Dieter Asmus

Dieter Asmus
Dieter Asmus vor seinem Bild Froschtest (Dr. Rock)

Dieter Asmus (* 1. März 1939 in Hamburg) ist ein zeitgenössischer deutscher Maler und Grafiker des Neuen Realismus. Er lebt und arbeitet in Hamburg.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Dieter Asmus wurde 1939 in Hamburg geboren und ist dort, abgesehen von einer dreieinhalbjährigen Aussiedlung während des Krieges – da lebte er in dem kleinen Dorf Gundelsby im Norden Schleswig-Holsteins – aufgewachsen. Sein Vater wollte einen Bankbeamten aus ihm machen. Er hingegen war mehr von Zeichnungen als von Zahlen fasziniert: Die realistischen Bilder der „Häschenschule“ und später „Prinz Eisenherz“ zogen ihn magisch an.

Nach dem Abitur studierte er von 1960 bis 1967 an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Hier herrschte, wie Asmus 1972 in einen Interview formulierte, abstrakter Akademismus vom Keller bis zum Dach. Gegenständliches Malen galt als ganz und gar unmodern. Aber gerade darum ging es ihm! Sein Ziel war, eine Möglichkeit zu finden, die sichtbaren Erscheinungen der Welt wieder ins Bild zu bringen, ohne dabei auf vorabstrakte Gegenstandsvorstellungen des 19. oder frühen 20. Jahrhunderts zurückzugreifen. Gemeinsam mit Peter Nagel, Dietmar Ullrich und Nikolaus Störtenbecker entwickelte er in vierjähriger Arbeit die formalen Grundlagen eines Neuen Realismus. Als 1964/65 die ersten realistischen Bilder vorlagen und der Öffentlichkeit präsentiert werden sollten, gründeten die genannten Künstler die Gruppe ZEBRA.

Seit Ende der 60er Jahre werden Arbeiten von Dieter Asmus in zahlreichen Einzel- und Gruppenpräsentationen im In- und Ausland gezeigt, wobei die Ausstellungen in London, Rom, Kopenhagen, Paris und Rotterdam besonders hervor zu heben sind. Etwa 50 Arbeiten befinden sich in öffentlichen Sammlungen (Staatsgalerie Stuttgart, Albertina Wien, Nationalgalerie Berlin, Nationalgalerie Moderner Kunst in Rom, Hamburger Kunsthalle u. a.).

Dieter Asmus ist seit 1985 Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg.

Werk

Besucher vor dem Ölbild Ski-Urlauberin

Was die Ausdrucksrichtung seiner Bilder betrifft, so vermittelt das scheinbare Fehlen der persönlichen Handschrift ein erstes deutliches Signal: Nicht die besondere Faktur, nicht also die spezifische Individualität des Künstlers steht im Vordergrund, sondern die jeweils dargestellte Situation. (Nichtsdestoweniger sind seine Bilder mit denen Anderer kaum verwechselbar.)

Bemerkenswert ist zweitens, in welch starkem Maße Stilmittel der Fotografie (Anschnitt, Ausschnitt, Schnappschuss, Farbstichigkeit, Frosch- und Vogelperspektive etc.) in das malerische Konzept integriert sind. Diese Einbindung fotografischer Elemente verleiht den Sujets etwas animierend Befremdliches und stellt zudem klar, dass die Problematik medienvermittelter Realität hier durchaus bewusst ist. Augenfällig ist drittens die extreme, auch kleinste Details erfassende Plastizität der Gegenstände und Figuren, die meist – und dadurch tritt ihr Volumen noch deutlicher zu Tage – vor tapezierten oder gekachelten Wänden, oft auch vor glattem Himmelblau postiert sind. Daß sie dabei tatsächlich funktionieren, also nachvollziehbar „richtig“ stehen, liegen, fliegen (die funktionale Sicht) wäre als weiterer wichtiger Punkt zu nennen. Im Zusammenwirken dieser Gestaltungsmittel findet statt, was Asmus die komplexe Neuerstellung von Dingen im Bild genannt hat.

