Das siebente Siegel

Das siebente Siegel
Filmdaten
Deutscher Titel Das siebente Siegel
Originaltitel Det sjunde inseglet
Produktionsland Schweden
Originalsprache Schwedisch
Erscheinungsjahr 1957
Länge 92 Minuten
Altersfreigabe FSK 16
Stab
Regie Ingmar Bergman
Drehbuch Ingmar Bergman
Produktion Allan Ekelund
Musik Erik Nordgren
Kamera Gunnar Fischer
Schnitt Lennart Wallén
Besetzung

Das siebente Siegel ist ein historisches Filmdrama aus dem Jahr 1957 von Regisseur Ingmar Bergman.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Die Handlung spielt in Schweden, vermutlich Südwest-Schweden, nördlich von Helsingborg in Küstennähe (wahrscheinlich am Kattegat). Denn die Schauspielerfamile will nach Helsingborg, wovon ihnen jedoch abgeraten wird, weil dort die Pest wütet. Die verschiedenen Handlungsorte sind: Küste; Lichtung (Schauspielerfamilie); Siedlung (Zusammenführung Handlungsstränge Ritter-Gauklerfamilie); Wald; Blocks Burg (Malteserkreuz); Waldrand; Wiese (wo die Gauklerfamilie am Schluss nach dem Gewitter aufwacht); Hügel (Totenreigen).

Die mutmaßliche Jahreszeit, in welcher der Film spielt, ist der Frühling. In einer Szene kommt der Kuckucks-Ruf vor. Der Kuckuck ist ein Zugvogel, der in den Süden Skandinaviens Anfang Mai, im Norden Anfang Juli aus dem Süden zurückkehrt. Die Handlungsdauer des Films beträgt einen Tag: Der Film beginnt am Morgen des ersten Tages und endet am Morgen des zweiten Tages. Es ist also keine Einheit von Ort und Zeit gegeben, auch wenn die erzählte Zeit sich nur über einen einzigen Tag erstreckt.

Mitte des 14. Jahrhunderts kehrt der Ritter Antonius Block mit seinem Knappen Jöns vom Kreuzzug aus dem Heiligen Land zurück und findet seine Heimat von der Pest verwüstet. Der Tod erscheint ihm mit der Mitteilung, dass seine Zeit gekommen sei. Er schlägt dem Sensenmann eine Partie Schach vor, in der die Entscheidung über sein Leben fallen soll. Die Partie wird über die gesamte Handlung hinweg zu verschiedenen Gelegenheiten gespielt, zu denen der Tod erscheint. Solange die Partie nicht entschieden ist, wird ihm Aufschub gewährt. Gewinnt er, soll er verschont werden. Er spielt zunächst stärker als der Tod.

Antonius möchte den Aufschub für eine sinnvolle Tat nutzen und sucht nach der Antwort auf Sinnfragen des Lebens. Er setzt seine Reise durch das Land fort, um sein Schloss zu erreichen, in dem seine Frau auf ihn wartet. Sein Knappe rettet in einem von der Pest gezeichneten ausgestorbenen Dorf ein Mädchen vor einem Räuber. Sie reisen weiter und betreten eine Kirche, in der es dem Tod durch einen Trick gelingt, Antonius seine Strategie im Schachspiel zu entlocken. Aber der Tod gibt Antonius keine Antwort nach dem Sinn des Lebens oder der Existenz Gottes.

Auf seiner Reise trifft der Ritter verschiedene Leute: einen Schmied und seine Frau, ein Mädchen, das der Hexerei angeklagt ist und eine Schauspielerfamilie, Mia, Jof und deren Sohn Michael, die inmitten des Leidens ihre Lebensfreude bewahrt hat. Sie schließen sich ihm an, um unter seinem Schutz einen großen Wald zu durchqueren. Während einer Rast erscheint der Tod abermals und fordert Antonius auf, das Spiel weiter zu spielen. Dem Tod gelingt es, Antonius' Dame zu schlagen und dessen Niederlage unausweichlich zu machen. Jof, der das Spiel heimlich beobachtet hat, bekommt Angst und stiehlt sich mit Mia heimlich davon. Antonius bemerkt ihr Weggehen und lenkt solange den Sensenmann ab, indem er scheinbar aus Versehen alle Figuren umwirft. Der Tod stellt die Figuren wieder auf und zieht eine Figur mit den Worten „Beim nächsten Zug wirst du schachmatt sein“. Er bricht an dieser Stelle das Spiel ab und kündigt an, Antonius und die übrigen Begleiter bei seinem nächsten Erscheinen mit sich zu nehmen. Antonius willigt ein, fragt den Tod aber noch nach dessen Geheimnis. Der Tod antwortet, dass er kein Geheimnis habe, statt dessen völlig unwissend über die Dinge der Welt sei. Er wisse lediglich, dass ihm niemand entkommen könne, sieht hierin aber nichts besonderes. Nachdem der Tod sich verabschiedet hat, ist Antonius froh, das Leben der glücklichen Familie gerettet zu haben.

