Deutschnamibier

Deutschnamibier

Deutschnamibier ist die in Deutschland politisch korrekte Bezeichnung für die deutschstämmigen Einwohner der südwestafrikanischen Republik Namibia. Viele Deutschnamibier leben heute bereits in der fünften Generation dort, als Folge der Zeit der deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika von 1884 bis 1915. Viele der Deutschnamibier sind neben namibischen Staatsangehörigen auch deutsche Staatsangehörige, so dass diese im offiziellen Sinne nicht als deutschstämmige sondern vielmehr als Auslandsdeutsche bezeichnet werden können.

Deutschnamibier bezeichnen sich selber häufig als Deutsche und sprechen hingegen von Deutschen aus Deutschland als „Deutschländer“. Teilweise bezeichnen sie sich selber weiterhin als Südwester oder Südwesterdeutsche.

Heute leben in Namibia circa 22.000[1]-30.000 Deutschnamibier, wobei sich durch Vermischung sowohl eine ethnische Zugehörigkeit unter den circa 100.000 weißen Namibiern als auch eine sprachliche Zugehörigkeit – vor allem gegenüber Afrikaans und Englisch – statistisch nur schwer festhalten lässt. Erwähnenswert sind die in der DDR aufgewachsenen schwarznamibischen „SWAPO-Waisenkinder“, die aufgrund ihrer ostdeutschen Kindheit und Erziehung eine besondere, wenn auch kleine, Gruppe unter den Deutschnamibiern bilden.

Die deutschnamibische Bevölkerung verteilt sich auf alle Landesteile mit Ausnahme der Kommunalgebiete sowie des äußersten Nordens und Caprivi. Unter anderem in den Städten Windhoek und Swakopmund ist die deutsche Sprache neben Afrikaans und der offiziellen Amtssprache Englisch eine wichtige Verkehrssprache. Neben der Sprache bleibt ein landesweiter Einfluss der Deutschnamibier vor allem in Ess- und Festkultur, Vereinswesen sowie Wirtschaftsstruktur lebendig.

Inhaltsverzeichnis

Deutschnamibische Kultur

Beispiele deutscher Beschilderungen im namibischen Alltag.

Viele Ortsnamen sowie Bauwerke aus der Reichsdeutschen Kolonialzeit prägen heute noch das Bild vieler namibischer Städte und Landschaften, z. B. die vier Sander-Burgen (Heinitz-, Schwerins- und Sanderburg in Windhoek, und Schloss Duwisib bei Maltahöhe) – benannt nach ihrem Architekten Wilhelm Sander) –, das Hohenzollernhaus, das Bezirksamt und das „Alte Amtsgericht“ in Swakopmund sowie das Goerke-Haus in Lüderitz. Auch die zahlreichen militärischen Bauten aus jener Zeit wie z. B. die „Alte Feste“ in Windhoek, die Pionierkaserne und das Lazarett in Swakopmund, ferner die Forts von Sesfontein und Namutoni (Etosha), sowie zahlreiche Bahnhofsgebäude in ganz Namibia.

Weiter gibt es in Namibia ein ausgesprochen aktives Vereinsleben, dessen Wurzeln auf die deutsche Kolonialzeit zurückreichen. In Windhoek sind der Windhoek Karneval (WIKA)[2], der sich an den Kölner und Mainzer Vorbildern orientiert, und das Oktoberfest große Stadtfeste.

Seit dem frühen 20. Jahrhundert hat sich eine eigenständige deutsch-namibische Literatur entwickelt. Ein auch in Deutschland bekannter Autor ist Giselher W. Hoffmann.

Als kulturelle Interessenvertretung in Namibia gilt der Deutsche Kulturrat.

Seit mehreren Jahrzehnten wird von der Deutschnamibier-Jugend das NamSA (Namibia-Südafrika-Fest) organisiert. Es handelt sich um ein Fest der Deutschnamibier in Deutschland, Österreich und der Schweiz.[3]

Geschichte der deutschen Besiedlung

Die ersten Deutschen in Namibia waren die Missionare der Londoner und später dann der Rheinischen Mission (beide Institutionen arbeiteten Ende des 18. Jahrhunderts eng zusammen, da die Rheinische Mission noch keine eigenen Missionseinrichtungen im südlichen Afrika hatte). So waren es die Gebrüder Albrecht und nach ihnen die Missionare Johann Hinrich Schmelen, Rath, Kleinschmidt, Hahn, Veith, Brincker und Heinrich Vedder (um nur einige von ihnen zu nennen), die sich ab 1805 in Südwestafrika niederließen und dort Kulturarbeit, aber auch Vorarbeit für die spätere Kolonisation leisteten.

Ihnen folgten die Händler und nach der Anlandung der Bark „Tilly“ in der Lüderitzbucht im Jahre 1883 zunehmend deutsche Beamte, Siedler, Handwerker und Soldaten. Nachdem Südwestafrika 1884 offiziell zur Kolonie Deutsch-Südwestafrika erklärt und auch von England anerkannt worden war, setzte eine immer stärker werdende Migration aus Deutschland ein, die 1908 durch die ersten Diamantenfunde bei Lüderitz ihren Höhepunkt fand.

