Dekret 770

Dekret 770
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Beim Dekret 770 handelt es sich um ein soziales Experiment, das im Oktober 1966 vom rumänischen Diktator Nicolae Ceaușescu initiiert wurde. Ziel war es, die Zahl der rumänischen Bevölkerung zu erhöhen und eine neue Generation im Sinne des Kommunismus heranwachsen zu lassen. Zu diesem Zweck wurden sämtliche Verhütungsmethoden sowie die Abtreibung verboten. Gebärfähige Frauen wurden systematisch überwacht, um potentielles Leben frühzeitig erkennen und nachweisen zu können.

Erklärtes Ziel war es, dass Frauen im Schnitt vier Kinder zur Welt bringen und die rumänische Bevölkerung binnen 24 Jahren um 10 Millionen Menschen wachsen sollte. Das Programm wurde begleitet von massiver finanzieller Förderung für Kindergärten und Schulen. Nur Frauen, die über 40 Jahre alt waren oder bereits vier Kinder hatten, wurden Abtreibungen gewährt. Später wurde die Einschränkung auf 45 Jahre oder 5 Kinder angehoben. Dennoch entstand bei vielen betroffenen Frauen eine Verweigerungshaltung, und es kam häufig zu illegalen Abtreibungen.

Ein illegales Netzwerk entstand. Selbst offizielle Statistiken sprechen von mehr als 11.000 Frauen, die ihr Leben durch verpfuschte, von Amateuren durchgeführte Abtreibungsversuche verloren.

Ärzte, die illegal Schwangerschaftsabbrüche vornahmen, wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Viele Frauen, die wegen Komplikationen ins Krankenhaus kamen, wurden noch auf dem OP-Tisch brutal verhört, um die Namen der Komplizen zu erfahren. Manchmal wurde ihnen sogar ärztlicher Beistand verweigert, und sie starben qualvoll. Abtreibende Ärzte und Frauen wurden zum Teil brutalen Verhören und langen Haftstrafen unterzogen.

Tatsächlich führte das Dekret zu einem "künstlichen" Bevölkerungswachstum von zwei Millionen Menschen, die ohne diese Anordnung nicht geboren worden wären und die unter dem Begriff "Decreței" (deutsch Dekretkinder), auf Siebenbürgisch-Sächsisch "Dekretzell", bekannt wurden.

Trotz der anfänglichen finanziellen Förderung des Programm erwiesen sich die einhergehenden sozialpolitischen Maßnahmen jedoch im Laufe der Jahre als unzureichend. In der Folge der illegal und unsachgemäß durchgeführten Abtreibungsversuche kam es auch häufig zu Geburten behinderter Kinder. Diese wurden daraufhin in Sozialwaisenhäuser wie zum Beispiel das Kinderheim Cighid nahe der Stadt Oradea abgeschoben, wo neben behinderten Kindern unter anderem auch ungewollte Kinder eingeliefert wurden. Hier wurden die Irecuperabili (rumänisch die Unwiederbringlichen) unter unwürdigsten Bedingungen wie Vieh gehalten.[1] Schon vor der Rumänischen Revolution 1989 bestand das Phänomen der Straßenkinder in Rumänien. Die von dem Dekret resultierenden sozialen Probleme in Rumänien sind heute noch groß.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. tagesspiegel.de, Der Tagesspiegel: Rumäniens vergessene Kinder: In der Heimat der wunden Seelen - Nach der Ceausescu-Diktatur dürfen sie wieder leben, 7. September 2000

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