Dom Santa Maria del Fiore

Dom Santa Maria del Fiore
Ansicht von Süden
Historische Abbildung mit Prozession

Santa Maria del Fiore ist der Dom von Florenz. Er ist weltbekannt für seine gewaltige Kuppel, die als technische Meisterleistung der frühen Renaissance gilt.

Inhaltsverzeichnis

Dimensionen

Der Florentiner Dom ist, bezogen auf die Länge des Längsschiffs, nach dem Petersdom im Vatikan, Saint Paul’s Cathedral in London und dem Mailänder Dom die viertgrößte Kirche in Europa. (Nach der bebauten Fläche rangiert allerdings noch die Kathedrale von Sevilla in Spanien an dritter Stelle.) Seine Abmessungen betragen 153 Meter in der Länge und 38 in der Breite, während das Fundament der Kuppel 90 Meter breit ist. Die Gewölbehöhe bemisst sich auf 23 Meter. Im Inneren der Kuppel beträgt die lichte Höhe vom Boden bis zur Spitze 90 Meter. Außen ist sie mit Laterne mehr als 114 Meter hoch.

Baugeschichte

Grundriss zu verschiedenen Zeitpunkten

Bis ins 13. Jahrhundert hatte den Bewohnern der Stadt das Baptisterium San Giovanni sowie einige kleine Kirchen zur Repräsentation genügt. Erst 1296 entschloss man sich zum Bau eines Doms nach Plänen von Arnolfo di Cambio. Der Bau sollte Ausmaße haben, wie sie die Toskana nie zuvor gesehen hatte. Der Entschluss kam jedoch nicht aus einem religiösen Impuls, sondern vielmehr aus dem Wunsch nach einem weithin sichtbaren Monument, nicht zuletzt in Konkurrenz zu Venedig und Pisa sowie dem 1229 begonnenen Dombau in Siena.

Baubeginn

Noch im gleichen Jahre wurde mit der Errichtung der Westfassade begonnen. Die ursprüngliche Bischofskirche, Santa Reparata, wurde dabei zunächst von dem Neubau umgeben und weiter liturgisch genutzt. Nach dem Tode di Cambios kamen die Arbeiten zum Erliegen, da die Ressourcen zum Bau der dritten Stadtmauer und zur Errichtung des Palazzo Vecchio genutzt wurden. Von der Fassade war nach di Cambios Entwürfen bis dahin nur der untere Teil vollendet.

Giottos Glockenturm

Der von Giotto gestaltete Glockenturm

Erst die spätere Berufung Giottos brachte neue Impulse. Doch Giotto, schon 68 Jahre alt, richtete seine ganze Energie auf den Campanile, der in kurzer Zeit zu vollenden war. So wollte er Florenz wenigstens mit dem Campanile ein alles überragendes Wahrzeichen schenken.

Seine Fundamente waren bereits 1298 zu Beginn der Bauarbeiten an der neuen Kathedrale unter Arnolfo di Cambio gelegt worden. Die für die italienische Gotik ungewöhnliche Position des Glockenturms – in einer Linie mit der Westfassade – wird zum einen als Indiz für die besondere Betonung der Vertikalen als Zentrum der „Bischöflichen Insel“ gewertet, andererseits wollte man wohl die Sichtachse auf die geplante große Kuppel freihalten.

Giotto di Bondone entwarf einen Campanile, der eine pyramidenförmige Spitze mit einer Höhe von 50 florentinischen Braccia (Armlängen), also etwa 30 Metern gehabt hätte; insgesamt wäre er 110–115 Meter hoch geworden. Bei Giottos Tod im Jahr 1337 war erst das erste Geschoss fertiggestellt. Andrea Pisano und Francesco Talenti beendeten den Bau 1359 mit einigen Änderungen. Der Turm ist allerdings lediglich 85 Meter hoch geworden.

Im Turm sind insgesamt zwölf Glocken untergebracht. Eine Glocke befindet sich abgestellt auf dem Boden des Glockengeschosses. Sie ist die 1516 von Lodovico di Guglielmo gegossene 2500 Kilogramm schwere Apostolica. Zudem hängen auf allen vier Seiten, jeweils zwischen Glockenstube und Fenster vier kleinere Glocken (Beona, Maria Anna, Campana Piccola, Campana Più Piccola), die nicht geläutet werden können. Die übrigen sieben Glocken bilden das Hauptgeläut, dass seit 2000/2001 über einen neuen elektrischen Läuteantrieb verfügt.

Nr. Name Gussjahr Gießer Durchmesser
(mm)
Gewicht
(kg)
Nominal
1 Campanone/Santa Reparata 1705 Antonio Petri 2000 5000 a0
2 Misericordia 1830 Carlo Moreni 1500 2500 c1
3 Apostolica 1956/57 Prospero
Barigozzi
1450 1800 d1
4 Assunta 1270 846 e1
5 Mater Dei 1160 481 g1
6 Annunziata 950 339 a1
7 Immacolata 750 237 h1

Wiederaufnahme der Bauarbeiten am Dom

Die Marmorstatue des Evangelisten Johannes von Donatello, die von 1408 bis 1415 geschaffen wurde. Sie stand bis 1537 mit den drei anderen Evangelisten in den vier großen Nischen neben dem Hauptportal am Dom Santa Maria del Fiore, wo sie 1537 entfernt wurde. Seit 1936 steht sie im Museo del Opera del Duomo

Ab 1330 übernahm die Wollweberzunft die Verantwortung für den Dombau. In den folgenden Jahren bis 1368 hatten neue Baumeister die Pläne immer wieder modifiziert, bis im genannten Jahr neue Pläne gebilligt und das danach entstandene Ziegelmodell (Maßstab 1:10) für verbindlich erklärt wurde. Der Bau konnte nun schneller vorangetrieben werden. Schon 1379 wurde das Langhaus für den Gottesdienst in Gebrauch genommen.

