Deinotherien

Deinotherien
Deinotherien
Prodeinotherium aus der Süßwassermolasse bei Langenau. Skelettrekonstruktion im Stuttgarter Museum am Löwentor.

Prodeinotherium aus der Süßwassermolasse bei Langenau. Skelettrekonstruktion im Stuttgarter Museum am Löwentor.

Zeitraum
Mittleres Oligozän bis frühes Pleistozän
29 bis 1 Mio. Jahre
Fundorte
Systematik
Säugetiere (Mammalia)
Höhere Säugetiere (Eutheria)
Afrotheria
Rüsseltiere (Proboscidea)
Deinotherien
Wissenschaftlicher Name
Deinotheriidae
Bonaparte, 1845

Deinotherien, auch Dinotherien oder „Hauerelefanten“ (Deinotheriidae) waren ein sehr früher, erfolgreicher Zweig der fossilen Rüsseltiere (Proboscidea), zu denen auch die heute lebenden Elefanten zählen. Sie lebten vom Oligozän bis zum frühen Pleistozän in einem Großteil der Alten Welt. Der Name setzt sich aus den griechischen Wörtern δεινός (deinos, Schrecken) und θηρίον (thērion, Tier) zusammen, während dino die latinisierte Version von deinos darstellt. Den Deinotherien werden drei Gattungen zugewiesen, Chilgatherium, Prodeinotherium und Deinotherium.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Deinotherium in einer Lebendrekonstruktion
Schädel von Deinotherium

Deinotherien waren mittelgroße bis große Rüsseltiere. Während frühe Formen, wie Prodeinotherium noch einen relativ kleinen Wuchs aufwiesen und Schulterhöhen zwischen 2 und 2,5 m erreichten, gehörten Vertreter der späteren Gattung Deinotherium mit 3,6 bis teilweise über 4 m Schulterhöhe zu den größten Landsäugetieren ihrer Zeit.[1][2] Insgesamt sind diese Rüsseltiere charakterisiert durch einen elefantenähnlichen Skelettbau mit säulenförmigen, aber recht schlanken Gliedmaßen, wobei die Vorderbeine länger als die Hinterbeine waren, und kurzen, breiten Hand- und Fußknochen. Weiterhin war die Länge der Halswirbel noch nicht so stark reduziert, so dass Deinotherien einen im Gegensatz zu heutigen Elefanten längeren Hals aufwiesen.[3][2]

Der Schädel war sehr langgestreckt und erreichte eine Länge von 80 bis 90 cm bei Prodeinotherium und 120 bis 130 cm bei Deinotherium.[4] Sehr ursprünglich war dabei die flache Stirn, die noch stark an die älteren Formen erinnerte und bei späteren Rüsseltiergruppen deutlich höher war. Dafür wiesen die Schädelknochen erstmals die für Rüsseltiere typischen luftgefüllten Räume zur Reduzierung des Gewichtes des Kopfes auf. Bemerkenswert ist auch das weit hervorstehende Zwischenkieferbein.[1][3] Der Unterkiefer war sehr massiv und langgestreckt. Er wies eine für die Deinotherien typisch nach unten gezogene Symphyse auf, an der sich auch die Alveolen für die Stoßzähne befanden.[1][5]

Charakteristisch war weiterhin der Gebissaufbau, der sich allgemein durch eine Reduktion der Zahnanzahl, vor allem der Schneidezähne, dem Eckzahn und der Prämolaren je Kieferast, auszeichnete. Die Zahnformel für das Dauergebiss lautet demzufolge; \frac{0.0.2.3.}{1.0.2.3.}.[1] Die einzelnen Backenzähne waren sehr niederkronig (brachyodont) und bestanden aus mehreren scharfkantigen Leisten oder Jochen (lophodont). Diese spitzen Joche griffen beim Kauen in das „Quertal“ des gegenüberliegenden Zahnes und zerquetschten so die Nahrung.[2] Dabei wies der erste Molar drei Leisten (trilophodont) auf, während die restlichen Zähne nur zwei besaßen (bilophodont). Der Zahnschmelz war mit teils über 5 mm besonders dick ausgebildet.[3][1] Alle Zähne des Dauergebisses befanden sich zur gleichen Zeit in Funktion, d. h. die Deinotherien wiesen noch den für die übrigen Säugetiere typischen vertikalen Zahnwechsel auf. Das unterscheidet sie deutlich von den späteren Rüsseltieren und den heutigen Elefanten, die einen horizontalen Zahnwechsel besitzen, bei dem sich ein neuer Zahn erst aus der hinteren Kieferpartie herausschiebt, wenn der vordere weitgehend abgekaut ist.[6]

