Dialogik

Dialogik

Dialogphilosophie (auch Dialogische Philosophie bzw. Philosophie des Dialogs) ist eine Philosophie in jüdisch-christlicher Tradition, die die Dialogik in den Mittelpunkt des Reflektierens stellt und diese in mehr oder minder scharfer Abgrenzung zur Dialektik Kants und Hegels sieht. In ihrer ethischen Ausprägung stellt sie die Frage, wie über sinnvolle Dialoge humane Zukunft gestaltet werden kann.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Als klassischer antiker Vorläufer gilt der Sokrates der platonischen Dialoge. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Dialogphilosophie maßgeblich durch Martin Buber begründet. Da diese Philosophie den Bereich des rein Theoretischen hinter sich lassen wollte und sich in das Spannungsfeld zwischen abstraktem Denken und der Tat des Augenblicks stellte, brachte die dialogische Philosophie sowohl pädagogische wie auch psychotherapeutische, sozialethische und politische Anstöße hervor, deren Ausläufer und Verästelungen bis in mystische Strömungen der sozialistischen Bewegung, den ethischen Zionismus, die antifaschistischen Sommerlager der "Löwenberger Arbeitsgemeinschaften" und den Kreisauer Kreis um Helmuth James Graf von Moltke reichen.

Hermann Levin Goldschmidt hat in seinem Buch Philosophie als Dialogik (1948) Dialogik als einen Gegensatz zur Dialektik bestimmt, wonach der Widerspruch eine grundlegende und fruchtbare Spannung ist, die durch keine höhere Synthese aufzuheben ist. Zwei sich widersprechende Standpunkte sind demnach auszuhalten, schöpferisch auszutragen und in ihrer ebenbürtigen Bedeutung anzuerkennen.

Die Dialogphilosophie floß nach dem Zweiten Weltkrieg unter anderem in die Diskurstheorie und Existenzphilosophie ein, in jüngerer Zeit vereinzelt auch in die Medienwissenschaft. Anregungen aus der Dialogphilosophie finden sich in der Philosophie bei Hans-Georg Gadamer, Karl-Otto Apel, Jürgen Habermas, Kuno Lorenz, Emmanuel Levinas sowie Józef Tischner.

Der außerwissenschaftliche Einfluss der Dialogphilosophie ist vielfältig, ob in der interkulturellen Arbeit und Pädagogik, in der Eltern-Kleinkind-Beratung oder im Partnerkontaktsport.

Siehe auch: Dialogische Logik

Autoren

Hauptvertreter und wichtigste Autoren der Dialogphilosophie sind:

Literatur

  • Willi Goetschel: Dialogik als kritisches Modell: Bild und Wort bei Edith Moos und Hermann Levin Goldschmidt, in Hermann Levin Goldschmidt und Edith Moos, Mein 1933. Passagen, Wien 2008, 107-142.
  • Sabine Peter: Schritte auf dem Weg zum Miteinander in der multikulturellen Gesellschaft. Interkulturelle Gärten; eine psychologisch-dialogphilosophische Perspektive, 2005
  • Susanna Matt-Windel: Werden am Du - Dialogik in der Eltern-Kleinkind-Beratung ein philosophisch-pädagogisches Handlungskonzept nach der Dialogphilosophie Martin Bubers am Beispiel der interaktionellen Eltern-Kleinkind-Beratung, 2004
  • Dominik Klenk: Metanomik - Quellenlehre jenseits der Denkgesetze. Eugen Rosenstock-Huessys Wegbereitung vom ich-einsamen Denken der neuzeitlichen Philosophie zur gelebten Sprachvernunft, Münster 2003
  • Lutz Gerdes: Dialogik im Partnerkontaktsport. Elektronische Ressource anthropologische Grundlagen für eine sportpädagogische Theorie der Leibesbeziehung vor dem Hintergrund der Dialogphilosophie Martin Bubers, 2001
  • Matthew I. Nwoko: Die Philosophie als ein verantwortungsfordernder Dialog. Eine Auseinandersetzung mit Bubers Dialogphilosophie und Lévinas' Verantwortungslehre, 1999
  • Christoph von Wolzogen: Artikel "Dialogphilosophie", in: Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. A., Bd. 2, Tübingen 1999, Spp. 822-825
  • Dominik Klenk: "Gegenwartsverlust" in der Kommunikationsgesellschaft. Die sozialen Kosten der Medienkommunikation und die Frage nach einer Ethik der Kommunikation in dialogphilosophischer Perspektive, 1996
  • Joachim Israel: Martin Buber Dialogphilosophie in Theorie und Praxis, 1995
  • Kuno Lorenz: Einführung in die philosophische Anthropologie, Darmstadt 1990 ISBN 3-534-04879-2
  • Elisabeth Bolay-Vinzens: Zur Dialog-Philosophie bei Martin Buber. Möglichkeit und Wirklichkeit dialogischer Beziehung in Martin Bubers Werk "Ich und Du", 1988
  • Horwitz R.: Ebner und Buber, Rosenzweig und Ehrenberg, in: Methlagl, W. u.a. (Hrsg.): Gegen den Traum vom Geist. Beiträge zum Symposion, Gablitz 1981, S. 97-105

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