Beckmann versucht, in einem Kabarett Arbeit zu finden und trägt dem Direktor ein Chanson vor (den sarkastisch umgedichteten Kriegsschlager „Tapfere kleine Soldatenfrau“), doch dieser lehnt ihn mit der fadenscheinigen Begründung mangelnder Fähigkeit und körperlicher Behinderung ab. In Wirklichkeit aber fürchtet er bloß, dass ihm der Kriegsheimkehrer mit der bitteren Wahrheit sein Publikum vertreiben und das Geschäft ruinieren könnte. Verzweifelt über diesen weiteren gescheiterten Versuch, im Leben wieder Fuß zu fassen, will sich Beckmann erneut in die Elbe stürzen, doch der Andere schafft es ein weiteres Mal, ihn vom Freitod abzuhalten, indem er ihn an seine Eltern erinnert, die sicher schon sehnsüchtig auf ihn warten.

5. Szene

Als Beckmann vor der Wohnungstür seiner Eltern steht, bemerkt er, dass dort das Namensschild „Beckmann“ fehlt. Er läutet und bekommt von einer Frau namens Kramer schnippisch mitgeteilt, dass die Wohnung nun ihr gehöre, weil seine Eltern sich umgebracht hätten. Nach dem Krieg sei ihnen der gesamte Besitz genommen worden, weil der Vater ein zu aktiver Nazi gewesen sei. Empört beendet Beckmann das Gespräch und sinkt kraftlos auf die Stufen vor der Tür. Er verfällt in eine Art Wachtraum, in welchem er noch einmal mit allen erlittenen Enttäuschungen konfrontiert wird. Er trifft auf den „lieben Gott“, an den keiner mehr glaubt, und stellt ihm die Frage, wo er eigentlich war, als all das Schreckliche passierte. Im Gespräch mit dem Tod, der nun als „Straßenfeger“ in Erscheinung tritt, sagt dieser ihm zu, eine Tür für ihn offen zu lassen. Mit allen Personen, die ihn im Stich gelassen haben, spricht Beckmann, doch keiner zeigt Reue. Währenddessen versucht der Andere immer wieder, ihn aus dem unseligen Traum zu reißen und ins „Leben“ zurückzuholen. Doch die Mühe scheint vergebens und schlussendlich ist niemand mehr für ihn da, nicht einmal der 'Andere'. So findet sich Beckmann am Ende allein, draußen vor der Tür, mit der brennenden Frage, ob ihm denn keiner Antwort gebe.

Rezeption

Das Stück – das zum damaligen Genre der Trümmerliteratur gehört – war als Hörspiel sehr erfolgreich.

Stilistisch blieb Borchert nicht unumstritten. Indes waren seine Leiderfahrungen allseits geläufig, seine stilistischen Mittel (expressionistisch beeinflusste Wortwahl, Satzgefüge und Wiederholungen) waren im Nationalsozialismus verpönt gewesen und wirkten daher neuartig und stark, seine Symbolismen waren herkömmlich, und seine gelegentlichen Sentimentalitäten fielen gegenüber den allgemeinen (und oft larmoyanten) Klagen kaum auf.

Seine große Distanz zu den überkommenen Männlichkeitsidealen und sein Pazifismus sicherten ihm auch nach dem Wirtschaftswunder immer wieder neue junge Leser, zumal seine Kurzgeschichten ausgiebig in die Schullesebücher aufgenommen wurden und das Drama eine beliebte Schullektüre ist.

Marcel Reich-Ranicki urteilte 2008 über Draußen vor der Tür: „Dieses Heimkehrerstück ist Schrei und Aufschrei, Klage und Anklage in einem, es ist Ausdruck von Verzweiflung der vom Vaterland betrogenen, vom Krieg gemarterten und von der Nachkriegsgesellschaft ausgeschlossenen Generation.“[1]

Literatur

  • Wolfgang Borchert: Draußen vor der Tür, und andere ausgewählte Erzählungen. Rowohlt, Reinbek. ISBN 978-3-499-10170-0
  • Reiner Poppe: Königs Erläuterungen und Materialien Band 299: Wolfgang Borchert - Draußen vor der Tür. C. Bange Verlag, Hollfeld 3. Auflage 2007, ISBN 978-3-8044-1804-2. 

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Sollte Philip Roth endlich den Nobelpreis bekommen? Fragen an Marcel Reich-Ranicki. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 23. Juni 2008

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