Eines der markantesten Merkmale dieser Rüsseltiergruppe waren die sich im Unterkiefer befindenden Stoßzähne, die eine abwärts gebogene Form aufwiesen, wobei die Spitzen dieser Zähne teilweise fast vertikal verliefen. Bei den großen Deinotherien-Vertretern war die Krümmung aber auch deutlicher ausgeprägt und die Spitzen zeigten nach hinten. Von der Form der Stoßzähne leitet sich auch der deutsche Begriff „Hauerelefanten“ ab. Die Stoßzähne wurden dabei aus dem jeweils ersten Schneidezahn gebildet.[7] Sie erreichten eine Länge von 1,4 m,[8] wovon ein Teil aber noch in den Alveolen steckte, und waren seitlich leicht gestaucht, so dass sie einen ovalen Querschnitt hatten.[9] Die Größe des Querschnitts variierte und lag bei großen Tieren bei 13 bis 17 cm.[4][5] Die Stoßzähne des Oberkiefers, die sowohl bei den heutigen Elefanten als auch bei zahlreichen fossilen Rüsseltierformen (Echte Mastodonten, Gomphotherien) besonders ausgeprägt waren und sind, fehlten.

Mangels organischer Fossilerhaltung ist es schwer, weiterführende Aussagen zum Aussehen der Deinotherien zu machen. Probleme bereiten Länge und Aussehen des Rüssels. Die Form und Größe der Nasenöffnung ebenso wie die Größe des jeweils paarig auftretenden Foramen infraorbitale und des hervortretenden Nasenloches (Naris) als Ansatzstellen sprechen für das Vorhandensein eines Rüssels. Die teilweise fast horizontale Lage des Zwischenkieferbeines auf der Oberseite des Schädels widerlegt aber konstruktionsmorphologisch, dass dieser nur als Muskelschlauch vorhandene Rüssel die Länge jener der heutigen Elefanten erreichte. Deshalb wurde schon relativ früh ein solcher elefantenartiger Rüssel angezweifelt. Einige Forscher rekonstruieren aus diesem Grund einen eher tapirartigen kurzen Rüssel.[10] Da allerdings vor allem späte Deinotherien-Vertreter sehr groß waren und einen, wenn auch gegenüber heutigen Elefanten längeren, vergleichsweise aber dennoch kurzen Hals besaßen, muss der Rüssel zumindest so lang gewesen sein, dass die Tiere bei Senkung des Kopfes das dringend benötigte Trinkwasser erreichen konnten.[2] Weiterhin wird aufgrund der Struktur der Symphyse des Unterkiefers angenommen, dass Deinotherien eine besonders stark ausgeprägte untere Lippe besaßen.[10]

Paläobiologie

Sowohl der Körperbau, vor allem die langen schlanken Beine und der bedingt durch den etwas längeren Hals mobilere Kopf, als auch die Gebissstruktur zeichnen die Deinotherien als Bewohner von Wäldern und Auenwäldern aus.[11] Besonders die niedrige Kronenhöhe der Zähne und deren Aufbau aus spitzen gratartigen Querleisten mit deutlich eingetieften Tälern dazwischen sind typisch für Tiere, die weiche Pflanzennahrung bevorzugen, welche sie im Gebiss lediglich zerquetschen. Als Nahrungsressource standen ihnen somit Blätter, Zweige und Rinde zur Verfügung (browsing). Isotopenuntersuchungen am Zahnschmelz bestätigten diese Annahme.[6] Die späten Deinotherien-Vertreter lebten möglicherweise aufgrund klimatischer Abkühlung auch in offeneren Gebieten oder in Parklandschaften, was auch ihre enorme Größenzunahme erklären würde.[11][12]