Fassade

Die unter Arnolfo di Cambio begonnene Fassade wurde schon 1588 als unzeitgemäß empfunden und abgerissen, um Platz für eine neue Fassadengestaltung zu schaffen, für die die Mittel dann allerdings nicht ausreichten. Die heutige Westfassade ist ein Anbau aus dem späten 19. Jahrhundert, der den gotischen Stil des Langhauses imitiert und die Gestaltung in dreifarbigem Marmor aufgreift. Sie wurde nach einem Entwurf von Emilio de Fabris 1887 vollendet.

Kunstwerke im Innenraum des Domes

Innenraum

An der linken nördlichen Kirchenwand befinden sich u.a. zwei sehr ähnlich aussehende Fresken von Reiterstandbildern. Das erste Fresko „Monument für Giovanni Acuto” stammt von Paolo Uccello (1400-1475) aus dem Jahr 1436. Es handelt sich um den Söldnerführer Giovanni Acuto, der eigentlich John Hawkwood hieß, Engländer war und im Dienst von Florenz stand. Dass er hier im Dom, also quasi an heiliger Stätte, verewigt wurde beweist, welche Bedeutung solche Militärführer im 15. Jh. haben konnten.

Außerdem fand hier ein eigenartiger Prozess in der Entwicklung der Malerei statt. Das Reiterdenkmal als plastisches Bildwerk befand sich ursprünglich im Kircheninnenraum (s. den Bamberger Reiter von 1230/35). Dann wurde es in der historischen Entwicklung allmählich nach draußen auf den Vorplatz verlegt, um besser gesehen werden zu können und um vom kirchlichen Ritus unabhängig zu werden. Und jetzt in der Renaissance kehrt dieses Motiv in den Kircheninnenraum zurück – allerdings als Malerei.

Auffallend sind einige Missverhältnisse in der Perspektive. Wenn man den Sockel mit seiner perspektivischen Verkürzung und seiner starken Untersicht nimmt und sich vorstellt, wie hoch dann im Vergleich dazu das Pferd mit Reiter stehen müsste, dann müssten die beiden viel schräger von unten gemalt sein. Das waren sie ursprünglich wohl auch, aber das gefiel den Florentinern nicht – für solche Neuerungen hatten sie noch keinen Sinn. Uccello malte 1436 Ross und Reiter neu direkt von der Seite, ohne auf perspektivische Richtigkeit zu achten. Hier war der Künstler dem Geist der Zeit um einiges vorausgeeilt.[1]

Im Dom daneben – ebenfalls als Fresko – befindet sich ein ganz ähnliches Motiv von Andrea del Castagno (1423 bis 1457), das 20 Jahre später 1456 gemalt wurde, das “Monument für Niccolò da Tolentina”, das sich im schematischen Aufbau weitgehend auf Uccello bezieht. Es ist das Monument für einen weiteren Söldner. Aber hier vollzieht sich eine ähnliche Entwicklung wie in den Türen des Baptisteriums zwischen Pisano und Ghiberti. Uccello malte 1436 eine statuarische Ruhe ähnlich wie Pisano, Castagno 20 Jahre später die Bewegung wie bei Ghiberti.[2]

Kuppel

Brunelleschis Kuppel
Risszeichnung
Das Zentrum der Kuppel mit Laterne, die unten erwähnten Risse sind deutlich erkennbar
Die Höllenqualen im Detail

1417 legte Brunelleschi sein erstes Kuppelmodell vor, nachdem vorher beschlossen wurde, eine noch prächtigere und größere Kuppel zu erstellen, als das erste Modell vorsah. Der Bau der 107 Meter hohen Kuppel mit einem Durchmesser von 45 Metern dauerte 16 Jahre (1418 bis 1434). Von Anfang an trug die aus zwei Schalen bestehende Konstruktion sich selbst und wurde ohne Lehrgerüst errichtet. Aufgrund ihrer Einzigartigkeit wird sie noch heute als Höhepunkt der Renaissance gesehen. Der Dom wurde nach der Fertigstellung der Kuppel am 25. März 1436 in Anwesenheit von Donatello, Brunelleschi, Ghiberti, Michelozzo und Alberti durch Papst Eugen IV. geweiht. Die Laterne wurde nach einem Entwurf Brunelleschis von 1446 bis 1461, zuletzt unter der Aufsicht von Michelozzo, erbaut. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts gab es immer wieder kleinere Arbeiten am Dom.

Ausmalung der Kuppel

Die Innenbemalung der Kuppel ist nach früherer einhelliger Meinung der Kunstgeschichte missglückt. Kein Geringerer als Giorgio Vasari, der Vater der Kunstgeschichtsschreibung und der Schöpfer des gleichnamigen Korridors über den Ponte Vecchio, hat 1572 dieses Fresko begonnen, das 1579 von Federico Zuccari vollendet wurde. Es ist in seinen Ausmaßen selbstverständlich riesig und gilt als der flächenmäßig größte Fresken-Zyklus zu einem christlichen Thema. Hunderte von Kolossalfiguren gruppieren sich auf insgesamt 4000 m² um den Weltenrichter herum, den man in der unteren Mitte mühsam erkennen kann. Vasaris Traum soll es gewesen sein, Michelangelos „Jüngstes Gericht“ in der Sixtinischen Kapelle zu übertreffen.

Blick in das Fresko der Kuppel

Aber dieses Riesenwerk ist nicht unproblematisch. Denn es ist so weit vom Boden entfernt, dass man kein einziges Detail hinreichend erkennen kann – der Kuppelraum ist normalerweise dunkler als auf den Fotos -, und als größter Fehler: Das Fresko Vasaris macht die Kuppel nicht höher, wie es sein sollte, sondern niedriger. Dieses Kuppelfresko wurde seit 1979 restauriert und ist im Juni 1995 neu enthüllt worden, wobei man angeblich bisher ungeahnte künstlerische Qualitäten festgestellt hat.

