Die Leiden des jungen Werthers

Die Leiden des jungen Werthers
Werther (Zeichnung von Chodowiecki)
Lotte (Zeichnung von Chodowiecki)
Werther und Lotte mit ihren Geschwistern (Bleistift- und Sepiazeichnung von Johann Daniel Donat)

Die Leiden des jungen Werthers lautet der ursprüngliche Titel des von Johann Wolfgang von Goethe verfassten Briefromans, in dem der junge Rechtspraktikant Werther bis zu seinem Freitod über seine unglückliche Liaison zu der mit einem anderen Mann verlobten Lotte berichtet. Er war nach dem nationalen Erfolg des Dramas Götz von Berlichingen (1773) Goethes zweiter großer, jetzt sogar europäischer Erfolg (1774) und ist, wie der Götz, ebenfalls der Epoche des Sturm und Drang zuzuordnen.

Die Erstausgabe erschien im Herbst 1774 zur Leipziger Buchmesse und wurde gleich zum Bestseller. 1787 überarbeitete Goethe den Roman, wobei unter anderem das Genitiv-s im Titel entfiel. Der Roman ließ Goethe 1774 gleichsam über Nacht in Deutschland berühmt werden und gehört zu den erfolgreichsten Romanen der Literaturgeschichte.[1]

Die Handlung des Romans ist insofern autobiografisch, als Goethe hier seine platonische Beziehung zu der bereits verlobten Charlotte Buff literarisch verarbeitete.[2] Das Motiv für den tragischen Ausgang dieser Liebe, die Selbsttötung Werthers, lieferte Goethe der Suizid seines Freundes Karl Wilhelm Jerusalem, Gesandtschaftssekretär in Wetzlar. Der hatte sich in eine verheiratete Frau verliebt, die für ihn unerreichbar blieb. Die literarische Figur der Lotte im Roman trägt auch Züge von Maximiliane von La Roche, einer weiteren Bekanntschaft des jungen Goethe aus der Entstehungszeit des Romans.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Die Handlung erstreckt sich über den Zeitraum vom 4. Mai 1771 bis 24. Dezember 1772.

Als junger Mann entflieht Werther dem Stadtleben und siedelt sich zuerst in einer unbenannten Stadt, danach im benachbarten idyllischen Dorf „Wahlheim“ (Garbenheim) an. Er genießt es, in der Natur umherzustreifen, und verarbeitet seine Eindrücke immer wieder durch Zeichnungen. Eines Tages lernt Werther den Amtmann kennen, der ihn zu sich einlädt. Werther schiebt den Besuch jedoch auf und hat ihn bald vergessen. Auf der Fahrt zu einem Tanzvergnügen mit anderen jungen Leuten macht die Kutschgesellschaft beim Haus des Amtmanns Halt, um dessen Tochter Lotte abzuholen. Werther sieht sie, umringt von acht jüngeren Geschwistern, denen sie ihr Abendbrot von einem Brotlaib abschneidet, und ist tief beeindruckt von dieser Szene; vor allem aber von dem schönen Mädchen, das hier die Mutterrolle übernommen hat, da der Amtmann verwitwet ist. Während des Balls, dem Ziel des gemeinschaftlichen Ausflugs, fordert Lotte Werther auf, mit ihr zu tanzen. Als Lottes Freundinnen das glückliche Einverständnis, das Lotte und Werther beim Tanzen zeigen, bemerken, erinnern sie Lotte an einen gewissen Albert. Auf Werthers Nachfrage erklärt ihm Lotte, Albert sei „ein braver Mensch, mit dem sie so gut als verlobt“ sei.[3] Im Verlauf des Abends zieht ein Gewitter auf. Werther und Lotte betrachten anschließend vom Fenster aus die noch regenfeuchte, erfrischte Natur. Beiden kommt das gleiche Gedicht in den Sinn, eine Ode von Klopstock. Werther interpretiert dies als Ausdruck ihrer Seelenverwandtschaft und sucht von nun an immer öfter die Nähe Lottes.

