Dekretale Per Venerabilem

Dekretale Per Venerabilem

Papst Innozenz III. erließ im Herbst 1202 die Dekretale Per Venerabilem, in der er erklärte, dass der König von Frankreich in weltlichen Angelegenheiten keinen Vorgesetzten (gemeint war der römisch-deutsche Kaiser) anerkenne.

Sie ist nicht zu verwechseln mit der im selben Jahr von Innozenz III. veröffentlichten Dekretale Venerabilem.

Hintergrund

Um das Jahr 1200 richtete der südfranzösische Sire Wilhelm VIII. von Montpellier unter Vermittlung des Erzbischofs von Arles ein Gesuch an Papst Innozenz III., um eine Legitimierung seiner unehelichen Kinder zu erwirken. Der Sire argumentierte damit, das der Papst auch die unehelichen Kinder des Königs Philipp II. von Frankreich aus dessen unrechtmäßiger Ehe mit Agnes von Meran legitimiert habe.

Mit der Dekretale Per Venerabilem wies der Papst dieses Gesuch mit der Begründung ab, da der König von Frankreich im Gegensatz zum Sire von Montpellier keine weltlich-richterliche Instanz über sich habe, die in einer solchen Sache ein Urteil hätte fällen können. Der König habe deshalb freiwillig den Urteilsspruch des Papstes gesucht, der aufgrund dieser Bitte ausnahmsweise die weltliche Jurisdiktion ausgeübt habe. Der Sire aber müsse bei seinem, ihm übergeordneten, Lehnsherren um eine Legitimierung seiner unehelichen Kinder ersuchen.

Auswirkungen

Der Absatz, der König von Frankreich erkenne über sich keine weltliche Instanz an, wurde für die Herrschaftsauffassung der französischen Könige zu einem ihrer wichtigsten Grundsätze und blieb faktisch bis zum Ende der Monarchie gültig. Es war vor allem ein Eingriff in die weltlichen Hoheitsrechte der römisch-deutschen Kaiser, deren juristische Gewalt dadurch endgültig auf ein bestimmtes, territorial begrenztes Reich (Heiliges Römisches Reich) beschränkt wurde. Gleichzeitig untermauerte der Papst die Gültigkeit der geistlichen Jurisdiktion über alle Völker. Im französischen Selbstverständnis wurde die Dekretale schnell verankert und wurde besonders im 13. Jahrhundert von französischen Juristen oft zitiert und weiterentwickelt. So zum Beispiel 1256 durch Jean de Blanot, der dem König eine kaiserliche Höchstgewalt über sein Königreich und ihm die alleinige Gesetzgebung zuerkannte.

Versuche päpstlicher Juristen diesem Grundsatz nur eine beschränkte Gültigkeit zu verleihen schlugen in der Folge fehl. Sogar Papst Bonifatius VIII. hatte ihn noch anerkannt, nur damit er 1302 in dem epochalen Konflikt mit König Philipp IV. dem Schönen von Frankreich, von dem königlichen Minister Pierre Flote, gegen den Papst verwendet werden konnte.

Literatur

  • Martin Kaufhold (Hrsg.): Politische Reflexion in der Welt des späten Mittelalters. Essays in honour of Jürgen Miethke = Political thought in the age of scholasticism. Brill, Leiden u. a. 2004, ISBN 90-04-13990-7, (Studies in medieval and reformation traditions 103).
  • Gundula Caspary: Späthumanismus und Reichspatriotismus. Melchior Goldast und seine Editionen zur Reichsverfassungsgeschichte. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-35584-X, (Formen der Erinnerung 25), (Zugleich: Gießen, Univ., Diss., 2004).

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