Deutscher Ostmarkenverein

Deutscher Ostmarkenverein

Der Deutsche Ostmarkenverein war eine nationalistische deutsche Organisation, die 1894 in der Stadt Posen gegründet wurde und im östlichen Gebiet des Deutschen Reiches tätig war.

Inhaltsverzeichnis

Ziel und Mitgliederstruktur

Der Verein wurde zunächst als „Verein zur Förderung des Deutschtums in den Ostmarken“ 1894 in Posen von Ferdinand von Hansemann Pempowo, Rittergutsbesitzer, Hermann Kennemann-Klenka, Landesökonomierat, und Heinrich von Tiedemann-Seeheim, Rittergutsbesitzer von Seeheim und Major a.D., gegründet und 1899 in „Deutscher Ostmarkenverein“ (DOV) umbenannt. (Aus den Anfangsbuchstaben der Gründer wurde für die Polen das Schimpfwort „HKT=HaKaTa“ oder „Hakatist“ für einen Feind der Polen gebildet.[1]) Vor Gründung des Vereins war von 1700 deutschen Posener Bürgern eine „Wallfahrt“ zu Bismarcks Wohnsitz in Varzin (siehe Warcino: Die Bismarcks in Varzin) unternommen worden, unter dessen Patronat man die ins Auge gefasste Verwirklichung der Vereinsziele stehen sehen wollte. Bismarck hielt vor ihnen eine einstündige Rede. 1900 wurde im Vereinsorgan „Die Ostmark“ zum Bau eines Bismarckdenkmals aufgerufen. Es sollte „ein Wahrzeichen des Deutschtums in Posen werden, eine Versinnbildlichung der uns Deutschen obliegenden Wacht an der Warthe, ein Zeichen dessen, dass der deutsche Aar niemals wieder herausgibt, wo er seine Fänge einmal eingeschlagen“.[2]

Ziel des Vereins war das Vorantreiben der Germanisierung bzw. „Stärkung des Deutschtums” in den bei den Teilungen Polens von Preußen annektierten Gebieten Posen und Westpreußen. Damit sollte eine Antwort auf den wachsenden Anteil der polnischen Bevölkerung gefunden werden, worauf schon die 1886 gegründete Preußische Ansiedlungskommission zu reagieren versuchte. Unter anderem wurden im Rahmen dieser Politik zahlreiche Ortsnamen im Osten des Deutschen Reiches germanisiert.[3]

Der DOV verfügte 1913 über 446 Ortsgruppen mit 50.230 Mitgliedern.[4] Auffällig sind die hohen Anteile der Gruppen, deren Mitglieder als ‚Multiplikatoren‘ gelten können: Lehrer, Professoren, Unternehmer und leitende Angestellte. Das entspricht der Mitgliedschaft im ideologisch nahestehenden Alldeutschen Verband, dessen Gründungsziel lautete: „Belebung des vaterländischen Bewusstseins in der Heimat und Bekämpfung aller der nationalen Entwicklung entgegenstehenden Richtungen.“

Artikel 1 der Satzung des DOV lautete ganz ähnlich:

„Ziel des Vereins ist Kräftigung und Sammlung des Deutschtums in den Ostmarken und Hebung und Befestigung deutsch-nationalen Empfindens und wirtschaftliche Stärkung des deutschen Volkes.“

„Stärkung des deutschen Volkes“ hieß, dass das Ziel auf Bekämpfung der in den Ostmarken ansässigen preußischen Polen hinauslief, die seit 1871 als Preußen genauso zum deutschen Reichsvolk gehörten wie alle anderen ‚deutschstämmigen‘ Reichsbürger. Der Verein versuchte jedoch vergeblich darauf zu reagieren, dass im Laufe seiner Tätigkeit die ‚deutschstämmigen‘ Preußen durch Ostflucht weniger wurden und die Bürger polnischer Herkunft demographisch zunahmen und durch die Polenpartei an Einfluss gewannen, obwohl die preußische Gesetzgebung unter Einfluss der „Ostmärker“ die Stärkung des Deutschtums durch die Begünstigung deutscher Ansiedlung fördern sollte.[5]

Walkenhorst führte 2007 aus, dass sich der Ostmarkenverein eng an die Vorgaben der preußischen Regierung gehalten habe, von dieser auch gefördert wurde, was dazu geführt habe, dass er innerhalb der Beamtenschaft in den Ostprovinzen viele Anhänger fand. Diese Selbstbindung habe jedoch dazu geführt, „dass die ‚Hakatisten‘ mit Kritik an der offiziellen Polenpolitik überaus zurückhaltend und zu programmatischen Kompromissen in weit höherem Maße bereit waren als etwa die Alldeutschen“.[6]

Ideologischen Rückhalt für die Überzeugung von der geplanten „Germanisierung“ gewann der Verein in der von Gustaf Kossinna entwickelten Ethnoarchäologie, aus der sich Nachweise für eine ursprünglich germanische Besiedlung weiter osteuropäischer Gebiete vor der Völkerwanderung ergaben. So konnten „Ostmärker“ vom ‚weiten ostelbischen Land zwischen Ostsee und Sudeten bis tief nach russisch Polen‘ sprechen, dem der ‚unzweifelhafte Anspruch auf die Ehre als Urheimat und Wiege der nur sich selbst ähnlichen Germanen‘ zukomme.[7] Von polnischer Seite wurde mit entsprechenden Gegenkonzepten in der „polnischen Westforschung“ geantwortet, und zwar durch den Westforscher Józef Kostrzewski, der bei Kossinna studiert hatte.

