Der Geist des Faschismus

Der Geist des Faschismus

Der Geist des Faschismus (italienisch "La Dottrina Del Fascismo") ist der Titel einer politischen Programmschrift von Benito Mussolini, die 1932 in zwei Teilen veröffentlicht wurde. Der Text erschien zuerst als Einleitung zu dem Artikel Fascismo für die Enciclopedia italiana.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen des Werkes

Der italienische Faschismus unternahm erst spät den Versuch, seine politischen Absichten theoretisch zusammenzufassen und weltanschaulich zu untermauern. Mussolini lieferte den "Leitfaden" seines Herrschaftsmodells gewissermaßen nach, als er bereits Diktator war: Erst nachdem sich das System des fascismo bereits konsolidiert hatte, veröffentlichte Mussolini seine Staats- und Gesellschaftstheorie. Der Spiritus Rector und wichtigste Mitgestalter dieses Unterfangens war Giovanni Gentile, der Chefredakteur der Enciclopedia italiana.

Inhalt

Im ersten Teil Idee fondamentali - Grundgedanken - versucht Mussolini den Gedanken der "inhärenten Wahrheit" der faschistischen Theorie zu untermauern. Zu diesem Zweck beschreibt er die faschistische Anschauung über die Beziehung zwischen Individuum und Gemeinschaft und artikuliert die Voraussetzungen des stato nuovo. Im zweiten Teil Dottrina politica e sociale - Die politische und soziale Doktrin - stellt Mussolini die historischen und geistigen Grundlagen dar, auf denen die faschistische Bewegung beruhe. Insbesondere unternimmt er den Versuch, den Faschismus gegen die politischen Theorien der vorausgegangenen Jahrhunderte abzugrenzen.

Der Faschismus sei demnach das Produkt und zugleich die Antithese zum "kraftlosen und materialistischen Positivismus" des bürgerlichen 19. Jahrhunderts. Faschismus entspringe dem Fluss der Gegenbewegung. Er gewinne sein Wesen aus der Gegensätzlichkeit zu jenen Strömungen, die sein Aufkommen bewirkt hätten. Unverkennbar ist der Einfluss der Philosophie von Georges Sorel, insbesondere in der antiindividualistischen Stoßrichtung des Werkes. In der hier von Mussolini dargelegten Vorstellung, dass das Leben für den Faschisten ein einziger "Kampf" sei, manifestieren sich die sozialdarwinistischen Wirkungskräfte auf den Faschismus. Ethische Begründungen finde der Faschist in den Entitäten der natürlichen Ordnungen der Familie, Gemeinschaft und Nation. Über all diesen Gliederungen stehe der Staat als letztgültige Vollendung menschlichen Wollens. Der Staat verkörpere in sich alle Möglichkeiten individuellen Lebens: "Der faschistische Staat als Zusammenfassung und Vereinheitlichung aller Werte gibt dem Leben des ganzen Volkes seine Deutung, bringt es zur Entfaltung und kräftigt es."

In dieser Lehre eines totalitären Staates, die in einem straff korporativ-hierarchisch gegliederten Staatsaufbau mit einem Diktator an der Spitze verwirklicht werden soll, seien die durch den Willen zur Tat freigesetzten Synergien der Volksmasse inbegriffen. Die Ingredienzien des faschistischen Erfolgsrezeptes, die Kardinaltugenden der Bewegung seien "Kampf und Arbeit". Mittels dieser soll der Weg zur "höchsten Staatsform", jener nämlich mit der höchsten Machtherrlichkeit, dem Reich, bereitet werden. Die Erneuerung des antiken Imperium Romanum wird als nationaler Mythos und Zentrum des faschistischen Staatsgedankens sichtbar. Jede Anschauung, die sich dem Allmachtsanspruch des Staates widersetzt und den gesellschaftlichen Interessenausgleich über einen anderen Weg als das staatliche Diktat zu erreichen trachtet, müsse bekämpft werden.

Die Ideen des Pazifismus, Liberalismus, Parlamentarismus und Sozialismus werden als Entgleisungen des "demoliberalen" 19. Jahrhunderts abgelehnt, da sie dem einzelnen Menschen eine Bedeutung beimäßen, die ihm laut Mussolini nicht zusteht.

Analyse

Die schwülstige Diktion Mussolinis, insbesondere der aufgesetzte Heroismus und die Pathetik seines Ausdrucks, können nicht über die mangelnden Inhalte und den Eklektizismus der faschistischen Ideologie hinwegtäuschen, die in Mussolinis Werk zutage treten.[1]

Die in Mussolinis Schrift vertretene Staatsauffassung ist antiindividualistisch und antidemokratisch. An die Stelle der Hegelschen Staatsmetaphysik tritt dabei ein durch die Kraft des Willens bestimmter, mutwilliger, nationalchauvinistischer Aktionsmythos, dessen konkretes Ziel je nach den Interessen des Potentaten verändert, d.h. dessen Bedürfnissen angepasst werden kann: In diesem Sinne hat Mussolini in der Abhandlung ein bequemes Instrument zur Rechtfertigung seiner primär aus pragmatischen Erwägungen bestimmten Politik geschaffen.So konnte Mussolini auch eigentlich außerhalb seiner Ideologie stehende Elemente in sein Staatswesen einbinden, wie etwa die Kräfte des Kapitalismus, die katholische Kirche und die Rassenlehre Hitlers.

Ausgaben

  • Enciclopedia italiana, Bd. 14: Artikel Fascismo, Mailand 1932.
  • Mussolini, Benito: Opera omnia, herausgegeben von D. Susmel, Band 34, Florenz 1961.
  • Mussolini, Benito: Der Faschismus, Philosophische, politische und gesellschaftliche Grundlehren, München 1933.
  • Mussolini, Benito: Der Geist des Faschismus. Ein Quellenwerk, München 1940.

Fußnoten

  1. Kindlers Neues Literaturlexikon, 1988, Band 12, S. 137,

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