Adolf Joffe

Adolf Joffe
A. A. Joffe

Adolf Abramowitsch Joffe (russisch Адольф Абрамович Йоффе, * 10. Oktoberjul./ 22. Oktober 1883greg. in Simferopol; † 16. November 1927 in Moskau) war ein russisch-sowjetischer Revolutionär und Weggefährte Leo Trotzkis.

Er stammte aus einer reichen jüdischen (karäischen) Familie. Sein Vater war Eigentümer des gesamten Post- und Personenverkehrsnetzes auf der Krim, besaß ein eigenes Haus in Moskau und stand in engen Beziehungen zum russischen Politiker und zeitweiligen Regierungschef Sergei Witte.

Joffe war schon früh in revolutionäre Aktivitäten involviert. Mit 19 Jahren wurde er Mitglied der SDAPR. Nach dem Abschluss des Gymnasiums reiste er nach Berlin, wo er sich an der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität immatrikulieren ließ. Dort lernte er den österreichischen Psychiater Alfred Adler kennen, von dem er später in Wien psychoanalytisch behandelt wurde, und interessierte sich für die Lehren Freuds. 1905 kehrte er nach Russland zurück und nahm an der Revolution teil. Nach ihrer Zerschlagung durch die zaristische Regierung ging er ins Exil nach Deutschland, von wo er als "unerwünschte Person" verwiesen wurde, und dann nach Österreich. 1908 schloss er in Wien seine Ausbildung als Arzt ab. Dort lernte er Leo Trotzki kennen, dessen Freund und Weggefährte er wurde. Dort gab er gemeinsam mit Trotzki von 1906 bis 1912 die russischsprachige Zeitung Prawda (Wahrheit) heraus, die nicht mit dem späteren Leitorgan der Kommunistischen Partei der Sowjetunion zu verwechseln ist. Im Jahr 1912 wurde er während eines Russlandaufenthaltes in Odessa verhaftet und in das Gouvernement Tobolsk verbannt. 1913 wurde seine Beteiligung an der Tätigkeit der illegalen Organisation der Matrosen der Schwarzmeerflotte in den frühen Jahren bekannt. Er wurde wieder verhaftet, kam nach Odessa, wo er 1916 nach einem Prozess zur lebenslangen Verbannung nach Sibirien verurteilt wurde. Dort betätigte er sich als Dorfarzt.

1917 floh Joffe aus Sibirien und wirkte an der Oktoberrevolution mit. Er war Mitglied der Delegation, die unter Trotzkis Leitung die Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk führte, nach welchen sich Sowjetrussland aus dem Ersten Weltkrieg zurückzog. Nach Trotzkis Ernennung zum Volkskommissar für Kriegswesen ersetzte er diesen kurzzeitig als Volkskommissar des Äußeren. Im April 1918 wurde er zum sowjetrussischen Vertreter (Botschafter) in Deutschland ernannt, wo er zusammen mit dem künftigen Leiter der sowjetischen Geheimpolizei OGPU Menschinski zusammenarbeitete. Anfang November wurde Joffe gemeinsam mit dem ganzen sowjet-russischen Botschaftspersonal nach Anschuldigung der Vorbereitung eines Aufstands und der subversiven Tätigkeit ausgewiesen.

Im Jahre 1920 vertrat er die russische Seite beim Frieden von Riga, der zur Anerkennung Lettlands durch die RSFSR führte. 1922 war er Teilnehmer der sowjet-russischen Delegation an den Friedensverhandlungen in Genua und der Konferenz von Rapallo. In den Jahren 1922 bis 1924 war er Botschafter in China, führte mehrere Verhandlungen auch in Tokio, wo er den Wunsch äußerte, einen japanischen Garten als Geschenk für Lenin nach Moskau mitzunehmen. Die Krankheit Lenins vereitelte jedoch diesen etwas seltsamen Plan. In Japan erkrankte Joffe schwer und musste die Verhandlungen abbrechen. Er kehrte zur Behandlung nach Russland zurück, und nachdem sein Gesundheitszustand sich verbessert hatte, ging er für kurze Zeit zuerst nach Großbritannien und danach als Botschafter nach Österreich. Der Tod Lenins war für Joffe ein schwerer Schlag. Nach den Worten seiner Tochter sah sie ihn damals zum ersten und letzten Mal in ihrem Leben weinend. 1926 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand so sehr, dass er von seinen Aufgaben zurücktreten musste.

Er arbeitete im Staatskomitee für Konzessionsangelegenheiten und lehrte an der Moskauer Staatsuniversität am Lehrstuhl für internationale Beziehungen. Er verfasste mehrere Bücher über die Außenpolitik Sowjetrusslands. Joffe blieb ein loyaler Anhänger Leo Trotzkis und verübte nach dessen Machtverlust und Ausschluss aus der KPdSU als Zeichen des Protestes am 16. November 1927 Suizid. Die Grabstätte Joffes wurde während der Stalinistischen Säuberungen zerstört und erst 1956 von seiner Tochter wieder errichtet.

Joffes Tochter Nadeschda Joffe (1906–1999) überlebte die stalinistischen Säuberungen und verfasste einen in den 1990er-Jahren veröffentlichten Bericht über ihr eigenes Schicksal und das ihres Vaters.

Literatur

  • Maria Joffe: One Long Night: A Tale of Truth. New Park Publications 1977 ISBN 0902030930
  • Nadeschda A. Joffe: Rückblende. Mein Leben, mein Schicksal, meine Epoche. Essen 1997 ISBN 3-88634-063-5 (Vorwort lesen)
  • Nadeschda A. Joffe. A.A. Ioffe: revoljucioner i diplomat, in: Novaja i novejsaja istorija, Nr. 3, 1990, S. 94-103.

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