Lange Zeit wurde über die Funktion der Stoßzähne diskutiert. Ursprünglich ging man von einer semi-aquatischen Lebensweise aus. Die Stoßzähne sollten dabei als Grabwerkzeuge in sumpfigen Wäldern dienen. Bei der Größe der Tiere und dem relativ kurzen Hals müsste dazu aber eine kniende Stellung angenommen werden.[5] Wahrscheinlich standen die Stoßzähne mit der Nahrungsaufnahme in Verbindung. Als Blattfresser bevorzugten sie Büsche und Baumkronen als Nahrungsquellen. Vermutlich wurden mit den Stoßzähnen Zweige und Äste herangezogen oder festgehalten und diese dann mit dem Rüssel abgebrochen und verzehrt.[10] Weiterhin zeigen sich an einigen Stoßzähnen Abnutzungsspuren oder gar Beschädigungen. Diese Abnutzung kann auf das Schälen von Baumrinde zurückgeführt werden,[2] während die Beschädigungen wohl mit dem Spalten oder Entwurzeln von Bäumen in Verbindung steht, ähnlich wie es bei heutigen Elefanten der Fall ist. Ein Einsetzen der Stoßzähne im Sexual- oder Dominanzkampf kann aber aufgrund der Form ausgeschlossen werden.[5]

Stammesgeschichte

Generell ist die Stammesgeschichte der Deinotherien durch eine ständige Zunahme der Körpergröße gekennzeichnet, welche bis zuletzt anhielt.[11][13] Die bisher ältesten Deinotherien-Funde stammen aus dem Oligozän Ostafrikas vor rund 27 bis 29 Millionen Jahren und werden Chilgatherium zugewiesen. Dieser frühe Deinotherien-Vertreter wurde erstmals 2004 in Chilga (Äthiopien) nachgewiesen, das Fossilmaterial umfasst aber bisher nur einige Zähne.[14][15]

Im frühen Miozän entstand dann Prodeinotherium, welches seinen Vorgänger an Größe übertraf. Dessen frühester Nachweis stammt aus Kenia (Ostafrika). Vor mehr als 18 Millionen Jahren emigrierte dieses durch die Entstehung der Landbrücken von Afrika nach Eurasien (Proboscidean datum event: erste Auswanderung der Rüsseltiere aus Afrika) und erreichte dabei auch den Indischen Subkontinent.[16] Ob Deinotherium dann unabhängig erneut in Afrika entstand und sich über die Alte Welt ausbreitete, ist bisher unbekannt. Erste Funde stammen aus dem mittleren Miozän vor 15 Millionen Jahren aus Frankreich, in Afrika sind die ältesten Funde rund 12 Millionen Jahre alt und sind ebenfalls aus Kenia überliefert. Deinotherium war ebenso wie sein Vorgänger über alle drei Kontinente der Alten Welt verbreitet, im Gegensatz zu anderen Rüsseltieren jener Zeit erreichte es nie Amerika.[6][3]

Während Prodeinotherium bereits vor 10 Millionen Jahren verschwunden war, überlebte Deinotherium in Asien bis ins späte Miozän vor 7 Millionen Jahren, wohingegen es in Europa erst im späten Pliozän ausstarb. Das Aussterben der letzteren Gattung wird mit der Klimaverschlechterung am Übergang vom Pliozän zum Pleistozän in Verbindung gebracht. Durch stärkere Saisonalisierung des Klimas und der Ausbreitung von Steppen wurde diesen Rüsseltieren schließlich die Nahrungsgrundlage entzogen. In Afrika lebte sie noch bis zum frühen Pleistozän vor 1 Millionen Jahre.[15][6]