Als Lottes Verlobter von einer Geschäftsreise zurückkehrt, ändert sich Werthers Stimmung allmählich. Es entsteht ein platonisches Dreiecksverhältnis. Albert und Werther freunden sich zunächst an. Als Werther aber bemerkt, dass er seinen starken Gefühlen für Lotte aus Rücksicht auf Albert nicht nachgeben darf, verlässt er das Dorf, um Abstand zu gewinnen. Werther arbeitet eine Zeitlang bei einem Gesandten am Hofe. Aber die Pedanterie seines Vorgesetzten und die bornierte Enge der höfischen Etikette lassen ihn erkennen, dass er in jener Gesellschaft nur eine Außenseiterrolle spielen und sich nicht mit ihr identifizieren kann. Als er eines Tages vom Grafen C. aus einer adeligen Runde vorsichtig hinauskomplimentiert wird, da sich viele Gäste von der Anwesenheit Werthers, eines Bürgerlichen, gestört fühlen, reicht er seine Kündigung ein. Er hält sich zuerst bei einem Fürsten auf und kehrt später nach Wahlheim und zu Lotte zurück.

Inzwischen sind Lotte und Albert verheiratet. Werther besucht Lotte dennoch immer wieder, bis diese sich bedrängt fühlt und ihn, auch auf Alberts Wunsch hin, bittet, vier Tage zu warten und sie erst zu Weihnachten wiederzutreffen. Als Werther Lotte trotzdem vor Ablauf dieser Frist in Alberts Abwesenheit aufsucht und ihr aus seiner Ossian-Übersetzung Gedichte vorliest, werden die beiden, wie früher bei der Klopstock-Szene, von ihren Gefühlen überwältigt. Doch sobald Werther Lotte leidenschaftlich zu umarmen und küssen beginnt, reißt diese sich verwirrt los, flüchtet und schließt sich im Nebenzimmer ein. Um Lottes Ehre und Ehe nicht weiter zu gefährden, beschließt Werther, sie nicht weiter zu behelligen und sich das Leben zu nehmen. Um Mitternacht vor Heiligabend schießt er sich an seinem Schreibtisch mit einer von Albert ausgeliehenen Pistole in den Kopf. Am nächsten Morgen wird er tödlich verwundet aufgefunden. Gotthold Ephraim Lessings Tragödie „Emilia Galotti“ liegt aufgeschlagen auf seinem Pult. Gegen zwölf Uhr mittags erliegt er seiner schweren Verletzung. Ein christliches Begräbnis bleibt dem Selbstmörder verwehrt.

Form

Goethe wählte die Form des Briefromans, die erst gegen Ende des zweiten Teils durch den Kommentar des fiktiven „Herausgebers“ abgelöst wird. Jean-Jacques Rousseaus Julie ou la Nouvelle Héloïse hatte dreizehn Jahre zuvor bewiesen, welch besonderer Effekt mit der Veröffentlichung eines scheinbar authentischen Liebesbriefwechsels erreicht werden konnte. Dass Goethe dieses Buch nicht nur kannte, sondern sich sogar mit seinem Helden Saint-Preux identifizierte, zeigt sich, wenn er im Rückblick auf die Wetzlarer Zeit schreibt: Und so nahm ein gemeiner Tag den andern auf, und alle schienen Festtage zu sein; der ganze Kalender hätte müssen rot gedruckt werden. Verstehen wird mich, wer sich erinnert, was von dem glücklich-unglücklichen Freund der Neuen Heloise geweissagt worden: Und zu den Füßen seiner Geliebten sitzend, wird er Hanf brechen, und er wird wünschen Hanf zu brechen, heute, morgen und übermorgen, ja, sein ganzes Leben.[4] Die Formel „heute, morgen und übermorgen, ja, ein ganzes Leben“ ist dem entscheidenden Brief in der Neuen Heloise entnommen, durch den der Protagonist von seinem Selbstmordplan abgebracht wird.[5]

Die erste Auflage des Romans erschien anonym und begann mit der kurzen Einleitung eines „Herausgebers“. Dass dieser ebenso die Fiktion eines Autors war wie die folgenden Briefe selbst, konnten die Leser dieser Ausgabe folglich nicht erkennen. Ein solcher Kunstgriff suggerierte vielmehr, es handele sich bei den Briefen um echte Schriftstücke, die (mit drei Ausnahmen) an Werthers besten Freund gerichtet waren. Dessen Rolle nimmt nun zwangsläufig der Leser ein: Er wird zum Mitwisser von intimen Gefühlen, die ein scheinbar authentischer Briefschreiber dem ihm am nächsten stehenden Menschen offenbart.