Vasari war schon krank, als er 1572 im Alter von 61 Jahren das Gerüst zur Ausmalung der Kuppel bestieg und starb bereits zwei Jahre danach 1574 lange vor der Vollendung des Freskos. Federico Zuccari übermalte und modernisierte teilweise Vasaris Malerei. Dabei unterliefen ihm auch einige Fehler. So bekam beispielsweise ein Esel die massigen Beine eines Bären, der seinerseits mit Hufen ausgestattet wurde, – aber das sieht man von unten nicht.

Einzelne Aspekte zum Florentiner Kuppelbau

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Statue von Filippo Brunelleschi, der zur Kuppel des Domes Santa Maria del Fiore hinaufblickt

Die Kuppel des Domes von Florenz ist nicht die Bekrönung der Vierung eines lateinischen Kreuzes, also einer Kreuzung von Langhaus und Querhaus, sondern einer Drei-Konchen-Anlage, somit also ein Zentralbau, „der erste der Renaissance“. Zumindest hieß es so lange Zeit in der Fachliteratur. Aber dieser Zentralbau ist eine Idee der Gotik und seine Durchführung wurde mit gotischen Mitteln erreicht. Man sagt also besser: dieser gotische Plan kam den Tendenzen der Renaissance entgegen.

Die Bewunderung für das antike römische Pantheon und die architektonische Tradition hatten sich vereint, um die Kuppel zum idealen und zentralen Bestandteil der Kirche zu machen. Es scheint, dass man auch in jenen Fällen, in denen man keinen Zentralbau durchführen konnte, weil – wie hier am Florentiner Dom – ein Langhaus bereits vorgegeben war, sich als Ersatz dafür im Ostbau wenigstens die Illusion eines Zentralbaus mit der Kuppel als wichtigstem Bestandteil hat verschaffen wollen.[3]

Es gab da eine prinzipielle Schwierigkeit in der Renaissance bei der Verbindung des Zentralbauideals mit rein liturgischen Anfordernissen. Sollte ein Zentralbau eine Kuppel erhalten, dann konnte er nicht allzu groß werden, weil die Konstruktion der Kuppel das schwierigste von allem war. Deshalb wurde das Ideal des reinen Zentralbaus meistens bei kleineren Kirchen erfüllt.

In großen Kirchen sollten aber auch viele Menschen zusammenkommen, und das widersprach den technischen Grenzen des Zentralbaus. Deshalb wurden häufig Kompromisse gebildet, indem man an einen zentralbauähnlichen Ostteil ein Langhaus anschloss. Jetzt konnten zwar viele Gläubige im Innenraum zusammen gefasst werden, aber ein idealer Zentralbau war das nicht, wie man am Grundriss sehen kann.

Besonders dramatisch waren später diese Auseinandersetzungen beim Neubau von St. Peter in Rom. Auch hier siegte im Endeffekt die politische Wirkung eines solchen bedeutenden Baues über das architektonische Ideal Michelangelos. Und die Politik spielt auch hier in Florenz eine Rolle.

Von jeher war Architektur in den italienischen Stadtstaaten dazu ausersehen, Träger der Staatsideen zu werden. Und die Kuppel des Florentiner Domes hier war der deutlich sichtbare Ausdruck eines neuen Machtanspruchs einer Stadt, die mit 50.000 Einwohnern so viele Bewohner hatte wie London. Durch Brunelleschi wurde die Kuppel zu einer neuen Pathosformel erhoben – und das merkt man bis hin zum Kapitol in Washington von 1857. Im Mittelalter war der Turm oder die Turmgruppe das höchste architektonische Zeichen städtischer Majestät. Jetzt in der Neuzeit, in der Renaissance, wurde die Kuppel das Symbol staatlicher Macht.

Hier spielt sicher auch eine Rolle, dass zur damaligen Zeit Florenz mit Kunstwerken deutlich weniger ausgestattet war als seine italienischen Konkurrenten. Nach den Zeiten der Protorenaissance im 11. Jh. gab es seltsamerweise eine lange Pause in der Entwicklung der Kunst. Erst 1246 mit der Dominikanerkirche Santa Maria Novella wurde wieder eine neue Periode in der Kunstgeschichte der Stadt eröffnet.

Im ganzen 12. Jahrhundert und noch im frühen 13. Jahrhundert, als in Pisa bereits der Dom erweitert wurde, der Campanile, das Baptisterium und der Camposanto erbaut wurden, als man in Lucca, in Pistoia, in Prato und später auch in Arezzo und Siena Dome und Kirchen errichtete, entstand in Florenz kein Bauwerk gleichen Ranges.[4] Während sich Pisa und Lucca zu Zentren der Bildhauerkunst und der Malerei entfalteten, ist für Florenz kaum eine Skulptur und kein Gemälde bezeugt[5] In dieser fast 150 Jahre dauernden Pause schuf Florenz stattdessen die wirtschaftlichen und politischen Voraussetzungen für seine spätere Vormachtstellung, die dann durch den Bau des Domes und vor allem durch die dominierende Kuppel neuen, majestätischen Ausdruck erhalten sollte. Also: Die Kuppel des Domes hatte für Florenz wortwörtlich überragende Bedeutung. Hier musste mit einem Schlag ein langer künstlerischer Rückstand übersprungen werden. Florenz hatte gleichsam „keine Wahl“. Die Kuppel musste gelingen.