Fossilüberlieferung

Während Chilgatherium bisher nur singulär im östlichen Afrika nachgewiesen ist, sind Fossilfunde von späteren Deinotherien-Vertretern wie Prodeinotherium und Deinotherium aus weiten Teilen der Alten Welt verstreut überliefert. Sehr häufig sind diese dabei im südöstlichen Europa zu verzeichnen, wo wenigstens 80 Deinotherien-Fundstellen bekannt sind, davon rund 40 allein in Bulgarien. Drei Viertel aller dieser Fossillagerstätten enthielten dabei Reste von Deinotherium.[4] Von herausragender Bedeutung ist ein nahezu vollständiges Skelett eines sehr großen Deinotherium, welches in Eserowo nahe Plovdiv gefunden wurde und heute im Naturwissenschaftlichen Museum in Sofia ausgestellt ist.[17][4] Ein relativ später Fund stammt hier aus Aksakovo nahe Varna.[18] In Griechenland sind diese Rüsseltiere noch an fast einem Dutzend Fundstellen dokumentiert, wobei auch hier solche mit Deinotherium überwiegen.[11] Ein bei Siteia auf Kreta ausgegrabenes, nahezu vollständiges Skelett war mit einer Schulterhöhe von 4,3 m einer der größten Vertreter der Gattung Deinotherium und ist heute Teil der Ausstellung im Naturhistorischen Museum Kreta in Iraklion.[8] In der nördlichen Schwarzmeerregion ist ein weitgehend vollständiges Skelett eines ebenfalls sehr großen Deinotherium Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts in Obuhovka nahe Rostov am Don (Russland) entdeckt worden.[19] Weitere bedeutende Funde stammen aus Ungarn, Portugal, Spanien, Frankreich und Georgien. Darüber hinaus sind Deinotherien auch aus der Türkei, der Arabischen Halbinsel und dem Indischen Subkontinent bekannt,[12][3][16] während sich afrikanische Funde weitgehend in den östlichen (Kenia, Tansania, Uganda, Äthiopien) und nördlichen (Tunesien, Libyen) Kontinentalbereichen konzentrieren.[20]

Auch in Mitteleuropa gibt es zahlreiche Funde von Deinotherien. In Deutschland sind Reste überwiegend aus dem südlichen Landesteilen bekannt und stammen entweder aus den Dinotheriensanden des Mainzer Beckens in Rheinhessen oder aus der Oberen Süßwassermolasse des Alpenvorlandes. Bisher wurden sie an mehr als 30 Fundstellen beobachtet. Eine der bedeutendsten Fundstellen ist die Sandgrube von Eppelsheim im Mainzer Becken (Rheinland-Pfalz), wo sowohl Deinotherium als auch Prodeinotherium nachgewiesen sind. Der hier 1835 entdeckte vollständige Deinotherium-Schädel hatte maßgeblichen Einfluss auf das Verständnis über diese Rüsseltiere. Ein sehr umfassendes Skelett von Prodeinotherium stammt aus Langenau bei Ulm (Baden-Württemberg) und ist heute im Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart ausgestellt.[2][3] Zur selben Gattung gehört auch das Skelett von Unterzolling (Bayern).[21] Ebenfalls recht häufig sind Deinotherien in Österreich belegt, wo u. a. Skelettreste von Deinotherium mit einem gut erhaltenen Unterkiefer aus Kettlasbrunn bei Wilfersdorf (Niederösterreich) stammen,[5] während aus dem tschechischen Františkovy Lázně ein gut erhaltenes Skelett von Prodeinotherium vorliegt.[22]

Forschungsgeschichte

Johann Jakob Kaup (1803-1873)