Indem der fiktive Herausgeber sich wiederholt zu Wort meldet, wird die Vorstellung erhärtet, dass es sich tatsächlich um echte Briefe handelt. Im Gegensatz zu Werthers stets emotionaler Sprache ist der Ton des Herausgebers zwar teilnehmend, aber durchweg sachlich. Letzteres unterstreichen besonders die in einem Roman sonst unüblichen Fußnoten, in denen der Herausgeber Orts- und Personennamen chiffriert, angeblich um tatsächlich existierende Personen zu schützen.

Rezeption

Die Leiden des jungen Werthers gilt als Schlüsselroman des Sturm und Drang. Er wurde in für damalige Zeiten sehr hohen Auflagen gedruckt und war Mitauslöser der sogenannten Lesesucht.[6] Dass sein Buch ein Welterfolg werden würde, war auch für Goethe nicht vorhersehbar.[7] Später schrieb er in seiner Autobiografie Dichtung und Wahrheit: „Die Wirkung dieses Büchleins war groß, ja ungeheuer, und vorzüglich deshalb, weil es genau in die rechte Zeit traf.“

Kontroverse

Der Roman rief bei Kritikern wie Befürwortern äußerst emotionale Reaktionen hervor. Viele bürgerliche Leser empfanden Werther als Störer des Ehefriedens, als Rebellen und Freigeist, der ihren moralischen und religiösen Wertvorstellungen widersprach. Sie warfen dem Buch außerdem vor, die Jugend zum Selbstmord zu verführen, und glaubten sich durch die nach seinem Erscheinen einsetzende „Selbstmordwelle“ bestätigt. Neuere Studien belegen allerdings lediglich ein knappes Dutzend solcher Suizide.

Dieselbe Kritik kam vor allem von kirchlicher Seite und von einigen zeitgenössischen Dichtern. Der konservative Theologe Lavater beispielsweise bezeichnete den Werther als „unchristlich“ und „jeglichem Anstand zuwider“. In einigen Regionen (z.B. in Leipzig, Kopenhagen und Mailand) wurde das Buch wegen seiner angeblichen Verherrlichung des Freitods sogar verboten. Goethe verwahrte sich gegen derlei Unterstellungen und argumentierte, er selbst sei durch sein eigenes Überleben das beste Beispiel dafür, dass man sich seinen Kummer vom Herzen schreiben müsse.

Allerdings stellte er bei der zweiten Ausgabe von 1775 vor den ersten und den zweiten Teil jeweils einen Motto-Vers, wobei letzterer wie folgt endete: „Sei ein Mann und folge mir nicht nach.“ Und der Suizid seiner 28 Jahre alten guten Bekannten Christiane von Laßberg im Januar 1778, vier Jahre nach Erscheinen des Werthers, brachte Goethe in große seelische Not, zumal die Tote ein Exemplar des Romans in ihrer Tasche gehabt haben soll. Johann Wilke (1998) führt auf diese Erfahrung zurück, dass Goethe den Werther tatsächlich überarbeitete. In der neuen, 1787 veröffentlichten Fassung, ging er stärker auf Distanz zum Helden und machte damit das Suizidmodell weniger attraktiv.[8]

Betroffen reagierte auch Lessing, dessen Schauspiel „Emilia Galotti“ Werthers letzte Lektüre war:

„Wenn aber ein so warmes Produkt nicht mehr Unheil als Gutes stiften soll: meynen Sie nicht, daß es noch eine kleine kalte Schlußrede haben müsste? Ein Paar Winke hinterher, wie Werther zu einem so abentheuerlichen Charakter gekommen; wie ein andrer Jüngling, dem die Natur eine ähnliche Anlage gegeben, sich dafür zu bewahren habe. Denn ein solcher dürfte die poetische Schönheit leicht für die moralische nehmen und glauben, dass der gut gewesen seyn müsse, der unsre Theilnehmung so stark beschäftiget. Und das war er doch wahrlich nicht. […] Also, lieber Göthe, noch ein Kapitelchen zum Schlusse; und je cynischer, je besser! (26. 10. 1774 an den Literaturhistoriker J. J. Eschenburg)“

Dem Bischof von Derby, Lord Bristol, der Goethe ebenfalls Verführung zum Suizid vorwarf, entgegnete der Autor:

„Und nun wollt Ihr einen Schriftsteller zur Rechenschaft ziehen und ein Werk verdammen, das, durch einige beschränkte Geister falsch aufgefasst, die Welt höchstens von einem Dutzend Dummköpfen und Taugenichtsen befreit hat, die gar nichts besseres tun konnten, als den schwachen Rest ihres bisschen Lichtes vollends auszublasen.“

Wilhelm Amberg: Vorlesung aus Goethes „Werther“, 1870

Die überwiegende Zahl der Leser waren jedoch begeisterte Anhänger des Romans. Vor allem unter den Jugendlichen brach ein regelrechtes Werther-Fieber aus, das den Protagonisten zu einer Kultfigur werden ließ, deren blauen Frack mit Messingknöpfen, gelbe Weste, braune Stulpenstiefel und runden Filzhut man als Werther-Mode imitierte. Es gab die berühmte Werther-Tasse[9] und sogar ein Eau de Werther. Szenen aus „Werthers Leiden“ (dargestellt zum Beispiel von Daniel Chodowiecki) schmückten Tee- und Kaffeekannen, Keksschalen und Teedosen. Anhänger fand der Roman verständlicherweise unter denjenigen, die glaubten, sich in einer ähnlichen Situation wie Werther zu befinden, und in dem schmalen Bändchen Verständnis und Trost für ihre eigenen Leiden suchten.

Hierauf zielt auch der Hinweis des fiktiven Herausgebers im Prolog des Briefromans:

„Was ich von der Geschichte des armen Werther nur habe auffinden können, habe ich mit Fleiß gesammelt, und lege es euch hier vor, und weiß, daß ihr mir’s danken werdet. Ihr könnt seinem Geist und seinem Charakter eure Bewunderung und Liebe und seinem Schicksale eure Tränen nicht versagen. Und du, gute Seele, die du eben den Drang fühlst wie er, schöpfe Trost aus seinem Leiden, und laß das Büchlein deinen Freund sein, wenn du aus Geschick oder eigener Schuld keinen nähern finden kannst!“

Historisch interessant ist in diesem Zusammenhang nicht zuletzt auch das legendäre Treffen mit Napoleon, der den von ihm verehrten Autor Goethe im Jahre 1808 während des Erfurter Fürstenkongresses zu sich bestellte und ihm gegenüber bekannte, dass er den Werther siebenmal gelesen habe und stets bei sich trage.[10] Er fand die unglückliche Liebe sehr ergreifend, die Gesellschaft jedoch sei zu negativ dargestellt.[11]

Kunstwerke, die auf den ‚Werther‘ zurückgehen

Hauptartikel: Wertheriaden

Der Roman beeinflusste sowohl Form als auch Inhalt vieler weiterer Romane. Einige davon, die sogenannten Wertheriaden, greifen auch direkt auf Goethes Werther zurück. Christoph Friedrich Nicolai verfasste mit den „Freuden des jungen Werthers“ einen Angriff auf diejenigen, die in Goethes Werk eine Rechtfertigung des Selbstmords sahen: Darin gewinnt Werther Charlotte und steigt zum vom Glück gesegneten Landbesitzer auf, der sich einer reichen Kinderschar erfreut – was Goethe wiederum veranlasste, einen literarischen Kleinkrieg gegen Nicolai zu beginnen mit dem beißenden Gedicht Nicolai auf Werthers Grabe und mit mehreren diesbezüglichen Anspielungen in den Xenien.

Jules Massenet verarbeitete den Stoff in einer Oper, Werther, die am 16. Februar 1892 an der Wiener Hofoper uraufgeführt wurde.

In Thomas Manns Goethe-Roman Lotte in Weimar (erschienen 1939) bezeichnet die Titelheldin Charlotte Buff den bindungsscheuen jungen Goethe als Schmarotzer an ihrem Glück mit ihrem Verlobten und späteren Ehemann Kestner. Goethe sei ein von außen kommender Dritter, der „in ein gemachtes Nest das Kuckucksei seines Gefühls“ lege, vernarrt in anderer Leute Verlobtheit.

Ulrich Plenzdorf verarbeitete den Werther in Die neuen Leiden des jungen W. zu einem Theaterstück, das 1972 in Halle aufgeführt wurde und die Handlung in die Gegenwart der DDR versetzte; das Stück wurde in einer Prosafassung auch außerhalb der DDR zum Erfolg.