In der Art und Weise, wie Menschen und Dinge gesehen sind, wie sie auf die Bildfläche zurückkehren, im Modus ihrer Präsenz also, wird erkennbar, was das Neue am Neuen Realismus ist: Gemeint sind Gegenstände und Figuren nicht mehr als Motiv oder „Vorwurf“ zur Entfaltung künstlerischer Großgesten, ebenso wenig – man denke an Pop-Art und Fotorealismus – als Helfershelfer der Medienreflexion. Sie dienen auch nicht – deformiert oder idealisiert zu Symbolen – der Veranschaulichung von Idealen oder Ideologien. All das, was sie in der so genannten gegenständlichen Kunst vielfach repräsentieren mussten und weitgehend noch immer müssen, sind sie hier nicht, sondern – und darin liegt das radikal Neue, genauer, das Erneuernde des Neuen Realismus à la Asmus – Menschen und Dinge zeigen sich emanzipiert; wieder erkannt in ihrer „phänomenalen Gegenwärtigkeit“: als Apologeten einer Welt, die – wie es der Philosoph Hermann Schmitz bereits in den 1970er Jahren formulierte – die durch fortschreitende Rationalisierung und Digitalisierung vom Verschwinden bedroht ist.

Die Pastelle

Ausgelöst durch Mengen an Motiven, die sich in seiner Mappe der „Spitzenreiter“ angesammelt hatten, und befördert durch die Einsicht, dass sich via Ölmalerei nur ein Bruchteil dessen würde realisieren lassen (an „Katze und Maus“ z. B. arbeitete er länger als ein Jahr), entsteht in den 90er Jahren ein Konvolut von sieben großformatigen Pastellen u. a. „Fixerin“, „Teufelsaustreibung“, „Selbstmörderin (auf Autodach)“). In seinen Ölbildern – „Katze und Maus“ z. B. – erhalten die Gegenstände und Figuren eine fast utopische, neben der Welt stehende, kalt strahlende, durch den Geist der Anschauung erzwungene Dinghaftigkeit, als würde den Begriffen ihr jeweiliges Inbild entgegengehalten: eine vehemente Apologie, ein Wieder-in-Kraft-Setzen der Dinge! In den Pastellen hingegen werden ihre Konturen „angelöst“, die Oberflächen poröser; sie scheinen zu atmen. Die imaginäre Glaswand zwischen Bild und Betrachter verschwindet; die zuvor bestehende Distanz zur dargestellten Situation, forciert durch die Drastik der Motive, verringert sich. Durch die Pastelle erweitert Dieter Asmus das Spektrum seiner Ausdrucksmöglichkeiten beträchtlich und erreicht hier eine optimale Balance zwischen den beiden Extremen, nach denen sich künstlerische Arbeit ausrichten kann: Die Kraft der Form ist ebenso spürbar wie die Faszination des Realen.

Farbiges Kunstlicht

Bereits während der Pastell-Phase, verstärkt ab 2000, beschäftigt sich Asmus in kleinformatigen Bildern (Öl auf Karton) mit farbigem Kunstlicht, ein kompliziertes Vorhaben u .a. deshalb, weil er nicht lasiert, sondern „alla prima“ malt. D. h., das Inkarnat des Jazz-Pianisten z. B. in „Blumen für Petrucciani“, sein de facto weißes Dinnerjacket oder die nach hinten leicht abschattierte Tastatur des Klaviers u. a. m. erhalten durch das getönte Bühnenlicht einen Gelbstich, der auf den diversen Oberflächen (Haut, Textilien, Kunststoff) unterschiedliche Gelbtöne erzeugt, die „auf einen Schlag“ „sitzen“ –, ansonsten noch einmal gemalt werden müssen. Weshalb diese schweißtreibende Prozedur? Verfremdungseffekte werden in der Regel nicht willkürlich ins Bild gesetzt, sondern deshalb, weil bekannte Dinge dem Künstler tatsächlich befremdlich erscheinen, da z. B. die Fotografie von ihnen neue, der allgemeinen Vorstellung zuwiderlaufende Bilder liefert oder sich der Modus ihrer Präsenz verändert hat, wie das etwa bei einem Zebrastreifen unter orangefarbenem Kunstlicht der Fall ist. An diesem Punkt beginnt (u. a.), was gemeinhin Erneuerung der Welt durch die Kunst genannt wird, und die farbige Beleuchtung ist eine der zeitgenössischen Möglichkeiten, eine veränderte Sicht der Dinge anzubieten: Sie werden neu gesehen, „erkannt“, nicht – wie bis dahin – nur wiedererkannt.

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