Deutscher Evangelischer Kirchenbund

Deutscher Evangelischer Kirchenbund

Der Deutsche Evangelische Kirchenbund war ein am 25. Mai 1922 gegründeter Zusammenschluss der evangelischen Landeskirchen in Deutschland. 1933 wurde er von der Deutschen Evangelischen Kirche abgelöst, der ihrerseits nach dem 2. Weltkrieg die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nachfolgte.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Das Zusammenwachsen des deutschen Protestantismus ist verbunden mit dem erwachenden Nationalgedanken im 19. Jahrhundert. Seit der Reformationszeit war der Protestantismus in Deutschland innerhalb der Territorien innerhalb des Deutschen Reiches organisiert; er kannte daher keine „nationale“ Organisation. Trennend wirkte sich die seit den Anfängen der Reformation bestehenden Unterschiede zwischen den lutherischen und reformierten Bekenntnissen aus, die jedoch durch Pietismus und Aufklärung im Laufe des 18. Jahrhunderts an Verbindlichkeit und Prägekraft verloren; der Neu-Konfessionalismus seit dem frühen 19. Jahrhundert blieb kirchengeschichtlich eine randständige Episode.

Erste Ansätze zur Bildung einer deutschen evangelischen Kirche prägten sich organisatorisch in der sogenannten Eisenacher Konferenz aus, die seit 1852 ein gemeinsames Beratungsgremium der Kirchenleitungen darstellte. Daneben gab es eine national orientierte Laienbewegung, der 1886 gegründete „Evangelische Bund zur Wahrung der deutsch-protestantischen Interessen“. Diese Gruppierung erreichte einen Stand von 500.000 Mitgliedern im Jahre 1914 und hatte eine klare anti-katholische sowie deutschnationale Programmatik.

Das Ende des Kaiserreiches und die Verabschiedung der Weimarer Reichsverfassung 1918/19 ermöglichten es den Kirchen, sich ohne staatliche Direktiven selbst zu organisieren. In den Diskussionen, wie dies geschehen sollte, ging es um die Frage, ob sich der deutsche Protestantismus in einer einheitlichen Reichskirche zusammenschließen sollte, wie es dann 1933 geschah, oder ob er in einem Kirchenbund zusammenkommen sollte, in dem die organisatorische und bekenntnismäßige Unabhängigkeit der einzelnen Landeskirchen gewahrt bleiben. Die 341 auf dem ersten Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden (1.–5. September 1919) versammelten Delegierten verschiedener evangelischer Gruppierungen und Kirchenleitungen entschieden sich für die Beibehaltung des „landeskirchenlichen Prinzips“. Nachdem sich die reformierten Kantonalkirchen in der Schweiz 1920 zum Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund zusammengeschlossen hatten, gründeten auch die deutschen Landeskirchen am 25. Mai 1922 (Himmelfahrtstag) einen Dachverband, den Deutschen Evangelischen Kirchenbund, in Wittenberg.

Zweck

Laut seiner Verfassung besteht der Bund, um „zur Wahrung und Vertretung der gemeinsamen Interessen der deutschen evangelischen Landeskirchen einen engen und dauernden Zusammenschluß derselben herbeizuführen, das Gesamtbewußtsein des deutschen Protestantismus zu pflegen und für die religiös-sittliche Weltanschauung der deutschen Reformation die zusammengefaßten Kräfte der deutschen Reformationskirchen einzusetzen – dies alles unter Vorbehalt der vollen Selbständigkeit der verbündeten Kirchen in Bekenntnis, Verfassung und Verwaltung.“

Verfassung

Der Deutsche Evangelische Kirchenbund verfügte über drei Verfassungsorgane: den Kirchentag mit 210 Delegierten, den Kirchenbundesrat mit Vertretern der 28 Landeskirchen und den Kirchenausschuss als Exekutivgremium, dessen 36 Mitglieder vom Kirchentag und dem Kirchenbundesrat je zur Hälfte gewählt wurden. Den Vorsitz im Kirchenausschuss führte der jeweilige Präsident des altpreußischen Evangelischen Oberkirchenrates (EOK), der damit zum nationalen Repräsentanten des deutschen Protestantismus wurde.