Unter den Verfilmungen sind hervorzuheben:

Bernd Kessens schrieb 1999 den Roman „Getanzte Liebe Flamenco“. Hier wird ein Großteil der Handlung ins postfaschistische Spanien verlegt, wo sich der Protagonist in eine Einheimische verliebt.

Jürgen Eick verlagerte den Stoff in seinem Drama „Feuerherz – Die neuesten Leiden des Jungen W.“ ins Jahr 2007. Die Uraufführung fand am 2. Februar 2007 auf der Neuen Bühne Senftenberg statt.

Dokumente zur zeitgenössischen Wirkung

Johann Melchior Goeze:

[…] [Ein] Roman, welcher keinen anderen Zweck hat, als das schändliche von dem Selbstmorde eines jungen Witzlings […] abzuwischen, und diese schwarze Tat als eine Handlung des Heroismus vorzuspiegeln […]. Welcher Jüngling kann eine solche verfluchungswürdige Schrift lesen, ohne ein Pestgeschwür davon in seiner Seele zurück zu behalten, welches gewis zu seiner Zeit aufbrechen wird. Und keine Censur hindert den Druck solcher Lockspeisen des Satans? […] Ewiger Gott! Was für Zeiten hast du uns erleben lassen!

Jakob Michael Reinhold Lenz:

[…] Sie halten ihn [den Roman] für eine subtile Verteidigung des Selbstmords? Das gemahnt mich, als ob man Homers Iliade für eine subtile Aufmunterung zu Zorn, Hader und Feindschaft ausgeben wollte. […] Die Darstellung so heftiger Leidenschaften wäre dem Publikum gefährlich? […] Laßt uns also einmal die Moralität dieses Romans untersuchen, nicht den moralischen Endzweck, sondern die moralische Wirkung, die das Leben dieses Romans auf die Herzen des Publikums haben könne und haben müsse. […] Eben darin besteht Werthers Verdienst, dass er uns mit Leidenschaften und Empfindungen bekannt macht, die jeder in sich dunkel fühlt, die er aber nicht mit Namen zu nennen weiß. Darin besteht das Verdienst jedes Dichters. […]

Verbotsantrag einer Theologischen Fakultät:

[…] Es wird hier ein Buch verkauft welches den Titel führt, Leiden des jungen Werther usw. Diese Schrift ist eine Apologie und Empfehlung des Selbst Mordes […] so hat die theol. Fakultät für nötig gefunden zu sorgen, dass diese Schrift unterdrückt werde […].

Christoph Martin Wieland:

[…]Hier aber ist es nicht um kalte moralische Diskussionen, sondern darum zu tun, die Wahrscheinlichkeit zu zeigen, wie ein vernünftiger und sonst schätzbarer Mann bis zu einem solchen Schritte gebracht werden kann. […] Hier aber in einer langen Reihe von Briefen können wir den Charakter desselben nach allen seinen kleinen Bestimmungen so durchschauen, dass wir ihn selbst an den Rand des Abgrunds begleiten. […] Einen einzelnen Selbstmörder rechtfertigen und auch nicht rechtfertigen, sondern nur zum Gegenstande des Mitleids machen, in seinem Beispiele zu zeigen, dass ein allzuweiches Herz und eine feurige Phantasie oft sehr verderbliche Gaben sind, heißt keine Apologie des Selbstmords schreiben.

Gotthold Ephraim Lessing:

[…] Wenn aber ein so warmes Produkt nicht mehr Unheil als Gutes stiften soll: meinen sie nicht, daß es noch eine kleine kalte Schlußrede haben müsste? Ein paar Winke hinterher, wie Werther zu so einem abenteuerlichen Charakter gekommen; wie ein andrer Jüngling, dem die Natur eine ähnliche Anlage gegeben, sich dafür zu bewahren habe. Denn ein solcher dürfte […] glauben, daß der gut gewesen sein müsse, der unsere Teilnehmung so stark beschäftiget. […] Also, lieber Göthe, noch ein Kapitelchen am Schlusse; und je zynischer je besser! […]

Georg Christoph Lichtenberg:

Die schönste Stelle im „Werther“ ist die, wo er den Hasenfuß erschießt.