Das Interessante daran ist, dass möglicherweise bereits Arnolfo di Cambio, der 1296 mit dem Bau begonnen hatte, eine solche Kuppel vorgesehen hatte. Inspiriert war diese Idee sicher damals schon vom Baptisterium und von den gigantischen Kuppelbauten der römischen Antike, vor allem auch hier vom Pantheon in Rom und von der Hagia Sophia in Byzanz. Als weiteres Vorbild darf sicher die Kuppel des Pisaner Domes angenommen werden und die des Domes von Siena, einer Stadt, zu der Florenz in besonderer Konkurrenz stand. Aber die Verbindung dieser Idee einer so gigantischen Kuppel mit einem gotischen Langhaus war neu. Zu Beginn des 13. Jhs war in Köln bei St. Gereon bereits eine große Kuppel von 34 Metern Höhe vollendet worden und das dürfte sich auch bis Florenz herumgesprochen haben in den 200 Jahren seit 1219. Man wusste also, dass so etwas durchaus gelingen kann, auch wenn es sehr schwierig war.

Der Plan zu einer riesigen Kuppel war auch 1367 vorherrschend, als nach langer Bauunterbrechung eine Kommission der Baumeister und Maler die Ausdehnung der Vierung selbstbewusst auf 42 Meter erhöhte und eine Gewölbehöhe der noch zu bauenden Kuppel von 83 Metern vorsah.[6] Damit sollte die Florentiner Kuppel nicht nur die breiteste, sondern auch die höchste jemals errichtete Kuppel werden. Man hatte dabei sicher das Pantheon in Rom vor Augen, dessen Kuppeldurchmesser 42,70 Meter beträgt, also fast identisch mit den Florentiner Plänen.

Die aus diesen gewaltigen Ausmaßen resultierenden Schwierigkeiten erkannte man erst später. Denn man wusste nicht, wie man ein solch riesiges Gewölbe von 42 Metern Durchmesser über dem achteckigen Grundriss errichten konnte. Es erwies sich nämlich beispielsweise als unmöglich, die Gerüstbalken zu beschaffen, die für den Bau einer solchen Wölbung benötigt wurden. Denn man war zuvor – 1410-1413 – auf die kühne Idee gekommen, auf das 42 Meter hohe oktogonale Grundgeschoss noch ein Tambourgeschoß von knapp zehn Metern Höhe und 4½ Metern Dicke aufzusetzen, so dass die Kuppel erst in der unglaublichen Höhe von 52 Metern ansetzte, also in einer Höhe, die über den höchsten Gewölben der französischen gotischen Kathedralen lag – das höchste gotische Gewölbe hat die Kathedrale von Beauvais mit 48 Metern.

Übrigens erhielt die Kirche erst jetzt ihren heutigen Namen ‚Santa Maria del Fiore’. Bis dahin hieß sie wie die Vorgängerkirche Santa Reparata.[7]

Und damit niemand auf die Idee kam, diesen neuen, kühnen Plan von 1367 zugunsten älterer, einfacherer Lösungen zu verlassen und damit den neuen Machtanspruch von Florenz zu reduzieren, vernichtete man alle älteren Dokumente, die sich mit dem Dombau befassten. Man hat also gleichsam alle Brücken hinter sich abgebrochen. Entweder diese neue Kuppel mit bisher noch nie erreichter Höhe – oder gar keine. Daher wissen wir nur unzulänglich, wie sich Arnolfo die Cambio und seine frühen Nachfolger den Dom eigentlich vorgestellt hatten.

Damals, in der 2. Hälfte des 14. Jhs. herrschte eine scharfe Konkurrenz zwischen den großen norditalienischen Städten in Bezug auf ihre zentralen großen Kirchenbauten. In Florenz wurden teilweise über acht Prozent der gesamten Staatseinkünfte für den Bau des Domes aufgewandt. Ab 1331 war die Wolltuchzunft für das Bauvorhaben verantwortlich.[8]

1388 wurde in Bologna der Dom San Petronio begonnen, der den im Bau befindlichen Florentiner Dom noch übertreffen sollte, aber nie vollendet wurde. Zwei Jahre zuvor, 1386, war der Dom von Mailand begonnen worden, der nicht nur die italienischen, sondern alle Kathedralen des Abendlandes übertreffen sollte – allerdings ohne große Türme und ohne Kuppel. Die Kuppelwölbung war das große Problem und sie blieb es bis in unsere Zeit hinein, daher auch ihre große Bedeutung für die Repräsentation. Noch in der Nicolaikirche in Potsdam in der Mitte des 19. Jahrhunderts, im Kapitol von Washington 1857 und in den Großmacht-Fantasien des NS-Architekten Albert Speer für das Neue Berlin der 40er Jahre des 20. Jhs. wirkte diese Idee nach.

1414 war in Florenz der Bau wieder ins Stocken geraten. Als vorerst letztes Glied wurde der zehn Meter hohe achteckige Tambour mit seinen runden Lichtöffnungen von 3,5 Meter Durchmesser errichtet. Die oktogonale Basis als Auflager für die Dachkonstruktion war damit vorgegeben.[9]

Wie löste man in Florenz dieses Problem – wie schaffte man diesen „Sprung an die Spitze“? Nun: kurz gesagt über einen Wettbewerb im Schicksalsjahr der florentinischen Architektur 1418. Man schrieb am 19. August einen Wettbewerb aus, den Brunelleschi nach diversen Widerständen mit einem Rohentwurf gewann.

Die revolutionäre Idee Brunelleschis bestand darin, das Baugerüst gar nicht auf dem Boden aufsetzen zu lassen, sondern als Klettergerüst innerhalb der noch zu bauenden Kuppel zu verankern. Das spricht sich leicht aus, ist aber außerordentlich kompliziert. Die Gutachterkommission lehnte seinen Vorschlag zunächst mehrmals ab. Brunelleschi bestand aber starrsinnig auf seinem Plan in einer Weise, dass man ihn mehrmals aus den Sitzungen hinaustragen musste.[10] Außerdem war Brunelleschi nicht bei einem Baumeister in die Lehre gegangen, sondern bei einem Goldschmied, gehörte also nicht zur Gilde der Steinmetze, sondern derjenigen der Seidenweber an, die sich mit den Goldschmieden zusammengeschlossen hatten.

