Die Toteninsel

Die Toteninsel
Die Toteninsel
Arnold Böcklin
 
Urversion, 1880
Öl auf Leinwand, 111 cm × 115 cm
Kunstmuseum Basel

 
Zweite Version, 1880
Öl auf Holz, 74 cm × 122 cm
Metropolitan Museum of Art, New York

 
Dritte Version, 1883
Öl auf Holz, 80 cm × 150 cm
Alte Nationalgalerie, Berlin

 
Vierte Version (s/w-Foto), 1884
Öl auf Kupfer, 81 cm × 151 cm
zerstört in Berlin während des Zweiten Weltkrieges

 
Fünfte Version, 1886
Öl auf Holz, 80 cm × 150 cm
Museum der bildenden Künste, Leipzig

Die Toteninsel ist der Titel der wohl bekanntesten Gemälde von Arnold Böcklin. Der Titel stammt nicht von Böcklin, sondern von dem Kunsthändler Fritz Gurlitt, obwohl Böcklin in einem Brief selbst auch schon den Namen Toteninsel benutze.[1] Von den ursprünglich fünf Versionen sind vier noch in Museen zu sehen.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt der Gemälde

Böcklin malte insgesamt fünf Versionen dieses Sujets zwischen 1880 und 1886.[2] Jede zeigt eine steil aus dem Meer emporragende Felseninsel, die mittig mit Trauerzypressen bewachsen ist. In die Felsen sind Nischen als Grabkammern eingelassen. Auf die Insel steuert ein Nachen zu, in dem sich eine schneeweiß verhüllte Gestalt, ein ebenfalls schneeweißer Sarg und der Ruderer befinden. Entsprechend der griechischen Mythologie wäre der Bootsführer Charon und das Gewässer der Totenfluss Acheron oder Styx, über den Charon den weißgekleideten Verstorbenen zur Grablegung übersetzt. Optisches Vorbild Böcklins, der zur Zeit der Entstehung der ersten drei Versionen in Florenz lebte, sollen aber die Pontinischen Inseln, eine Inselgruppe vulkanischen Ursprungs vor der Küste Latiums, gewesen sein. Dass die dem Gemälde gleichende griechische Insel Pontikonisi in der Nähe von Korfu Vorbild war, ist unwahrscheinlich, da sich Böcklin nie auf Korfu aufhielt.

Geschichte der fünf Versionen

Max Klinger: Die Toteninsel (Radierung, 1890)

Böcklin vollendete die erste Version im Mai 1880 auf Bestellung des Mäzens Günther Alexander, Böcklin behielt diese Version allerdings. Noch während der Arbeit an diesem Bild gab im April 1880 Marie Berna, Witwe von Georg Berna und spätere Gattin von Waldemar von Oriola, den Auftrag eines „Bildes zum Träumen“. Böcklin fertigte ihr eine zweite Version der Toteninsel, anfangs noch ohne Sarg und die weiße Gestalt, die er aber bald in dieser und der ersten Version ergänzte. Er nannte diese Version auch „Die Gräberinsel“.[3][4]

Die dritte Version entstand 1883 für Böcklins Galeristen Fritz Gurlitt, der mit einer 1890 von Max Klinger geschaffenen Radierung dieser Version einen Verkaufserfolg erzielen wollte. 1933 wurde diese Version auf dem Kunstmarkt angeboten und von Adolf Hitler erworben, der das Werk bewunderte.[5] Er hängte es zunächst auf dem Berghof auf, ab 1940 in der Berliner Neuen Reichskanzlei.

Aufgrund von Geldnöten entstand 1884 die vierte Version des erfolgreichen Sujets. Sie wurde später von dem Kunstsammler Heinrich Baron Thyssen erworben und in seiner Berliner Bankfiliale aufgehängt. Dort verbrannte sie durch einen Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg. Es existiert davon nur noch eine Schwarzweiß-Fotografie. Die fünfte Version wurde 1886 vom Museum der bildenden Künste in Leipzig bestellt, wo sie noch heute hängt.

Bedeutung

Das Bild ist stark autobiographisch geprägt, das Thema Tod spielte in Böcklins Leben als auch in seinen Werken immer eine bedeutende Rolle. Im Leben verlor er 8 seiner 14 Kinder; er selbst erkrankte an Typhus und erlitt einen Schlaganfall. Ab der dritten Version versah Böcklin eine der Grabkammern in den Felsen mit seinen Initialen. Einige sehen hierin auch einen Abgesang auf die europäische Kultur an der Schwelle zum technisierten 20. Jahrhundert. In seinen weiteren Bildern beschäftigt er sich z .B. im Porträt der sterbenden Kleopatra oder dem fiedelnden Tod mit diesem Thema.

Die morbide Atmosphäre der Toteninsel begründete schnell eine große Popularität im Fin de siecle, die bis heute angehalten hat. Die Bilder hatten darüber hinaus großen Einfluss auf spätere Maler, es gibt bis heute unzählige „Neuinterpretationen“.

Daten der fünf Versionen

Die Lebensinsel

Arnold Böcklin: Die Lebensinsel (1888)

1888 fertigte Böcklin ein Bild mit dem Titel Die Lebensinsel. Es stellt, möglicherweise als Gegenpol, ebenfalls eine kleine Insel dar, allerdings mit ausgelassen badenden Göttern, einigen Schwänen, einer Gruppe von Menschen auf der Insel und verschiedenartigstem Baumbewuchs dort (im Gegensatz zur Toteninsel an den Rändern). Es hängt, wie die erste Version der Toteninsel, im Kunstmuseum Basel.