Die Reisenden kommen zur Burg, wo der Ritter seiner Frau, die nicht vor der Pest geflohen ist, begegnet. Sie lädt alle zum Mahl ein. Während sie essen, erscheint der Tod, um sie alle mitzunehmen. In der letzten Handlungsszene nehmen die Beteiligten das Erscheinen in einem zweiminütigen Langschnitt unterschiedlich auf, wobei die Szene mit Fokus auf das lächelnd niederknieende Mädchen endet, das hier ihren einzigen Satz (Ich bin bereit) im Film spricht, der als Es ist vollbracht! oder Das ist das Ende! interpretiert werden kann. (Schwedisch: Det är fullbordat, englisch übersetzt je nach Version als It is finished beziehungsweise The Time is near.)

Am Filmende kriecht die Schauspielerfamilie am nächsten Morgen aus dem Wagen und ist froh, dass sie vom frühzeitigen Sterben verschont worden sind. Jof sieht am Horizont, auf einem Hügel, wie der Tod Antonius und seine Begleiter an einem Strick gefesselt in das Land der Finsternis führt. Er interpretiert das Ziehen und Zerren der Verdammten als Totentanz. Mia meint lächelnd, ihr Gatte solle nicht glauben, seine Illusionen entsprächen der Wirklichkeit.

Die Erzählstruktur besteht aus einem Plot, der sich in zwei Hauptsträngen abspielt, nämlich der Geschichte der Gauklerfamilie einerseits und andererseits die Geschichte des irrenden Ritters. Die Wege kreuzen sich zeitweise, aber am Ende trennen sie sich zum Glück für die Gauklerfamilie auch wieder. Die interagierenden Personen verwenden vorwiegend das Element des gesprochenen Dialogs. Auch ist ein als Dialog getarnter Monolog (Ritter Blocks Beichte) erkennbar. Im Film wechseln sich positive und negative Extremsituationen ab: Einerseits werden idyllische Verhältnisse mit der Gauklerfamilie auf einer sonnigen Wiese dargestellt. Andererseits wird mit der Hexenverbrennung und dem Zug der Selbstkasteienden die finstere Seite des Lebens veranschaulicht. Diese unterschiedlichen Extreme werden mit der Allgegenwärtigkeit des Todes in Verbindung gesetzt: Der Tod kommt fast in jeder Szene vor, sei es als Personifizierung oder sei es als simple Requisite eines Schädels oder des Schachbretts.

Historischer Hintergrund

Die in der Beilage zur DVD angegebene Jahreszahl ist 1351. Diese Jahreszahl lässt sich mit dem Wissen über die Pest in Schweden vereinbaren, welche ab der Mitte des 14. Jahrhunderts in diesem Gebiet wütete. Die Pest erreichte Oslo im Herbst 1348. Zur selben Zeit hat die Pest auch eine Ortschaft nahe Göteborg erreicht. Schriftlich dokumentiert ist die Pest in Süd-West Schweden um 1350.

Der Film basiert nicht auf einer zeitgenössischen Quelle im engeren Sinne. Jedoch werden unterstützende mittelalterliche Darstellungen filmisch umgesetzt. Zu erwähnen ist hier Jofs Vision von der gekrönten Jungfrau Maria, was der (realen) mittelalterlichen Ikonographie von Mariendarstellungen entspricht. Ein weiteres Beispiel für solche Visualisierungen von zeitgenössischer Kunst findet sich in der letzten Szene des Films, nämlich der Totentanz (auch Totenreigen genannt). Der Tod wurde u.a. mit Verstorbenen ausgelassen tanzend dargestellt. Jedoch treten erhaltene Darstellungen von Totentänzen erst viel später nach der erwähnten Pestwelle auf.[1] Somit wird eine reale historische Gegebenheit von Bergmann in eine Zeitspanne übertragen, in der vermutlich keine Darstellungen von Totentänzen gefertigt wurden.