Als man aber auf Seiten der Stadt keine brauchbare Alternative zu Brunelleschis Plan gefunden hatte, ließ man sich doch auf diese scheinbar verrückte Idee ein. Noch heute ist die genaue Konstruktion dieser Kuppel schwer zu verstehen. Brunelleschi wurde nach der Annahme seines Rohentwurfes gebeten, einen genauen Plan auszuarbeiten. Ihm wurde zwar die Bauleitung übertragen, aber als unerfahrenem Baumeister wurde ihm anfangs – zur Vorsicht – Lorenzo Ghiberti an die Seite gestellt, was ihn sehr ärgerte. Beide verstanden sich zeitlebens wenig, nachdem 1401 Brunelleschi Ghiberti unterlegen war in dem Wettbewerb um die Baptisterium-Tür. Trotzdem arbeiteten sie 18 Jahre lang an der Kuppel des Florentiner Domes zusammen, anfangs mit gleichem Gehalt.

Der Hauptgegner Brunelleschis dabei war nicht einmal Ghiberti selber, sondern sein Gehilfe Giovanni da Prato.[11]

Der Baubeginn der Kuppel fand statt am 7. August 1420 in 52 Metern Höhe. Im gleichen Jahr war Brunelleschi mit einer weiteren genialen Idee aufgetreten. Er übernahm ein Bauprinzip aus der nordeuropäischen Gotik, die Rippenwölbung. Er verlegte Rippen an jede Ecke des Oktogons und jeweils zwei zusätzliche im Innern jeder Gewölbekappe, also insgesamt 24, die miteinander durch waagerechte Querbalken verbunden waren. Die äußeren sind die weithin sichtbaren acht großen Marmorrippen: 4,4 Meter dick, 3,5 Meter breit. Jedes der acht Segmente der Kuppelschale ist an seiner Basis 17 Meter breit, 3,50 Meter dick und vollwandig aus massivem Kalksandstein geschichtet.[12]

die Kuppel

Durch diese insgesamt 24 Rippen entstand ein Skelettsystem, auf dem zwei Verschalungen, eine innere und eine äußere, angebracht werden konnten. Diese Verschalungen aus Ziegelsteinen wurden in einzelnen Ringen nach und nach so angebracht, dass die Kuppel ohne Lehrgerüst errichtet werden konnte, so dass das Dach wie im Pantheon Roms offen gelassen werden konnte, damit durch eine Laterne die Belichtung gesichert war.[13] Das heißt es musste kein Holzgerüst errichtet werden, das auf dem Boden in 80 Meter Tiefe aufsetzte. Sondern: Das Gerüst konnte in der Kuppel selber verankert werden, weil es nicht soviel Gewicht tragen musste.

Um einen Begriff davon zu bekommen, um welche Dimensionen an Hölzern es sich hier handelte: Für die Halbkugel der südlichen Apsis, die mit einem solchen Lehrgerüst konstruiert wurde, benötigte man im Jahre 1418 32 gewaltige Baumstämme, die in Bretter von insgesamt 280 Metern Länge und 135 Balken zersägt wurden. Diese Halbkugel war aber winzig im Vergleich zur Hauptkuppel, zur cupola, für die nach einer Schätzung zwanzig Mal so viel Holz benötigt worden wäre, also nicht weniger als 700 große Baumstämme.[14]

Das waren unvorstellbare und unbezahlbare Dimensionen, – und auch wenn sie realisiert worden wären, wäre es keine Garantie für ein Gelingen gewesen. Denn auch ein Lehrgerüst verändert sich, vor allem unter dem immensen Druck der noch zu bauenden Kuppel. Holz trocknet ein und verbiegt sich im Laufe der Zeit – und eine so riesige Kuppel baut man eben nicht in drei Tagen. Mit anderen Worten: Dieser Weg war nicht gangbar. Es musste anders gehen. Brunelleschi, der sich in antiker Architektur auskannte, nahm die alte Idee der Doppelschaligkeit auf und erfand ganz neue Techniken für die einzelnen Arbeitsschritte.

Eine solche doppelschalige Konstruktion war nicht neu, sie entsprach der antiken Tradition. Auch das Baptisterium besitzt in Ansätzen eine solche doppelte Schale. Diese Idee stammt aber eigentlich aus dem mittelalterlichen Persien und stellte das typische Merkmal islamischer Moscheen dar. Mit der Übernahme der Doppelschaligkeit waren aber nicht alle Schwierigkeiten beseitigt.

Die Kuppel musste – auch als Rippenkonstruktion – zusätzlich abgestützt werden, genauso wie es in der gotischen Architektur Nordeuropas der Fall war, wo diese Idee herkam. Aber in Italien gibt es normalerweise kein äußeres Strebewerk wie in Frankreich oder Deutschland, das dort diese Funktion übernimmt. Das gibt es – als Ausnahme – nur beim Mailänder Dom. In Florenz ging man anders vor. Die riesige Kuppel wird seitlich abgestützt einerseits vom Langhaus und andererseits von den niedrigeren Nebengebäuden.

Außerdem erfand Brunelleschi „ein System so genannter Steinketten, um die beiden Gewölbeschalen zusammenzuhalten. Sie setzen an den Rippen an und sind durch Metallklammern verbunden, so dass sie Zugspannung aufnehmen können. Ohne sie würden die Rippen unter der Gesteinslast nach außen gedrückt – die Kuppel würde bersten.“[15] Diese gewagte Kuppelkonstruktion hatte nachhaltige Konsequenzen für die Architektur der gesamten Renaissance und man ließ lange Zeit in der Kunstgeschichte mit diesem Kuppelbau von 1420-1436 auch die eigentliche Renaissance beginnen.