Die ersten Deinotherien-Funde wurden wohl schon Anfang des 17. Jahrhunderts nahe Lyon (Frankreich) gemacht und später ins Muséum national d’histoire naturelle in Paris gebracht. Dort begutachtete sie 1715 der französische Naturforscher René-Antoine Ferchault de Réaumur (1683–1757), der sie aber keiner ihm bekannten Tierart zuweisen konnte. Der französische Wirbeltierpaläontologe Georges Cuvier glaubte anfangs die Überreste eines Riesentapirs vor sich zu haben, als ihm im frühen 19. Jahrhundert Funde von Deinotherien-Backenzähnen vorgelegt wurden. Auf dieser Auffassung fußte auch der 1822 von ihm eingeführte Name Tapirus gigantesque.[4][12] Johann Jakob Kaup vom Großherzoglichen Museum in Darmstadt rekonstruierte 1829 als erster einen Unterkiefer mit Stoßzähnen und gab der neuen Gattung den Namen Deinotherium. Dass die Stoßzähne beim lebenden Tier nicht nach oben, sondern wie Hauer nach unten gebogen waren, wurde Kaup erst nach der Auffindung des Schädels von Eppelsheim klar. Zahlreiche weitere Nachweise der Gattung in den Dinotheriensanden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts führten schließlich zur Einordnung der Deinotherien unter die Rüsseltiere und zur Etablierung des Familiennamen Deinotheiidae 1845 durch Charles Lucien Jules Laurent Bonaparte (1803–1857).[2][3]

Für die stammesgeschichtlich ältere und kleinere Form wurde ursprünglich von J. Éhik 1930 das Taxon Prodinotherium anhand von Funden aus Kotyháza und Királd (beide Ungarn) etabliert, die Originalfunde sind aber zerstört.[9][3] Die Bezeichnung Prodeinotherium wurde erstmals 1973 von J. M. Harris verwendet.[12] Die Namensgebung für den ältesten Deinotherien-Vertreter Chilgatherium erfolgte erst 2004 aufgrund von Zahnfunden aus Chilga (Äthiopien).[15]

Systematik

Bisher wurden mehr als 30 Arten beschrieben, von denen aber nur sieben heute gültig sind. Diese wiederum werden drei Gattungen zugewiesen:[3][20]

  • Chilgatherium Sanders, Kappelman & Rasmussen 2004
  • Prodeinotherium Éhik 1930
  • Deinotherium Kaup 1829

Der Ursprung der Deinotherien liegt in Afrika, wo sie sich zu einer Zeit differenzierten, als dieser Kontinent nicht durch Landbrücken mit anderen Kontinenten verbunden war. Die Besonderheiten der Zahn- und Gebissstrukturen dieser Rüsseltiergruppe führten gelegentlich zur Annahme, sie wären näher mit den Seekühen als mit den Rüsseltieren verwandt.[23] Diese Ansicht wird aber meist mit Verweis auf konvergente Evolution bei nicht direkt verwandten Tieren zurückgewiesen.[21]

Die Deinotherien entstanden aus einer sehr frühen Abspaltung im Rüsseltierstammbaum im Oligozän. Dies zeigt vor allem der vertikale Zahnwechsel, ein Merkmal, welches sie in die früheste Radiationsphase der Rüsseltiere stellt.[24] Dabei ist nicht geklärt, aus welcher Vorgängerform die Deinotherien hervorgingen. Bedeutend ist für diese Beurteilung die Gebissmorphologie. Die Zahnformel ist deutlich reduzierter ausgebildet als beim stammesgeschichtlich älteren Moeritherium.[1] Der trilophodonte erste Molar und die beiden bilophodonten hinteren Molaren waren hauptsächlich bei Prodeinotherium und Deinotherium vorhanden. Chilgatherium besaß auf allen drei Mahlzähnen jeweils drei Leisten. Bemerkenswert ist, dass bei Palaeomastodon, das vor etwa 34 Millionen Jahren entstand, nur die ersten beiden Molaren dieses Merkmal hatten, Möglicherweise stammen sowohl die Deinotherien als auch Palaeomastodon von einem noch älteren Vorfahren ab und die Deinotherien reduzierten im Laufe der Zeit ihre dritte Leiste auf den beiden hinteren Zähnen. Systematisch sollte Chilgatherium nach Meinung der Erstbeschreiber in eine eigene Unterfamilie der Deinotherien gestellt werden.[15]