Rezeption

Werke der klassischen Musik (in chronologischer Reihenfolge)

  • Heinrich Schulz-Beuthen: Die Toteninsel, Sinfonische Dichtung, 1890.
  • Andreas Hallén: Die Toteninsel, 1898.
  • Sergei Rachmaninow: Die Toteninsel, Tondichtung für großes Orchester, op. 29 (1909); die mit Abstand bekannteste Vertonung.
  • Felix Woyrsch: Die Toteninsel in Drei Böcklin-Fantasien für großes Orchester, op 53 (1910).
  • Max Reger: Die Toteninsel in Vier Tondichtungen nach Arnold Böcklin op. 128 als Nr. 3 (1913); sein Schüler Fritz Lubrich jun. komponierte im selben Jahr „Drei romantische Tonstücke nach Böcklinschen Bildern“ für Orgel op. 37 (Nr. 3 Toteninsel).

Werke der Literatur

  • Heinrich Mann: Die Göttinnen. Die Insel wird hier beschrieben, allerdings wird der Name des Bildes nicht erwähnt und es handelt sich auch nicht um eine Bildbeschreibung.
  • Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker. Im Zimmer eines Verschwundenen hängt das besagte Bild. Es dient hier wie in unzähligen anderen Adaptionen als Vorbote von Unheil.
  • Thomas Lehr: Nabokovs Katze. Hier wird die Toteninsel in einem Krankenzimmer aufgehängt.
  • August Strindberg: Die Geistersonate. Am Ende des Stückes erscheint die Toteninsel im Hintergrund, begleitet von sanfter, ruhiger und leicht melancholischer Musik.
  • Lena Falkenhagen: Die Boroninsel. Die auf dem Titelbild abgebildete namensgebende Insel ist sehr offensichtlich an die fünfte Version des Gemäldes angelehnt, wie auch der Romantitel in der Fantasywelt, in welcher die Erzählung spielt, ein Synonym des Bildtitels ist.
  • Richard Voß: Die Todteninsel. Durch das Bild inspirierte Zeitschriften-Novelle, spielt in der Zeit der Christenverfolgung im alten Rom.

Film
Neben Kurzfilmen, die zumeist die Fahrt zur Toteninsel thematisieren, dient das Bild in I walked with a Zombie (1943) zur Verdeutlichung des oben genannten. Man sieht es sehr deutlich in einer Nachtszene über dem Bett der Hauptdarstellerin platziert.

Der Produzent von I walked with a Zombie, Val Lewton, thematisierte die Toteninsel noch ein weiteres Mal in dem Film Isle of the Dead (1945). Zu Beginn ist das Originalbild während der Titeleinblendungen zu sehen. Der ganze Film spielt dann auf einer griechischen Insel – die Studiokulisse ist ein exakter Nachbau von Böcklins Gemälde. Die Pest hat eine Gruppe von Menschen hier eingeschlossen, die meisten von ihnen kommen zu Tode. General Pherides (gespielt von Boris Karloff) rudert am Anfang mit einem Nachen auf die Insel und entspricht so der Fährmannsgestalt auf Böcklins Bild.

Kunst und Comic

  • 1977 zeichnete der Schweizer Künstler H. R. Giger seine Hommage an Böcklin. In dem Bild wird die Toteninsel im giger-typischen, biomechanischen Stil gezeigt.
  • Der italienische Comiczeichner Gipi hat eine Alltagsversion der Toteninsel aquarelliert, die in seinem Blog zu betrachten ist.
  • Der Comic Die Toteninsel von Guillaume Sorel (Zeichnungen) und Thomas Mosdi (Szenerio) vermischt das Motiv der Toteninsel mit Elementen des Cthulhu-Mythos von H. P. Lovecraft.
  • Der deutsche Maler Michael Sowa schuf eine Parodie auf das Gemälde Böcklins. In seiner Version fällt die weißgekleidete Gestalt wild mit den Armen rudernd rücklings vom Boot.
  • In dem Anime Kuroshitsuji wird die Toteninsel als Ort der Übergabe von Ciels Seele an Sebastian gezeigt.

Literatur

  • The Metropolitan Museum of Art: German Masters of the Nineteenth Century. Paintings and Drawings from the Federal Republik of Germany. Harry N. Abrams, New York 1981, ISBN 0-87099-263-5

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Nach Fertigstellung der ersten Version des Bildes schickte Böcklin seinem Auftraggeber Alexander einen Brief mit den Worten „Endlich ist die Toteninsel soweit fertig, daß ich glaube, sie werde einigermaßen den Eindruck machen…“
  2. The Metropolitan Museum of Art. S. 62
  3. An Marie Berna schrieb Böcklin am 29. Juni 1880: „Am letzten Mittwoch ist das Bild ‚Die Gräberinsel‘ an sie abgegangen. Sie werden sich hineinträumen können in die Welt der Schatten, bis sie den leisen lauen Hauch zu fühlen glauben, den das Meer kräuselt. Bis sie Scheu haben werden die feierliche Stille durch ein lautes Wort zu stören.“
  4. Den Titel „Die Gräberinsel“ verwendet Böcklin selbst scheinbar bis zum Ende seines Lebens. Anlässlich eines Glückwunschtelegramms vom Grafen Oriola zu seinem 70. Geburtstag bezieht er sich auf „die glücklichen Besitzer der Gräberinsel“.
  5. Birgit Schwarz: Geniewahn. Hitler und die Kunst. Böhlau, Wien; Köln; Weimar 2009, ISBN 978-3-205-78307-7, besonders S. 152 ff.

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