Gegen diese Sichtweise ist aber einiges einzuwenden. Die Kuppel war unzweifelhaft eine Glanzleistung, die von niemandem übertroffen worden ist, auch nicht von Michelangelo später am Petersdom in Rom. Aber in diesem Fall war Brunelleschi in erster Linie als Ingenieur gefordert, die in der Planung bereits festgelegte Vierungskuppel zu erbauen. „Das ganze Werk hat bezeichnenderweise ein spitzbogiges, gotisches Profil, denn es ist nach dem gotischen Prinzip der tragenden Rippen erbaut. Selbst wenn Brunelleschi die Kuppel des Pantheon studiert hat, um seine Technik zu vervollkommnen, haben die beiden Werke doch nichts miteinander gemein: die Kuppel des Pantheon ist eine echte Halbkugel, [...], die von den riesigen Mauern getragen wird. [...] Die Florentiner Kuppel ist ein ins Gigantische gesteigertes Spitzbogengewölbe, das als Kuppel getarnt ist. Nur in den untergeordneten Bauelementen erscheint der Stil Brunelleschis – und damit Renaissancekunst.“[16] Auch das Motiv des Kapellenkranzes, der sich um die Vierung herumlegt, kommt aus der nordeuropäischen Architektur, ist also Gotik (oder sogar Romanik) und keine Renaissance.

Das erste wirkliche Renaissance-Bauwerk Brunelleschis ist die nicht weit entfernte Kirche von San Lorenzo.

Es ist übrigens wahrscheinlich nicht so, dass Brunelleschi von Anfang an sich über alle Details der Konstruktion im Klaren gewesen ist. Auf viele Ideen kam er erst während der 16jährigen Bauzeit. Und der obere spätere Teil der Kuppel war der schwierigere, weil hier die Wölbung wesentlich stärker ist. So ganz genau sind wir über Brunelleschis Pläne und Phantasien aber nicht informiert, weil er in dieser Hinsicht sehr schweigsam war. Er hatte eine panische Angst davor, dass andere ihm seine Ideen wegstehlen könnten – es gab damals noch kein Patentrecht. Und deshalb informierte er nur seine nächsten Mitarbeiter über seine Pläne – und das auch nur spät. Brunelleschi ist in Sichtweite des Domes aufgewachsen, kannte von Kindesbeinen an die Probleme, die seine Vorgänger mit der Wölbung hatten, informierte sich jahrelang auch in Rom über antike Architektur und hatte mit Sicherheit diverse Pläne im Kopf, wie eine solche Kuppel zu konstruieren sei. Aber er wusste, dass er der einzige war, der so etwas konnte, und behielt sein Wissen möglichst bei sich. Wenn er für sich selber Pläne aufzeichnete, bediente er sich einer eigenen Geheimschrift, die kein anderer lesen konnte.

‚Eisenkette’

So gibt es beispielsweise seit ewigen Zeiten Gerüchte über eine Eisenkette, die Brunelleschi angeblich zusätzlich zu den bekannten Steinketten um den Sockel der Kuppel hat legen lassen. Eine magnetische Untersuchung, die in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts durchgeführt wurde, erbrachte keinen Beweis, dass diese Ketten tatsächlich existieren.[17]

Holzkette

Was es aber wirklich gibt außer den vier Steinketten ist eine 1424 hinzugefügte Holzkette 7½ Meter über der untersten Steinkette – bestehend aus Balken aus Kastanienholz von sechs Metern Länge und einem Querschnitt von 30 x 30 Zentimetern. Dieses Holz musste gefunden und sorgfältig mit einem speziellen Verfahren verarbeitet werden, was mehrere Jahre in Anspruch nahm. Dass man außer an Stein- auch an Holzketten dachte hat damit zu tun, dass man eine solche Holzkonstruktion für widerstandsfähiger bei Erdbeben hielt. Bei der Hagia Sophia in Konstantinopel war man so vorgegangen und bei einigen anderen Bauten in den gefährdeten Gebieten beispielsweise in Persien. Und tatsächlich erlitt die cupola bei den Erdbeben von 1510, 1675 und 1895 keine Schäden. Die Holzkette musste übrigens im 18. Jh. ausgetauscht werden, weil das Holz zu verrotten begann.

Baumaschinen

Zu Brunelleschis Glanzleistungen zählen u.a. auch die Maschinen, die er entworfen hat, um mit ihnen die Steine in die Höhe zu ziehen. Hier waren Konstruktionen notwendig, die zur damaligen Zeit noch nicht existierten. Die Materialaufzüge und Kräne, die Filippo entwarf, wurden zu den meistbewunderten mechanischen Geräten der Renaissance. Das Seil für den Lastenaufzug wurde in Pisa bestellt, einer Hochburg des Schiffsbaus. Aber auch die dortigen Fachleute sahen sich einer neuen Aufgabe gegenüber, denn es wurde das längste und schwerste Seil benötigt, das jemals angefertigt worden war: 180 Meter lang, mehr als sieben Zentimeter dick und mit einem Gewicht von nahezu einer halben Tonne. Dieser Aufzug bewegte täglich ca. 50 Mal die Steine in die Höhe, also ungefähr eine Fuhre alle zehn Minuten.