Werther-Effekt

Hauptartikel: Werther-Effekt

Die Nachahmungen der Werther-Figur im realen Leben, die sich in Suizidversuchen und Suiziden zeigten, brachten eine Diskussion über Medienwirkungen in Gang, die bis heute geführt wird. Seit den 1970er Jahren befasst sich die Psychologie mit dem Phänomen von „medial vermittelten Nachahmungs-Suiziden“, das unter dem Namen Werther-Effekt bekannt ist.

Literatur

Ausgaben

Titelblatt des Erstdrucks
  • Originaltext von 1774, Die Leiden des jungen Werthers
    (Nach dem vorletzten Brief vom 20. Dezember mit dem Ende „Allen Segen des Himmels über Dich! Leb wohl!“ folgt gleich „An eben dem Tage, es war der Sonntag vor Weihnachten, …“)
    • Weygand, Leipzig 1774, 224 S. (Druckfehlerverzeichnis auf S. 224)
    • Weygand, Leipzig 1774, 224 S. (Holzschnitt-Vignette auf S. 224) Faksimile bei Uni Wien (Original-Einleitung: „Was ich von der Geschichte des armen Werthers …“)
    • Weygand, Leipzig 1775, 224 S. (Zweyte ächte Auflage, mit Motto-Versen vor dem 1. & 2. Teil)
  • Überarbeiteter Text von 1787, Die Leiden des jungen Werther
    (Nach dem Brief vom 20. Dezember folgt zuerst „Was in dieser Zeit in Lottes Seele vorging …“ und zwei Absätze später „An demselben Tage, als Werther den zuletzt eingeschalteten Brief an seinen Freund geschrieben, es war der Sonntag vor Weihnachten …“)
  • Eine Vielzahl verschiedenster Ausgaben ist in der Goethe-Werther-Sammlung im Wetzlarer Jerusalemhaus archiviert.
  • Die Leiden des jungen Werther als freies Hörbuch bei LibriVox
  • Die Leiden des jungen Werthers als kostenloses Hörbuch (gekürzte Fassung) bei Literaturcafe.de

Sekundärliteratur

  • Martin Andree: Wenn Texte töten. Über Werther, Medienwirkung und Mediengewalt. München: Fink 2006.
  • Rüdiger Bernhardt: Johann Wolfgang von Goethe: Die Leiden des jungen Werther. Königs Erläuterungen: Textanalyse und Interpretation (Bd. 79). C. Bange Verlag, Hollfeld 2011, ISBN 978-3-8044-1900-1
  • Reinhard Breymayer: Prälat Oetingers Neffe Eberhard Christoph v. Oetinger […] – war dessen mit Goethe verwandte Gattin, Charlotte, geb. v. Barckhaus, ein Vorbild für Werthers "Fräulein von B.."? Tübingen: Heck, 2009, ISBN 978-3-924249-49-6 (mit umfangreichen Lit.hinweisen).
  • Horst Flaschka: Goethes »Werther«. Werkkontextuelle Deskription und Analyse. München, 1987.
  • Dirk Grathoff: Der Pflug, die Nußbäume und der Bauernbursche. Natur im thematischen Gefüge des Werther-Romans, in: Goethe Jb. 102 (1985), 184–198.
  • Karl Hotz (Hrsg.): Goethes »Werther« als Modell für kritisches Lesen. Materialien zur Rezeptionsgeschichte. Stuttgart, 1974.
  • Klaus Hübner: Alltag im literarischen Werk. Eine literatursoziologische Studie zu Goethes »Werther«. Heidelberg, 1982.
  • Georg Jäger: Die Wertherwirkung. Ein rezeptionsästhetischer Modellfall, in: Walter Müller-Seidel (Hrsg.): Historizität in Sprach- und Literaturwissenschaft. Vorträge und Berichte der Stuttgarter Germanistentagung 1972. München 1974, S. 389–409.
  • Gerhard Kölsch: Illustrationen zu Goethes „Werther“, Begleitheft zur Ausstellung „Graphik der Goethe-Zeit“, Schloßmuseum der Stadt Aschaffenburg 1999.
  • Victor Lange: Die Sprache als Erzählform in Goethes Werther, in: Formenwandel. Festschrift für Paul Böckmann, hg. v. Walter Müller-Seidel. Hamburg, 1964, 261–272.
  • Katja Mellmann: Das Buch als Freund – der Freund als Zeugnis. Zur Entstehung eines neuen Paradigmas für Literaturrezeption und persönliche Beziehungen, mit einer Hypothese zur Erstrezeption von Goethes »Werther«, in: Hans-Edwin Friedrich, Fotis Jannidis, Marianne Willems (Hrsg.): Bürgerlichkeit im 18. Jahrhundert (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 105). Tübingen 2006, 201-241.
  • Norbert Miller: Goethes »Werther« und der Briefroman, in: ders., Der empfindsame Erzähler. Untersuchungen an Romananfängen des 18. Jahrhunderts. München, 1968, 138–214.
  • Klaus Müller-Salget: Zur Struktur von Goethes Werther, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 100 (1981), S. 527–544.
  • Karl N. Renner: »Laß das Büchlein deinen Freund seyn«. Goethes Roman »Die Leiden des jungen Werther« und die Diätetik der Aufklärung, in: Zur Sozialgeschichte der deutschen Literatur von der Aufklärung bis zur Jahrhundertwende, hg. v. Günther Häntzschel, Tübingen 1985, 1–20.
  • Kurt Rothmann (Hrsg.): Erläuterungen und Dokumente. Johann Wolfgang Goethe, »Die Leiden des jungen Werther«, Stuttgart 1971.
  • Klaus Scherpe: Werther und Wertherwirkung. Zum Syndrom bürgerlicher Gesellschaftsordnung im 18. Jahrhundert, Bad Homburg 1970.