Die Figuren werden von Bergman idealtypisch konstruiert. Eine wichtige Rolle spielt die gesellschaftliche Rollenverteilung im Film.

a) Sicher kann der Ritter Block dem Adelsstand zugerechnet werden; standesgemäß besitzt er eine Burg, trägt Rüstung und reitet ein Pferd, spielt Schach. Dass er ein idealtypischer Ritter ist, beweist er auch durch seine Reise ins Heilige Land. Allerdings scheint er im Film wichtigeres zu tun haben, als Herrschaft auszuüben (außer vielleicht über seine Begleiter). Er besitzt einen Knecht, Jöns. Vor allem im Vergleich zu seinem Knappen hat Block gute Manieren und denkt philosophisch (wenn auch sehr neuzeitlich). Auch in Abhängigkeit von Block steht seine Ehefrau, die jahrelang auf ihn in der Burg wartet und ausharrt, obwohl die Pest sich rasant nähert und die meisten Leute aus der Umgebung schon geflohen sind. Der Knappe Jöns hat eine Magd, die bis am Schluss stumm bleibt. Weil er sie vor einer Vergewaltigung gerettet hat, folgt sie ihm.

b) Die Schauspieler der Gauklerfamilie sind in einer der untersten Gesellschaftsschichten einzuordnen und als solche Schichtzugehörigen werden sie auch behandelt, wenn sie etwa mit Tomaten (oder ähnlichem) beworfen werden. Sie sind zur Gänze aus dem Lehnsystem ausgeklammert und können sich nicht auf Schutz von einem Lehnherrn aufgrund der Vasallität berufen.[2] Sie sind Fremde, wohin sie auch kommen. Jof wird im Dorf für einen Dieb gehalten und muss in der Kneipe den Tanzbären mimen. Allerdings scheint Bergman ihnen im Vergleich zu den andern Figuren große Freiheit gegenüber den Herrschaftsstrukturen zuzugestehen. Sie reisen, treffen Leute, begeben sich aber nicht in Abhängigkeit und können vielleicht gerade dadurch dem Tod entfliehen.

c) Unklar bleibt die Herrschaftsausübung vor Ort, z.B. im Dorf oder in der Herrschaft von Antonius Block. Es kommen nur wenige Befehle vor, das mittelalterliche Dorf scheint sich von alleine zu verwalten. Die Bauern werden nicht als zu einem Herrn gehörig gekennzeichnet.

d) Der Tod kann natürlich keinem gesellschaftlichen Typus zugeordnet werden, doch im Film übt er eine Herrschaftsfunktion aus. Als zentrales Thema des Films und die Erzählstruktur prägendes Element kann seine „gesellschaftliche“ Gegenwart in der Kirche gefunden werden: in zahlreichen Szenen treten verschiedene religiöse Exponenten – durch die bildliche Sprache eindeutig als düsteres, unheilbringendes Element identifiziert – dem Ritter, sowie auch der Gauklerfamilie als Antagonisten gegenüber.

Wichtig scheint gerade, dass die sich zur Reise zusammenfindenden Personen – eine auch gesellschaftlich gesehen durchaus heterogene Gruppe – die von Tod und Verderben beherrschte Welt überwinden möchten. Insofern lösen sich die gesellschaftlichen Herrschaftsstrukturen auf der Reise auf. Dementsprechend endet der Film mit einer Totentanz-Szene: Der Tod holt alle, egal ob Ritter oder Magd.

Umsetzung des Mittelalterstoffs/Mittelalterbild

Der Film kann als eine düstere Konstruktion des Mittelalters angesehen werden, die hauptsächlich den landläufigen Erwartungshaltungen entspricht: Das Leben im Mittelalter wird als Qual dargestellt. Es ist ungemein düster und hat nur wenige Lichtblicke, die den entbehrungsreichen Alltag erträglich machen. Die wenigen Lichtblicke vermögen das finstere Elend nicht vollends zu erhellen, doch ohne sie wäre es unendlich viel grausamer. Die einzige Erlösung von dieser Qual wird einem nach dem Tod im Jenseits gewährt. Nur die Trias Jof, Mia und Mikael entgehen im Film dem Tod und scheinen ein angenehmeres Leben als andere zu haben (obwohl sie in der Gesellschaftshierarchie an unterster Stelle stehen).

