Dianna Ortiz

Dianna Ortiz

Dianna Ortiz (* 1961 in New Mexico) ist eine US-amerikanische Ordensschwester des katholischen Ordo Sanctae Ursulae (Ursulinen). Sie wurde 1989 Folteropfer der Regierung Guatemalas.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ortiz fühlte sich mit 17 Jahren zu einem religiösen Leben berufen und studierte an einem Konvent in Kentucky. Sie begann 1987 ihre Missionsarbeit in Guatemala und unterrichtete ländliche Maya im Schreiben. Einige Jahre zuvor waren unter der US-gestützten Militärdiktatur Efrain Ríos Montts viele tausend Maya umgebracht worden. Ortiz’ Tätigkeit galt als potentiell subversiv und als Gefahr für die nationale Sicherheit, da die Regierung überzeugt war, „dass religiöse Aktivisten beider Kirchen den Bauern predigen, so dass diese, mit neuen Ideen, religiösen Prinzipien und der Autorität der Prediger versehen, die Basis des demokratischen Systems ablehnen.“ (Büro für Öffentlichkeitsarbeit der Armee)

Verfolgung

Angehörige der guatemaltekischen Familie, bei der Ortiz lebte, waren Mitglieder der Grupo de Apoyo Mutuo, einer indigenen Bürgerrechtsorganisation. Der Bischof der Region erhielt ein anonymes Schreiben, in dem darauf hingewiesen wurde, das sich die Schwestern mit „subversiven Elementen“ träfen.

Anfang 1989 erhielt Ortiz drei anonyme Briefe an verschiedenen Orten des Landes, die sie gefährdet nannten und zum Verlassen des Landes aufforderten. Im Herbst des Jahres wurde ihr direkt mit Vergewaltigung, Verschwinden und einem Attentat gedroht, woraufhin sie sich in ein religiöses Zentrum in Antigua Guatemala begab.

Zwei Männer verbrachten sie am 2. November 1989 mit Waffengewalt und verbundenen Augen von dort in ein Verhörzentrum. Sie wurde befragt, gefoltert, vergewaltigt und verlor immer wieder das Bewusstsein. Sie erinnerte sich später in Sequenzen an Ratten, Hunde, ein Messer, das man sie gegen jemand anders zu führen zwang, einen Hof mit einer Art Grube und einem Haufen Menschenleiber, auf dem sie lag. Sie wurde schwanger und trieb später ab.

Ein Nordamerikaner, der bei einem Verhör hinzu gerufen wurde, stoppte die Quälerei und gab ihr Kleidung. Er erklärte ihr „um die Menschen Guatemalas besorgt zu sein“ und „konsequent daran zu arbeiten, diese vom Kommunismus zu befreien“. Ihr selbst wolle er beim Verlassen des Landes helfen. Er brachte sie in einem Fahrzeug weg. Sie nutzte im Verkehr eine Gelegenheit zur Flucht, nahm über eine Reiseagentur Kontakt mit dem religiösen Zentrum auf und verließ binnen 48 Stunden das Land.

Folgen

Der Fall erzeugte einige Medienöffentlichkeit in den USA und Ortiz suchte sie. Verschiedene Stellen wurden bei Anhörungen des Kongresses zu Äußerungen genötigt, darunter der guatemaltekische Verteidigungsminister und der US-Botschafter, die Ortiz massiv zu diffamieren suchten und der Lüge bezichtigten. Das Außenministerium, das sie um ein Treffen gebeten hatte, befürchtete eine Beeinträchtigung von US-Interessen und beschuldigte sie in einem Schreiben an ihren Anwalt der Verletzung des 8. Commandments (falsche Zeugenaussage).

1994 äußerten guatemaltekische Armeesprecher, Ortiz sei eine Sprecherin der Rebellen, die die öffentliche Meinung manipuliere, sie habe mentale Probleme und lüge zwanghaft. Auch gebe es solche Folterzentren nicht. Eine richterliche Untersuchung in Guatemala ergab keine Beweise für Ortiz’ Vorwürfe. Zeugen gegen sie waren nicht mehr aufzufinden, medizinische Untersuchungen wurden verschleppt, der Fall geschlossen. Ortiz trat der Guatemalan Human Rights Commission/USA bei.

Ein Bericht des Interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte (IACHR) stellte fest, dass Militär und Regierung Guatemalas keine brauchbaren Untersuchungen durchgeführt hatten. 1997 stellte sich der IACHR auf die Seite Dianna Ortiz’, erklärte sie für glaubwürdig und Guatemala der Verletzung verschiedener Artikel der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) für schuldig. Die Haftbedingungen wurden als typisch für die guatemaltekischen Sicherheitskräfte festgestellt. Ortiz lehnte weitere Untersuchungen und Befragungen ab, der IACHR sandte Empfehlungen an die guatemaltekische Regierung.

In den USA selbst untersuchte das Department of Justice (DOJ) den Fall. Ortiz wurde 40 Stunden befragt und musste mit Hilfe eines Forensikers die Dialoge mit den Folterern wiedergeben. Der Fall wurde geschlossen, den 200-seitigen Bericht durfte sie nicht einsehen, die Ergebnisse wurden ihr nicht mitgeteilt. Man teilte ihr mit, dass neben dem DOJ-Ermittler nur der Generalstaatsanwalt und sein Stellvertreter Einsicht hätten, allerdings äußerte sich später u.a. der US-Botschafter in Guatemala zum Inhalt.

Mahnwache

Ab Palmsonntag 1996 begann Dianna Ortiz eine fünfwöchige Mahnwache im Lafayette-Park vor dem Weißen Haus. Die Öffentlichkeitswirkung führte zur Freigabe von Dokumenten durch die Regierung, von denen ein 1990 entstandenes feststellte, dass sie „tatsächlich, wie behauptet, möglicherweise vom S-2-Büro der Militärzone 302 mit Hauptquartier in Chimaltenango, gekidnappt wurde.“ Die Regierung Clinton erhielt einen von 103 Kongressmitgliedern unterzeichneten Brief und versprach, die Angelegenheit zu untersuchen.

Verschiedene Prozesse gegen CIA, FBI, DOJ und State Department erbrachten keine Resultate. Ein guatemaltekisches Gericht sprach ihr und anderen Opfern fünf Millionen US-Dollar Entschädigung zu.[1]

Schwester Ortiz gründete die Torture Abolition and Survivors Support Coalition International (TASSC), die einzige US-Organisation von und für Folteropfer. TASSCs aktuelle Kampagne fordert die Rücknahme des Military Commissions Act von 2006, das die Folteropfer der TASSC „US-Foltergesetz“ nennen.[2]

Siehe auch

Literatur

  • Dianna Ortiz, Patricia Davis: The Blindfold's Eyes. My Journey from Torture to Truth. Orbis Books, Maryknoll, New York 2002, ISBN 1-57075-563-9.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://everything2.com/index.pl?node_id=1409015
  2. TASSC

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