Bevor die einzelnen Steine in der Kuppel eingesetzt wurden, mussten sie natürlich genau zugehauen werden. Die Schablonen dafür wurden auf einem Grundstück hergestellt, das Brunelleschi im Sommer 1420 flussabwärts auf einem Uferbereich des Arno auf einer Fläche von 800 m² präpariert hatte. Dort wurde ein Plan der Kuppel im Verhältnis 1:1 in den Sand geritzt. Bei den gotischen Kathedralen Nordeuropas war man ähnlich vorgegangen. Diese Schablonen von über 2½ Metern Größe wurden anschließend am Mauerwerk der inneren Kuppelschale befestigt und dienten als Richtmaß.[18]

Ziegel

Bei der Herstellung der Ziegel ging man ebenfalls von Schablonen aus, da nicht nur einheitliche Maße benutzt wurden, sondern auch außergewöhnliche – dreieckige Formen, Ziegel mit Verzahnungen oder mit hervorstehendem Rand, Ziegel, die genau in die Ecken passten etc. Aber bis es überhaupt so weit war, musste ein langer Weg zurückgelegt werden.

Die Brennöfen befanden sich nicht in der Stadt, sondern auf dem Land in der Nähe der Tongruben. Es war natürlich etwas anderes, ob man Ziegel brauchte für ein kleines Haus, die man im Bedarfsfalle leicht ersetzen konnte, oder ob es sich um Ziegel handelte für die Riesenkuppel von Florenz, wo ein kleiner Fehler massive Konsequenzen haben könnte. Jedenfalls gab es umfangreiche Regeln dafür, wie und wo und wann der Ton gewonnen werden sollte, wie lange er vor dem Brennen trocknen sollte – das konnte bis zu zwei Jahren dauern -, wie der Mörtel beschaffen sein sollte usw.

Kurz gesagt kam der geknetete Mörtel in die Holzformen und wurde vorgehärtet. Dann kam als letzter Arbeitsgang das Brennen, das mehrere Tage dauerte. Doch weil die Temperatur im Ofen 1000 Grad Celsius betrug, mussten die Ziegelbrenner zwei Wochen warten, bis die Ziegel sich soweit abgekühlt hatten, dass sie zur Baustelle transportiert werden konnten. Ein Brennofen konnte im Durchschnitt 20.000 Ziegel aufnehmen; wurde er alle drei Wochen befeuert, ergab dies eine jährliche Kapazität von mehr als 300.000 Ziegeln. Doch selbst bei dieser gewaltigen Leistung hätte es mit nur einem Brennofen mehr als 13 Jahre gedauert, die für den Bau der Kuppel erforderlichen vier Millionen Ziegel herzustellen.[19]

War alles so weit fertig und alles an Ort und Stelle, dann konnte man immer noch nicht so schnell arbeiten, wie man gekonnt hätte. Die insgesamt acht Maurermannschaften mussten stets warten, bis der Mörtel des zuletzt gemauerten Horizontalrings die erforderliche Festigkeit erreicht hatte, bevor der nächste Ring gemauert werden konnte. Die durchschnittliche Geschwindigkeit wurde auf weniger als einen fertig gemauerten Ring in der Woche geschätzt, was bedeuten würde, dass die Kuppel jeden Monat um ungefähr 30 Zentimeter in die Höhe wuchs.

Trotz dieser ganzen extrem schwierigen Arbeitsbedingungen ist während der 16jährigen Bauzeit der Kuppel nur ein einziger Arbeiter ums Leben gekommen.

Loggia

Am Ansatz der Kuppel wurde 1508-12 versucht, eine Loggia anzubringen, die den gesamten Ostbau plastisch aufgelockert hätte und die auch zu Brunelleschis Plan gehörte. Aber deren Gestaltung ist zu zierlich geraten und – der Überlieferung nach – soll Michelangelo sich sehr abschätzig über diese Idee geäußert haben – ‚sie sehe aus wie ein Grillenkäfig’ -, weshalb der Plan nicht vollendet wurde.

Risse

Insgesamt wiegt allein die Kuppel ca. 37.000 Tonnen und sie hat bis heute gehalten, trotz der insgesamt 1.500 Haarrisse, die mittlerweile aufgetreten sind. Das Phänomen der Risse ist an sich nicht neu. Angeblich sollen schon um 1500, also kurz nach der Konstruktionszeit, solche Risse aufgetreten sein. Jetzt scheinen die Risse so zahlreich zu werden, dass man überlegt, Maßnahmen gegen sie zu ergreifen.

Man weiß nicht, wie Brunelleschi selber dieses Problem gesehen hat, denn er hat keinerlei Aufzeichnungen hinterlassen. Michelangelo hat bei der Konstruktion der Kuppel des Petersdomes in Rom eine schwere Eisenkette um deren Sockelzone vorgesehen. Als Grund für die jetzt zunehmend auftretenden Risse in Florenz werden von fachlicher Seite die normalen Temperaturschwankungen angegeben, die im Laufe der Jahrhunderte dem Mauerwerk langsam zugesetzt hätten. Eine Lösung des Problems ist trotz zahlreicher Kommissionen offenbar noch nicht in Sicht, deren erste bereits 1934 angetreten war. Aktuell wird die Kuppel durch ständiges Deformationsmonitoring überwacht, um kleinste Veränderungen sofort nachvollziehen zu können.

Andererseits gilt: „Da in der Regel schon beim Ausschalen des Gewölbes solche Spannungen auftreten und erste Risse provozieren, ist der gerissene Zustand als der normale anzusehen und das jeweilige Rißbild im Gewölbe Zeichen einer letztlich individuellen Statik.“[20]

Treppensystem

Brunelleschi baute die Kuppel auf einem hohen Tambour in den besagten zwei Schalen, wobei die innere Schale die tragende und daher dickere ist. Die äußere dient lediglich der Bedachung. Zwischen beiden Schalen liegt ein Treppensystem, das über 463 Stufen begehbar ist und auf die Laterne an der Kuppelspitze in 106 Meter Höhe führt.