Vor allem die romantischen Seiten des Mittelalterbildes sind komplett ausgelassen: Festbankette, Kathedralen, Städte, Papst und König, Turnier, Minne, Prinzessinnen. Von der Kirche wird auch nur die düstere Seite betont, das Mönchstum und die Bildung der Zeit werden nicht behandelt. Generell lässt sich sagen, dass allenfalls positive Seiten des Mittelalters konsequent ausgeblendet werden.

Dass der Film schwarz-weiß gedreht wurde, ist wichtig für die Mittelalterstimmung. 1957 war der Farbfilm schon längst erfunden und hat sich auf breiter Basis durchgesetzt. Wahrscheinlich wollte Bergman seinen Film dadurch bewusst archaisch wirken lassen. Vielleicht liegt sogar eine gewisse Symbolik in den Farben schwarz und weiß. Jedoch arbeitete Bergman auch in anderen Filmen mit der Schwarz-weiß-Technik.

Die verschiedenen Szenen sind sehr gegensätzlich gestaltet und pendeln sich zwischen fröhlichem Frühlingswetter (vornehmlich im Erzählungsstrang der Gauklerfamilie) und Unwetter/Gewitter (im Erzählungsstrang Block) ein. Die Aufnahmetechnik schwarz-weiß betont bei der Betrachtung mit heutigen Augen eher die düsteren Szenen, während in den eigentlich friedlichen Szenen ebenfalls kaum Euphorie aufkommt.

Bergman lässt die Kamera immer wieder in die Natur schweifen, die sehr rau dargestellt wird, z.B. über Abhänge, Klippen, Wald. Auch das Wetter verwendet er dazu, die Stimmung der Charaktere und den Inhalt von Dialogen zu untermalen (z.B. das Gewitter, nachdem Block schachmatt steht).

Im Gegensatz zu anderen „Mittelalter“-Filmen verzichtet der Regisseur im Siebenten Siegel auf strukturierte Gewalt seitens der Herrschaft. Es finden keine Actionszenen statt wie in den meisten anderen Mittelalterfilmen. Nicht Ritterturniere, Krieg und Unterdrückung der unfreien Plebs sind Thema, sondern wie Individuen leben, denken, fühlen und mit dem unausweichlichen Schicksal umzugehen versuchen.

Als ‚mittelalterlich’ kann wohl der Werdegang des Ritters Antonius Block bezeichnet werden. Der für ihn enttäuschend verlaufene Kreuzzug hat seiner Suche nach Gott keinen befriedigenden Abschluss gebracht; nichtsdestotrotz bricht er die Suche nicht ab und zeigt in dieser Hartnäckigkeit des philosophischen Fragens geradezu Züge des neuzeitlichen Subjekts. Dadurch wirkt Block sehr anachronistisch.

Die gemeinsame Reise in einer vom Elend heimgesuchten Welt, die schließlich (für die einen) in den Tod bzw. (für die anderen) in eine symbolische Erlösung führt, kann als ‚mittelalterlich’ bezeichnet werden. Geschlafen und gegessen wird unter freiem Himmel, es wird eine ungebundene, unstrukturierte Lebensweise gepflegt.

Als ‚mittelalterlich’ kann der raue Umgangston in der Kneipe und den Gauklern gegenüber angesehen werden; gesellschaftliche Normen sind nur in sehr basaler Form vorhanden. Auch fällt ein hemmungsfreier Umgang mit Sexualität seitens des Prinzipals Skat und Lisa auf, was wohl als mittelalterlich angesehen werden soll. Selbstverständlich erscheint den Beteiligten die versuchte Vergewaltigung der ‚stummen Magd’. Der Knappe Jöns versucht, diese dadurch in seine Pflicht zu bringen, dass er sie darauf hinweist, dass er sie hätte vergewaltigen können (er hat sie aber gerettet). Für Bergman ist die Kirche und das Christentum spezifisch für das Mittelalter, vor allem aber die vor-aufklärerischen Momente: Der Büßerzug soll wohl als mittelalterlich verstanden werden. Der Anführer des Zugs fällt durch seine Untergangsrhetorik, seine Rede vom Tod und der Pest, der Verderblichkeit des Menschengeschlechts und dessen Todgeweihtseins auf. Die Verbrennung der vom Teufel besessenen Frau wird durch Angehörige des Klerus durchgeführt. Die Andachtshaltung der Menschen, als der Büsserzug eintrifft, wirkt wie eine Antithese der groben Haltung im Alltag. Hier zeigt Bergman das Mittelalter als „Zeitalter der Extreme“.