Aufgaben

In seiner relativ kurzen Geschichte widmete sich der Kirchenbund vor allem dem Informationsaustausch und der Koordination zwischen den einzelnen Bundeskirchen, der Pflege der ökumenischen Beziehungen und der Versorgung der deutschen evangelischen Gemeinden im Ausland mit Pfarrern.

Mitgliedskirchen

Die einzelnen Kirchen sind als lutherisch, reformiert oder uniert gekennzeichnet, soweit aus dem seinerzeitigen Namen nicht ersichtlich.

  1. Evangelische Landeskirche Anhalts, uniert
  2. Vereinigte evangelisch-protestantische Landeskirche Badens
  3. Evangelisch-lutherische Kirche in Bayern rechts des Rheins
  4. Evangelisch-reformierte Kirche in Bayern
  5. Evangelische Landeskirche im oldenburgischen Landesteil Birkenfeld, uniert, verschmolz 1934 mit der ApU
  6. Braunschweigische evangelisch-lutherische Landeskirche
  7. Bremische Evangelische Kirche, uniert
  8. Evangelische Landeskirche Frankfurt am Main, uniert, wurde 1933 Teil der Evangelischen Landeskirche Nassau-Hessen
  9. Evangelisch-Lutherische Kirche im Hamburgischen Staate
  10. Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers
  11. Evangelisch-reformierte Landeskirche der Provinz Hannover, bis 1925 Evangelisch-Reformierte Kirche der Provinz Hannover
  12. Evangelische Landeskirche in Hessen, uniert, wurde 1933 Teil der Evangelischen Landeskirche Nassau-Hessen
  13. Evangelische Landeskirche in Hessen-Kassel, uniert, wurde 1934 Teil der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck
  14. Lippische Landeskirche, reformiert
  15. Evangelisch-Lutherische Kirche im Lübeckischen Staate, nach 1937 nur noch Evangelisch-Lutherische Kirche in Lübeck
  16. Evangelisch-Lutherische Landeskirche des oldenburgischen Landtesteils Lübeck
  17. Evangelisch-lutherische Kirche von Mecklenburg-Schwerin, wurde 1934 Teil der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs
  18. Evangelisch-lutherische Kirche von Mecklenburg-Strelitz, wurde 1934 Teil der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs
  19. Evangelische Landeskirche in Nassau, uniert, wurde 1933 Teil der Evangelischen Landeskirche Nassau-Hessen
  20. Niedersächsische Konföderation, reformiert
  21. Lutherische Kirche in der Oberlausitz, verschmolz 1926 mit der Ev.-luth. Landeskirche des Freistaats Sachsen
  22. Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg
  23. Vereinigte Protestantisch-Evangelisch-Christliche Kirche der Pfalz (Pfälzische Landeskirche), uniert
  24. Evangelische Kirche der altpreußischen Union (ApU, EKapU)
  25. Evangelisch-lutherische Kirche in Reuß ältere Linie, wurde 1934 Teil der Thüringer evangelischen Kirche
  26. Evangelisch-lutherische Landeskirche des Freistaats Sachsen
  27. Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe
  28. Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schleswig-Holstein
  29. Thüringer evangelische Kirche, lutherisch
  30. Evangelische Landeskirche in Waldeck, uniert, bis 1922 noch Evangelische Kirche in Waldeck-Pyrmont, wurde 1934 Teil der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck
  31. Evangelische Landeskirche in Württemberg, lutherisch

Literatur

  • Klaus Scholder: Die Kirchen und das Dritte Reich 1: Vorgeschichte und Zeit der Illusionen 1918–1934. Geringfügig erg. Ausgabe. Frankfurt-Berlin: Ullstein, 1986; S. 34–39.

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