Nachwirkungen des Florentiner Kuppelbaus

Dieser gewaltige Kirchenbau, dessen Konzeption bereits 1367 festgelegt war, sollte Ausdruck des Stolzes einer Stadt sein, die damals ein außerordentliches Maß an Macht und Reichtum erworben hatte und zusammen mit wenigen anderen zu den größten Städten der damaligen Welt zählte. Florenz hatte gegen Ende des 13. Jhs. ungefähr 100.000 Einwohner.

Er ist in seiner Größe als gemauerte Kuppel nie übertroffen worden. Die St. Paul’s Kathedrale von Christopher Wren um 1700 in London ist mit einem Durchmesser von 34 Metern etwa zehn Meter kleiner, und auch die Kuppel des Kapitols in Washington 1857 hat nur einen Durchmesser von 29 Metern. Erst im 20. Jahrhundert wurden Kuppeln mit größerem Durchmesser gebaut, allerdings ausschließlich unter Verwendung moderner Materialien wie Plastik, Flussstahl und Aluminium, die den Bau riesiger Gewölbe und Kuppeln erlauben wie beispielsweise das Astrodome in Houston oder die leichten, geodätischen, vorgefertigten Kuppeln des Erfinders Richard Buckminster Fuller. In diese Gruppe gehören auch die Riesenkuppeln des Audienzsaals des Vatikans und der Palazzo dello Sport in Rom mit seiner Betonkuppel von 60 Metern Durchmesser. Aber diese Gebilde kann man ernsthaft nicht mit Brunelleschi vergleichen.

Literatur

  • Jestaz, Bertrand: Die Kunst der Renaissance. Freiburg-Basel-Wien. 1985
  • King, Ross: Das Wunder von Florenz. Architektur und Intrige: Wie die schönste Kuppel der Welt entstand [2000]. München 3. Auflage 2001
  • Lemaître, Alain J.: Florenz und seine Kunst im 15. Jahrhundert. Paris 1992, S. 142;
  • Nußbaum, Norbert / Sabine Lepsky: Das gotische Gewölbe. Die Geschichte seiner Form und Konstruktion. Darmstadt / Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1999
  • Preiser, Christian: Gut gewölbt ist halb gekuppelt. FAZ vom 30. September 1997
  • Scaglia, Gustina: Der Bau der Florentiner Domkuppel. In: SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT Nr. 3/1991
  • Toman, Rolf (Hrsg.): Die Kunst der italienischen Renaissance. Architektur – Skulptur – Malerei – Zeichnung. Köln 1994
  • Zimmermanns, Klaus: Florenz. Köln [1984] 6. Auflage 1990

Quellen

  1. Zimmermanns, Klaus: Florenz. Köln [1984] 6. Auflage 1990, S. 75; Toman, Rolf (Hrsg.): Die Kunst der italienischen Renaissance. Architektur – Skulptur – Malerei – Zeichnung. Köln 1994, S. 261
  2. Lemaître, Alain J.: Florenz und seine Kunst im 15. Jahrhundert. Paris 1992, S. 142; Zimmermanns, Klaus: Florenz. Köln [1984] 6. Auflage 1990, S. 75
  3. Jestaz, Bertrand: Die Kunst der Renaissance. Freiburg-Basel-Wien. 1985, S. 23
  4. Zimmermanns, Klaus: Florenz. Köln [1984] 6. Auflage 1990, S. 23
  5. Zimmermanns, Klaus: Toscana. Köln [1980] 3. Auflage 1980, S. 138
  6. Genaueres s. Toman, Rolf (Hrsg.): Die Kunst der Gotik. Architektur – Skulptur – Malerei. Köln 1998, S. 254
  7. King, Ross: Das Wunder von Florenz. Architektur und Intrige: Wie die schönste Kuppel der Welt entstand [2000]. München 3. Auflage 2001, S. 51
  8. Scaglia, Gustina: Der Bau der Florentiner Domkuppel. In: SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT Nr. 3/1991, S. 106
  9. Preiser, Christian: Gut gewölbt ist halb gekuppelt. FAZ vom 30. September 1997, S. 6
  10. King, Ross: Das Wunder von Florenz. Architektur und Intrige: Wie die schönste Kuppel der Welt entstand [2000]. München 3. Auflage 2001, S. 64
  11. King, Ross: Das Wunder von Florenz. Architektur und Intrige: Wie die schönste Kuppel der Welt entstand [2000]. München 3. Auflage 2001, S. 73
  12. Preiser, Christian: Gut gewölbt ist halb gekuppelt. FAZ vom 30. September 1997, S. 6
  13. S. auch Lemaître, Alain J.: Florenz und seine Kunst im 15. Jahrhundert. Paris 1992, S. 68
  14. King, Ross: Das Wunder von Florenz. Architektur und Intrige: Wie die schönste Kuppel der Welt entstand [2000]. München 3. Auflage 2001, S. 59
  15. Scaglia, Gustina: Der Bau der Florentiner Domkuppel. In: SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT Nr. 3/1991, S. 108
  16. Jestaz, Bertrand: Die Kunst der Renaissance. Freiburg-Basel-Wien. 1985, S. 525
  17. King, Ross: Das Wunder von Florenz. Architektur und Intrige: Wie die schönste Kuppel der Welt entstand [2000]. München 3. Auflage 2001, S. 108
  18. King, Ross: Das Wunder von Florenz. Architektur und Intrige: Wie die schönste Kuppel der Welt entstand [2000]. München 3. Auflage 2001, S. 122
  19. King, Ross: Das Wunder von Florenz. Architektur und Intrige: Wie die schönste Kuppel der Welt entstand [2000]. München 3. Auflage 2001, S. 133
  20. Nußbaum, Norbert / Sabine Lepsky: Das gotische Gewölbe. Die Geschichte seiner Form und Konstruktion. Darmstadt / Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1999, S. 14

Weblinks

43.77333333333311.2563888888897Koordinaten: 43° 46′ 24″ N, 11° 15′ 23″ O


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