Das Mittelalterbild, das Bergman insgesamt inszeniert, ist negativ überzeichnet. Alle Eigenschaften, die an den Hauptpersonen positiv in Erscheinung treten, sind eher neuzeitliche Charakteristiken, wobei Bergman dadurch jenes Mittelalter(-bild) zementiert, das die Hauptpersonen zu überwinden versuchen.

Anachronismen/Erwartungshaltung des Publikums

Kaum wahrscheinlich ist, dass der gesamte Film stets Rücksicht auf fundierte Quellen nimmt. Beispielsweise kann es erstaunen, dass jeder einfache Soldat mit einem (damals außerordentlich teurem) „Kettenhemd“ ausgerüstet ist. Da der Film in schwarz-weiß gehalten ist, könnte man vermuten, dass etwaige „Fehler“ in der übrigen Bekleidung besser kaschiert werden können. Wahrscheinlich ist es für Bergman unwichtig, historisch zu arbeiten. Das wurde ihm von seinen Kritikern auch vorgeworfen.

Bergman wurde oft vorgeworfen, er habe ein neuzeitliches Personal in mittelalterliche Kostüme gesteckt. Vor allem Block ist ein wandelnder Anachronismus. Ritter Block ist in seinem Wesen total neuzeitlich gezeichnet. Er befindet sich auf der Suche nach dem Sinn des Lebens vor dem Hintergrund des Todes und der Grausamkeit der Menschen. Die Frage nach der Existenz Gottes ist wahrscheinlich in dieser Form im Mittelalter nicht gestellt worden, sondern wurde als Tatsache wahrgenommen. Eher, als die Existenz Gottes anzuzweifeln, hätte man in den meisten Fällen wohl versucht, Gott zu beschwichtigen durch Reue und Umkehr.

Ähnlich verhält es sich mit Jöns, dem Knappen. Sein Zynismus und sein verachtender Blick auf alles sind vermutlich ebenfalls untypisch fürs Mittelalter und könnten eher als eine Art Rückprojektion eines Hesse’schen Steppenwolfes ins Mittelalter angesehen werden.

Grundsätzlich verwendet Bergman einen Zeichenschatz, der relativ zeitlos wirkt und für das gesamte Mittelalter stehen könnte, so vor allem die Bauern und das Dorf. Nur in Details lassen sich allenfalls Anachronismen in der Ausstattung entdecken. Zum Beispiel die Rüstung Antonius Blocks scheint eher ins Hochmittelalter zurückzuweisen als ins Spätmittelalter, und die Kleidung der Ehefrau des Schmiedes erinnert eher an ein bayerisches Dirndl als an mittelalterliche Kleidung.

Als typisch mittelalterlich wird ein Hexenprozess inszeniert. Da die Handlung im Jahr 1351 spielt, kann dies als ein Anachronismus bewertet werden. Die Handlung hat aber die Funktion, den inneren Konflikt des Ritters auf seinem Höhepunkt darzustellen.

Bergman gilt als typischer Vertreter des Autorenkinos. Wahrscheinlich war sein Name eher ein Magnet für die Zuschauer als die Handlung oder das Mittelalter als Rahmen der Handlung.

Musik

Interessant ist die Verwendung von Musik. Bergman verwendet Musik relativ spärlich. Gerade in der ersten Szene ertönt das zentrale musikalische Zitat aus dem Dies irae, der Sequenz der Totenmesse, gespielt von Blechbläsern (die Posaune spielt im Text der Apokalypse, der dem Film den Namen gab, eine wichtige Rolle). Dass die Verwendung dieses Zitats kein Zufall ist, zeigt sich in der Prozessionsszene: Die Teilnehmer singen die Sequenz mit dem ursprünglichen lateinischen Text (aber seltsamerweise nicht in ihrem ursprünglichen liturgischen Kontext). Bergman stellt den Film dadurch nicht nur in einen Zusammenhang mit mittelalterlicher „archaischer“ Musik, sondern auch mit der Filmgeschichte: Zitate des Dies irae wurden schon von Fritz Lang in Metropolis verwendet und haben bis heute Konjunktur (von Shining bis Nightmare before Christmas). Wo keine Musik eingesetzt wird, besteht bedrückende Stille, die ebenfalls zur Stimmung beiträgt.