Diese Entwicklung stagnierte nach Ende des Ersten Weltkriegs, in dessen Folge Deutschland durch den Versailler Vertrag jeglicher Anspruch auf seine Kolonien entzogen und Südafrika vom Völkerbund die Mandatsverwaltung über Deutsch-Südwestafrika übertragen wurde. Im Zuge der sich anschließenden „Südafrikanisierung“ von Südwest wurde etwa die Hälfte der dort noch lebenden 15.000 Deutschen ausgewiesen und deren Farmen Südafrikanern übergeben. Die als „Entgermanisierung“ bezeichnete Politik Südafrikas änderte sich erst durch das Londoner Abkommen vom 23. Oktober 1923, nach welchem den im Lande verbliebenen Deutschen die britische Staatsbürgerschaft angetragen und die Zuwanderung aus Deutschland sowie der Ausbau der deutschen Sprache nachdrücklich gefördert wurden. Ca. 3.200 Deutsche machten von der Möglichkeit des Staatsbürgerschaftswechsels Gebrauch.

Das Verhältnis zwischen den deutschstämmigen und burischen Bewohnern Südwest-Afrikas wurde 1927 erneut belastet durch den Zuzug der letzten aus Angola zurückkehrenden 1.800 Dorslandtrekker. Das englisch dominierte Südafrika legte keinen gesteigerten Wert auf deren Rückkehr in das Staatsgebiet der Südafrikanische Union und unterstützte daher den Wunsch der Dorslandtrekker, in Südwest-Afrika bleiben zu wollen, zumal sie dort um die Jahrhundertwende auf der Flucht vor den Engländern schon einmal wohlwollende Aufnahme gefunden hatten. 1927 allerdings war die Freude bei den deutschstämmigen Farmern über diese „Heimkehrer“ eher gedämpft, da sie in deren Ansiedlung – sicher nicht ganz zu Unrecht – einen weiteren Schritt in dem Bemühen sahen, Südwest-Afrika zur fünften Provinz von Südafrika zu „degradieren“. Vor diesem Hintergrund und angesichts der auch in Südwest-Afrika spürbaren dramatischen Folgen der Weltwirtschaftskrise (ca. 70–80% des Viehbestandes gingen verloren) hatte die aus Deutschland importierte „nationale Bewegung“ ein leichtes Spiel: 1932 wurde der südwestafrikanische Ableger der NSDAP mit Büros im ganzen Lande gegründet. Diese Partei hatte unter den Deutschstämmigen einen vergleichsweise ähnlich großen Zulauf wie in Deutschland, so dass sich die südafrikanische Mandatsverwaltung genötigt sah, die Partei bereits 1934 wieder zu verbieten.

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges stellte sich Südafrika mit knapper Mehrheit auf die englische Seite, ohne jedoch aktiv in den Krieg einzugreifen. Die in Südwest-Afrika lebenden deutschstämmigen Bewohner wurde 1939 zunächst unter Farm- oder Hausarrest gestellt und ab 1940 in Internierungslager nach Südafrika verbracht, wo sie bis 1946 verbleiben mussten. Ab 1942 wurden die 1923 zuerkannten britischen Staatsbürgerschaften wieder aberkannt.

Die von Südafrika betriebene Apartheidspolitik stieß auf zunehmende Kritik durch die UNO und hatte zugleich auch das Entstehen und Erstarken einer schwarzen Widerstandsbewegung – auch in Südwest-Afrika – zur Folge. In gleichem Maße verbesserte sich damit das Verhältnis zwischen der südafrikanischen Mandatsverwaltung und der deutschstämmigigen Bevölkerung, so dass die nach dem Zweiten Weltkrieg festzustellende verstärkte Zuwanderung aus Deutschland durchaus wohlwollend gesehen wurde.

Die meisten der heute in Namibia lebenden Deutschnamibier sind Nachfahren von Farmern, Beamten der Kolonialverwaltung, Handwerkern und Angehörigen der Schutztruppe sowie der beiden nach den Weltkriegen einsetzenden Einwanderungswellen. Seit etwa 1980 führte der zunehmende Tourismus zu vermehrtem Land- oder Immobilienerwerb durch Deutsche, die sich hier ein dauerhaftes Feriendomizil oder einen Altersruhesitz einzurichten gedachten. Namibia ist zwar auf ausländische Investitionen angewiesen, weite Teile der namibischen Bevölkerung sehen jedoch diese neue Form der „nachkolonialen Landnahme“ mit Besorgnis und auch Argwohn.

Bekannte Deutschnamibier

Literatur

  • Martin Eberhardt: Zwischen Nationalsozialismus und Apartheid. Die deutsche Bevölkerungsgruppe Südwestafrikas 1915-1965. LIT Verlag, Berlin u. a. 2007, ISBN 978-3-8258-0225-7, (Periplus-Studien 10).
  • Lucia Engombe, Peter Hilliges: Kind Nr. 95. Meine deutsch-afrikanische Odyssee. Ullstein, Berlin 2004, ISBN 3-548-25892-1, (Ullstein-Taschenbuch 25892).
  • Constance Kenna (Hrsg.): Die „DDR-Kinder“ von Namibia. Heimkehrer in ein fremdes Land. Klaus Hess Verlag, Göttingen / Windhoek 1999, ISBN 3-933117-11-9.
  • Walter G. Wentenschuh: Namibia und seine Deutschen. Geschichte und Gegenwart der deutschen Sprachgruppe im Südwesten Afrikas. Klaus Hess Verlag, Göttingen 1995, ISBN 3-9804518-0-1, (Edition Namibia 1).

Fußnoten

  1. Artikel in "Die Presse"
  2. Offizielle Webseite des WIKA
  3. NamSa - Fest der Deutschnamibier in Europa

Weblinks


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