Hinsichtlich der taxonomischen Eigenständigkeit von Prodeinotherium gegenüber Deinotherium gibt es eine häufig geführte Diskussion unter Experten. So besteht der Unterschied beider Gattungen überwiegend in der Größe der Tiere, der Ausprägung des dritten Prämolaren, der Form des Schädeldaches und dem Aufbau des Hinterhauptsbeines.[11][3] Einigen Forschern erscheinen diese Unterschiede zur Bildung zweier Gattungen als zu gering, weswegen I. Gräf 1957 Prodeinotherium aus Prioritätsgründen des älteren Namen mit Deinotherium gleichsetzte.[25] Zwar wurde Prodeinotherium 1973 wieder eingeführt, doch herrscht bisher keine Einigung über die systematische Stellung dieser Gattung.[12] Andererseits kann die Klärung des bisher noch unbekannten Ursprung von Deinotherium zur Lösung der Frage zur Eigenständigkeit beider Gattungen beitragen.[6]

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Jeheskel Shoshani, Robert M. West, Nicholas Court, Robert J. G. Savage und John M. Harris: The earliest proboscideans: general plan, taxonomy, and palaeoecology. In: Jeheskel Shoshani und Pascal Tassy (Hrsg.): The Proboscidea. Evolution and palaeoecology of the Elephants and their relatives. Oxford, New York, Tokyo, 1996, S. 57–75
  2. a b c d e f g Ursula B. Göhlich: Tertiäre Urelefanten aus Deutschland. In: Harald Meller (Hrsg.): Elefantenreich - Eine Fossilwelt in Europa. Halle/Saale, 2010, S. 340–362–372
  3. a b c d e f g h i j Kati Huttunen: Systematics and Taxonomy of the European Deinotheriidae (Proboscidea, Mammalia). Annalen des. Naturhistorischen Museums zu Wien 103 A, 2002, S. 237–250
  4. a b c d e Dimitar Kovachev und Ivan Nikolov: Deinotherium thraceiensis sp. nov. from the Miocene near Ezerovo, Plovdiv District. Geologica Balcanica 35 (3-4). 2006, S. 5–40
  5. a b c d e Friedrich Bachmayer und Helmuth Zapfe: Ein bedeutender Fund von Dinotherium aus dem Pannon von Niederösterreich. Analen des Naturhistorischen Museums zu Wien 80, 1976, S. 145–162
  6. a b c d e Jan van der Made: The evolution of the elephants and their relatives in the context of a changing climate and geography. In: Harald Meller (Hrsg.): Elefantenreich - Eine Fossilwelt in Europa. Halle/Saale, 2010, S. 340–360
  7. Cyrille Delmer: Reassessment of the generic attribution of Numidotherium savagei and the homologies of lower incisors in proboscideans. Acta Palaeontologica Polonica 54 (4), 2009, S. 561–580
  8. a b Nikos Poulakakis, Petros Lymberakis und Charalampos Fassoulas: Deinotherium giganteum (Proboscidea, Deinotheriidae) from the Late Miocene of Crete. Journal of Vertebrate Paleontology 25 (3), 2005, S. 732–736
  9. a b I. Vörös: Prodeinotherium petenyii sp. n. from the Lower Miocene at Putnok (North Hungary). Fragmenta Mineralogica et Palaeontologica 14, 1989, S. 101–110
  10. a b c G. N. Markov, N. Spassov und V. Simeonovski: A reconstruction of the facial morphology and feeding behaviour of the deinotheres. In: G. Cavarretta et al. (Eds.): The World of Elephants - International Congress. Consiglio Nazionale delle Ricerche. Rom, 2001, S. 652–655
  11. a b c d e Athanassios Athanassiou: On a Deinotherium (Proboscidea) finding in the Neogene of Crete. Notebooks on Geology - Letter 2004/05, S. 1–7