Zum Film

Regisseur Ingmar Bergman schrieb das Drehbuch zu diesem Film basierend auf einem eigenen bereits 1953 geschriebenen einaktigen Theaterstück namens „Trämålning“ (dt.: ‚Holzmalerei’). Zusammen mit seinem langjährigen Szenenbildner P.A. Lundgren erschuf er eine Welt, die wirkt, als wäre sie der mittelalterlichen Ikonografie entstiegen. Einzelne Szenen sind auch direkt von mittelalterlichen Bildern übernommen, etwa der Tod, der den Baum absägt, auf dem ein Mensch sitzt.

Der Film wandelt zwischen den Extremen. Manchmal ist er eine drastische Groteske, die pralles Leben und Sauflust darstellt und drastische Ironie zeigt, zum anderen düstere Melancholie und anmutige Idylle. Es mischen sich Zärtlichkeit und Wut, Liebe und Rohheit, Kühnheit und Versagen.

Zusammen mit dem Nachfolgefilm Wilde Erdbeeren bildet der Film eine gewisse – wenn auch nicht inhaltliche – Einheit. Sucht Block in seiner Umgebung, so sucht Professor Borg in sich selbst nach Antworten. Zusammen mit Die Jungfrauenquelle gehört der Film zu einer Mittelalter-Trilogie Bergmans.

Der Film beginnt mit einem Zitat aus den Offenbarungen des Johannes (8.1). Berühmt ist auch die Schlussszene, in der der Tod mit seinen Opfern in einem Reigen davontanzt. Da die eigentlichen Darsteller zu dieser Zeit schon abgereist waren, traten in dieser Szene Mitglieder des Filmteams und Touristen auf.

Das siebente Siegel gilt heute als einer der ganz großen Klassiker der Filmgeschichte. Der Film wurde, wie viele Bergmanfilme dieser Zeit, in den Filmstudios Filmstaden Solna bei Stockholm gedreht. Bei den Filmfestspielen von Cannes 1957 gewann der Film den Sonderpreis der Jury und Anfang der 1960er Jahre zwei Filmpreise in Spanien und Italien.

Die im Film verwendeten Schachfiguren aus Gips und Holz wurden im September 2009 in Stockholm für 1 Million Schwedische Kronen versteigert.[3]

Kritiken

Ein heimkehrender Kreuzritter findet seine Heimat von der Pest verwüstet vor und fordert den Tod zu einem Schachspiel heraus, das zu der nie endenden Frage um die Existenz Gottes wird. Im Rückgriff auf die Tradition mittelalterlicher Mysterienspiele meditiert der mit großer künstlerischer Kraft gestaltete Film über den Verlust von Sinnbezügen und die Suche nach Haltepunkten in einer neuzeitlichen Welt.

Lexikon des internationalen Films

Auszeichnungen

Das siebente Siegel war im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes 1957 vertreten, wo er zwar den Jurypreis gewann, die Goldene Palme als bester Film jedoch an William Wylers Literaturverfilmung Lockende Versuchung abtreten musste. 1961 wurde Bergmans Regiearbeit mit dem französischen Étoile de Cristal als bester ausländischer Film (Prix International) gekürt. Weitere Preise waren 1961 die Auszeichnung der italienischen Sindacato Nazionale Giornalisti Cinematografici Italiani für Ingmar Bergman als bester ausländischer Regisseur, beste ausländischer Film bei den spanischen Premios del Círculo de Escritores Cinematográficos und der Darstellerpreis für Max von Sydow bei den spanischen Fotogramas de Plata (beide 1962).

DVD-Veröffentlichung

  • Das siebente Siegel. Ingmar Bergman Edition. Arthaus/Kinowelt Home Entertainment 2005

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Schulze, Kathlen: Der Lübeck-Tallinner Totentanz, [1], Stand: 1. Februar 2011
  2. Senn, Marcel/Gschwend, Lukas/Pahud de Mortanges, René: Rechtsgeschichte, auf kultur-geschichtlicher Grundlage (litera B), Zürich, Basel, Genf 32009, S. 50-56.
  3. Auktionshaus Bukowskis, abgerufen 30. September 2009



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