Seit 1895 gab es eine Frauengruppe im Verein, die sich 1896 den Namen „Deutsche Frauen für die Ostmarken“ gab. Ziel war die Unterstützung der deutschen Bevölkerung in der Krankenpflege, Kindererziehung und auf verwandten Gebieten. Bis 1914 hatten sich 30 Zweigvereine gebildet, die 3415 Mitglieder zählten.[8]

Nach 1919, als Deutschland aufgrund des Friedensvertrags von Versailles weite Teile dieser Gebiete an das als neuer osteuropäischer Nationalstaat wieder gegründete Polen abtreten musste, drang der Verein wortführend auf eine Revision der neuen Ostgrenze. 1926 gewann er Albert Brackmann als wichtiges Mitglied, der sich als Ostforscher um die Verstärkung und Ausweitung deutschen Einflusses und die Rücknahme polnischer und tschechoslowakischer Nationalstaatlichkeit bemühte. Unter Beibehaltung seiner Ziele wurde er als Kern mit anderen ostdeutschen Vereinigungen 1933 unter Franz Lüdtke in den Bund Deutscher Osten überführt.

Siehe auch

Literatur

  • Adam Galos, Felix-Heinrich Gentzen und Witold Jakóbczyk: Die Hakatisten. Der Deutsche Ostmarkenverein (1894-1934), VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1966.
  • Grabowski, Sabine: Deutscher und polnischer Nationalismus - der Deutsche Ostmarken-Verein und die polnische Straż 1894 - 1914. (Materialien und Studien zur Ostmitteleuropa-Forschung; 3), Verl. Herder-Inst., Marburg 1998.
  • Oldenburg, Jens: Der Deutsche Ostmarkenverein 1894 - 1934. Logos-Verl., Berlin 2002.

Einzelnachweise

  1. Vgl. hierzu Die Hakatisten. Ebenfalls hierzu auch Meyers Großes Konversations-Lexikon von 1906.
  2. Witold Molik, „Die Wacht an der Warthe.“ Das Bismarck-Denkmal in Posen (1903-1919), S. 108 f. In: Rudolf Jaworski / Witold Molik (Hrsg.), Denkmäler in Kiel und Posen, Parallelen und Kontraste. Verlag Ludwig: Kiel 2002, S. 107-125. ISBN 978-3-933598-41-7. – Das Denkmal stand bis 1919, als die neuen Stadtväter der nach dem Kriege polnisch gewordenen Stadt beschlossen, alle deutschen Denkmäler abzureißen.
  3. [1], vgl. Thomas Maier, Die onomastische Waffe in Posen Deutsch-polnische Ortsnamenwechsel in Posen zwischen 1815 und 1945 - eBuch unter http://www.grin.com/e-book/91435/die-onomastische-waffe-in-posen.
  4. A. Galos u. a. (1966), S. 147.
  5. Hasso von Zitzewitz, Das deutsche Polenbild in der Geschichte. Entstehung, Einflüsse, Auswirkungen, Köln-Weimar-Wien 1992, S. 191 f., 196.
  6. Peter Walkenhorst, Nation - Volk - Rasse. Radikaler Nationalismus im Deutschen Kaiserreich 1890-1914, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007, S. 76; ISBN 978-3525351574.
  7. H. Merbach, Die Slawenkämpfe des deutschen Volkes. Ein nationales Hausbuch, Leipzig 1914, S. 3. Siehe zu Kossinna und der Funktion der Ethnoarchäologie auch Patrick J. Geary, Europäische Völker im frühen Mittelalter. Zur Legende vom Werden der Nationen, Frankfurt am Main (Fischer) 2002, S. 45 f.; ISBN 3-596-60111-8.
  8. Peter Walkenhorst (2007), S. 137 f. – Welch wichtige Rolle Frauen aus dem „Altreich“ und der „Ostmark“ (Österreich) in der nationalsozialistischen Siedlungspolitik im besetzten Polen zukam, untersucht Elizabeth Harvey: Der Osten braucht dich! Frauen und nationalsozialistische Germanisierungspolitik, Hamburger Edition, Hamburg 2010, ISBN 3-86854-218-3. (Rezension)

Weblinks


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