Debord

Debord

Guy-Ernest Debord (* 28. Dezember 1931 in Paris; † 30. November 1994) war ein französischer Autor, Filmemacher, Künstler und Revolutionär sowie einflussreiches Gründungsmitglied der Situationistischen Internationale.

Inhaltsverzeichnis

Politische Position

Guy Debord war ein radikaler Kritiker des Kapitalismus und der kapitalistischen Ideologie des Konsums, den er als Inszenierung „falscher Bedürfnisse“ anprangert. In seinem Hauptwerk Die Gesellschaft des Spektakels (1967) entwickelt er die Marx’sche Analyse der Entfremdung zu einer Theorie des Spektakels weiter: „Das Spektakel ist das Kapital in einem solchen Grad der Akkumulation, dass es zum Bild wird.“

Debords Buch übte vor allem in Frankreich einen wichtigen Einfluss auf die Bewegung der Neuen Linken um den Pariser Mai ’68 aus. Seine Weiterentwicklung des Marxismus nimmt unter anderem Elemente des Anarchismus auf, steht aber insbesondere Georg Lukács und dessen Geschichte und Klassenbewusstsein sowie dem Rätekommunismus der 1920er Jahre nahe. Das zentrale Anliegen Debords war die Aufhebung der „großen Trennung“ der Individuen voneinander durch eine revolutionäre Praxis der Selbstverwaltung. Debord betonte dabei stets die künstlerische Dimension der Revolution, die Notwendigkeit der Umwälzung auch des alltäglichen Lebens.

Situationistische Internationale

Zusammen mit Asger Jorn gründete Debord in den 50er Jahren in Paris die aus der Spaltung der Lettristen-Bewegung hervorgegangene Lettristische Internationale, aus der 1957 die Situationistische Internationale entstand. In dieser eigentlich basisdemokratischen Gruppe nahm Debord eine häufig kritisierte Dominanzstellung ein.

Die S.I., die in etwa aus jeweils 10-20, aber häufig wechselnden Mitgliedern bestand, übte in den 1960er Jahren bedeutenden Einfluss auf die damalige Studentenbewegung aus. Als in Straßburg 1966 Sympathisanten der S.I. in die dortige Studierendenvertretung gewählt wurden, wehrte sich die SI jedoch gegen den an sie herangetragenen Anspruch, eine Führungsrolle gegenüber den Studierenden einzunehmen, und veröffentlichte stattdessen eine damals höchst skandalöse Broschüre Über das Elend im Studentenmilieu. 1972 löste sich die S.I., vor allem auf das Betreiben Debords hin, nach zahlreichen vorangegangen Ausschlüssen der noch verbliebenen Mitglieder selbst auf.

Künstlerische Tätigkeit

Debord drehte mehrere Filme, in den er mit den Möglichkeiten des Experimentalfilms spielte, wobei er bisweilen auch die Zuschauerreaktionen und den abgedunkelten Kinosaal in die Vorführung miteinbezog: Einer seiner Filme bestand aus Stille und einem minutenlangen Schwarzbild, das gelegentlich zu weiß wechselte, wobei Zitate über Jugend oder Revolution sowie Gesetzestexte zu hören waren (Hurlements en faveur de Sade, Geheul für de Sade, das Geheul stellten dabei die lautstarken Proteste des empörten Publikums dar).

Leben

Nach der Ermordung seines Verlegers unter dubiosen Umständen in Paris verbrachte er die letzten zehn Jahre in einem abgeschiedenen Dorf der Auvergne und nahm sich dort 1994 nach längerer Krankheit das Leben. In seinem Testament verfügte Debord, dass seine Filme nicht mehr aufgeführt werden dürfen.

Zitat

Über die proletarische Revolution schrieb Debord: „Sie kann unbeschwert überall beginnen, wo autonome proletarische Versammlungen die Trennung der Individuen, die Warenwirtschaft und den Staat abschaffen werden, indem sie außerhalb ihrer selbst weder die Autorität noch das Eigentum von irgend jemanden anerkennen und ihren Willen über alle Gesetze und alle Spezialisierungen stellen. Die Revolution wird jedoch nur triumphieren, wenn sie sich weltweit durchsetzt, ohne irgendeiner noch bestehenden Form der entfremdeten Gesellschaft auch nur den kleinsten Raum zu überlassen.“

Filmographie

  • Hurlements en faveur de Sade (1952) 75' ;
  • Critique de la Séparation (1961) 19' ;
  • Sur le Passage de quelques personnes à travers une assez courte unité de Temps (1959) 18' ;
  • La Société de Spectacle (1973) 80' ;
  • In girum imus nocte et consumimur igni (1978) 105'

Werke

Das Gesamtwerk ist bei Nautilus erschienen, aber vergriffen. Einzelausgaben:

  • Die Gesellschaft des Spektakels, Bittermann/Edition Tiamat, Berlin 1996, ISBN 3-923118-97-X
  • Guy Debord präsentiert Potlatch 1954-1957, Bittermann/Edition Tiamat, Berlin 2002, ISBN 3-89320-043-6
  • Panegyrikus, Bittermann/Edition Tiamat, Berlin 2001, ISBN 3-923118-44-9
  • Rapport über die Konstruktion von Situationen und die Bedingungen der Organisation wie Aktion der Situationistischen Internationale und andere Schriften, 1980, ISBN 3-921523-33-8
  • In girum imus nocte et consumimur igni/Wir irren des Nachts im Kreis umher und werden vom Feuer verschlungen, 1985, ISBN 3-923118-75-9
  • Gegen den Film: Drei Experimentalfilmmanuskripte, mit einem Vorwort von Asger Jorn, Edition Nautilus, ISBN 3-921523-29-X

Literatur

  • Vincent Kaufmann: Guy Debord. Die Revolution im Dienste der Poesie, Bittermann, Berlin 2004
  • Stephan Grigat / Johannes Grenzfurthner / Günther Friesinger (Hg.): Spektakel – Kunst – Gesellschaft. Guy Debord und die Situationistische Internationale, Verbrecher Verlag, Berlin 2006
  • Simon Ford: Die Situationistische Internationale. Eine Gebrauchsanleitung, Edition Nautilus, Hamburg 2007, ISBN 978-3-89401-545-9
  • Biene Baumeister / Zwi Negator: Situationistische Revolutionstheorie. Eine Aneignung, Schmetterling Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 3-89657-586-4
  • Marcus Greil: Lipstick Traces, Hamburg 1992 (bes. S. 371-462), ISBN 3-8077-0254-7
  • Gerhard Kaucic / Timothy Liegeti: Guy Debord John Zorn Friederike Mayröcker Philippe Sollers: tel quel jardins des plantes et D mots/scribble and voice, In: Die Grüne F Abyss. Internationale polylinguale Zeitschrift für Grüne Kultur/Politik, Nr.16b/1996, S. 117 ff.
  • archplus – Zeitschrift für Architektur, Nr. 183, Mai 2007: Situativer Urbanismus

Weblinks


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