Im Internet verfügbar

  • Vorträge:
  • Anderes:
    • Thomas Anz, Geheimnisse des Genies Goethe. Eine Erinnerung an Kurt R. Eisslers große psychoanalytische Studie; auf: literaturkritik.de 7. Juli 1999
    • Goethes geliebte Lotte Charlotte Buff, Vorbild für »Werthers Leiden«, wurde vor 250 Jahren geboren; in: Hamburger Abendblatt, 7. Januar 2003

Weblinks

 Commons: Die Leiden des jungen Werthers – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Leis, Mario: Johann Wolfgang von Goethe. Die Leiden des Jungen Werther. Reclam, Stuttgart 2002
  2. Goethe hatte sich in Charlotte verliebt, als er von Mai bis September 1772 Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar war.
  3. Genau genommen hätte Lotte sagen müssen: „Ich bin verlobt“. Goethe deutet mit dieser etwas ausweichenden Formulierung an, dass auch Lotte Werther durchaus zugeneigt und Albert („ein braver Mensch“) kein sehr leidenschaftlicher Liebhaber ist.
  4. Dichtung und Wahrheit Buch 12
  5. Neue Heloise, dritter Teil, 22. Brief. Vgl. hierzu Anke Engelhardt: Zu Goethes Rezeption von Rousseaus „Nouvelle Héloïse“, besprochen hier
  6. Vergleiche den Interpretationsvorschlag in Sozialgeschichte der Literatur (Beispiel 1).
  7. Um das auch Wertherfieber genannte Phänomen zu dokumentieren, sind heute in Wetzlar im sogenannten Lotte-Haus, dem damaligen Wohnhaus von Charlotte Buff, neben einem wertvollen Erstdruck des Werther auch Parodien, Nachahmungen, Streitschriften und Übersetzungen in zahlreichen Sprachen ausgestellt.
  8. Johann Wilke: Mitschuldig am Suizid? Bewältigung von Trauer und Schuld durch Johann Wolfgang von Goethe, Psychotherapie, Psychosomatik, medizinische Psychologie, 48. Jg., Ausgabe 3-4 / März-April 1998, S. 139-141
    Erwähnt in: Elmar Etzersdorfer, Gernot Sonneck: Suizidprävention durch Beeinflussung von Medienberichten, Psychotherapie, CIP-Medien, München, 4.Jahrg. 1999, Bd. 4, Heft 2, S. 199-205 (Online)
  9. Siehe: http://www.goethe-museum.com/deutsch/0003-deutsch-die%20sammlung.htm
  10. Napoleon soll Goethe bei dieser Gelegenheit auch auf einen psychologischen Fehler im Werther hingewiesen und durch eine umfassende Analyse seine genaue Textkenntnis dokumentiert haben.Vgl. http://www.hermlin.de/quellen_napoleon.html
  11. Vgl. Jürgen Safranski, Goethe und Schiller. Geschichte einer Freundschaft, München 2009, S. 21.
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