  12. a b c d e Miguel Telles Antunes und L. Ginsburg: The Deinotherium (Proboscidea, Mammalia): an abnormal tusk from Lisbon, the Miocene record in Portugal and the first appearance datum. Evidence from Lisbon, Portugal. Ciencias da Terra 15, 2003, S. 173–190
  13. Denis Geraads, Tanju Kaya und Serdar Mayda: Late Miocene large mammals from Yulafli, Thrace region, Turkey, and their biogeographic implications. Acta Palaeontologica Polonica 50 (3), 2005, S. 523–544
  14. John Kappelman, D. Tab Rasmussen, William J. Sanders, Mulugeta Feseha, Thomas Bown, Peter Copeland, Jeff Crabaugh, John Fleagle, Michelle Glantz, Adam Gordon, Bonnie Jacobs, Murat Maga, Kathleen Muldoon, Aaron Pan, Lydia Pyne, Brian Richmond, Timothy Ryan, Erik R. Seiffert, Sevket Sen, Lawrence Todd, Michael C. Wiemann und Alisa Winkler: Oligocene mammals from Ethiopia and faunal exchange between Afro-Arabia and Eurasia. Nature 426, 2003, S. 549–552
  15. a b c d William Sanders, John Kappelmann und D. Tab Rassmussen: New large-bodied mammals from the late Oligocene site of Chilga, Ethiopia. Acta Palaeontologica Polonica 49 (3), 2004, S. 365–392, 2004
  16. a b B. N. Tiwari, B. C. Verma und Ansuya Bhandari: Record of Prodeinotherium (Proboscidea: Mammalia) from the Mid-Tertiary Dharmsala-group of the Kangra valley, NW Himalaya, India: Biochronologic and palaeobiogeographic implications.Journal of the Palaeontological Society of India 51 (1), 2006, S. 93–100
  17. Georgi N. Markov: The fossil proboscideans of Bulgaria and the importance of some Bulgarian finds – a brief review. Historia naturalis bulgarica 16, 2004, S. 139–150
  18. Stoyan Vergiev und Georg N. Markov: A mandible of Deinotherium (Mammalia: Proboscidea) from Aksakovo near Varna, Northeast Bulgaria. Palaeodiversity 3, 2010, S. 241–247
  19. S. Vera Bajgusheva und V. Vadim Titov: About teeth of Deinotherium giganteum Kaup from eastern Paratethys. Hellenic Journal of Geosciences 41, 2006, S. 177–182
  20. a b Karol Schauer: Anmerkungen und Quellenangaben zur Evolutionstafel der Proboscidea in Afrika und Asien. In: Harald Meller (Hrsg.): Elefantenreich - Eine Fossilwelt in Europa. Halle/Saale, 2010, S. 630–650
  21. a b Kati Huttunen und Ursula Bettina Göhlich: A partial skeleton of Prodeinotherium bavaricum (Proboscidea, Mammalia) from the Middle Miocene of Unterzolling (Upper Freshwater Molasse, Germany). Geobios 35, 2002, S. 489–514
  22. Kati Huttunen: On a Prodeinotherium bavaricum (Proboscidea, Mammalia) skeleton from Franzensbad, Czech Republic. Annalen des Naturhistorischen Museums zu Wien 105A, 2004, S. 333–361
  23. H. J. Gregor, R. Kuhn und D. H. Storch: Deinotherium? ein Proboscidier? Documenta Naturae 130, 2000, S. 1–141
  24. Jeheskel Shoshani: Understanding proboscidean evolution: a formidable task. Tree 13, 1998, S. 480–487
  25. George D. Koufos, Nikolaos Zouros und Olga Mourouzidou: Prodeinotherium bavaricum (Proboscidea, Mammalia) from Lesvos island, Greece; the appearance of deinotheres in the Eastern Mediterranean. Geobios 36, 2003, S. 305–315

Weblinks

 Commons: Deinotheriidae – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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