Das Mädchen Rosemarie (1958)

Das Mädchen Rosemarie (1958)
Filmdaten
Originaltitel Das Mädchen Rosemarie
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1958
Länge 101 Minuten
Altersfreigabe FSK 18
Stab
Regie Rolf Thiele
Drehbuch Erich Kuby
Rolf Thiele
Rolf Ulrich
Jo Herbst
Produktion Luggi Waldleitner
Musik Norbert Schultze
Kamera Klaus von Rautenfeld
Schnitt Liesbeth Neumann-Kleinert
Besetzung

Das Mädchen Rosemarie ist ein deutscher Spielfilm aus dem Jahre 1958. Der Film wurde von der Roxy-Film in den CCC-Film-Ateliers in Berlin produziert. Einige Außenaufnahmen wurden in Frankfurt am Main gedreht. Dort fand am 28. August 1958 die Uraufführung statt.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Die junge, aus ärmlichen Verhältnissen stammende Rosemarie Nitribitt wohnt mit den Kleinkriminellen Horst und Walter in einer Souterrain-Wohnung in Frankfurt am Main. Mit diesen beiden durchstreift sie die Innenstadt und zieht unweit eines Hotels die Aufmerksamkeit des Großindustriellen Bruster auf sich. Dieser trifft sich dort mit seinem „Kartell“ von Unternehmern und ist auf der Suche nach nächtlicher Zerstreuung in der Stadt. In diesem Hotel betreut der Concierge Kleie die „Herren“, indem er diesen mittels eines Notizbüchleins zu abendlichen Treffen mit „Damen“ verhilft, diese (auch Rosemarie) jedoch nicht in der Hotel-Lobby duldet. Schon bald macht Rosemarie durch eine Verwechslung die Bekanntschaft des Geschäftsmannes Konrad Hartog (auch dieser Mitglied des „Kartells“) statt der Brusters. Hartog hält sie aus und richtet ihr eine Wohnung ein.

Auf dem Weg zu einem Reitturnier der Familie von Hartog lernt Rosemarie später den Franzosen Alfons Fribert kennen, der als Industriespion tätig ist. Er macht Rosemarie mit dem Umfeld der großen Wirtschaftsbosse bekannt. Währenddessen zeigt sich Hartog über die längere „Pause“ seines eigenen Kontakts zu ihr verschnupft und trennt sich von Rosemarie. Zum Abschied macht er ihr ein Geldgeschenk, das in einen Mercedes 190 SL Roadster (18.000 DM) investiert wird. Fribert benutzt derweil Rosemarie, um an die Geheimnisse der „Herren“ zu gelangen. Mit Hilfe eines Tonbandes werden diese von nun an bei ihren nächtlichen „Plaudereien“ ausspioniert. Die Bänder lässt Rosemarie von einem idealistischen Studenten verstecken.

Rosemarie verlangt schließlich nach gesellschaftlicher Anerkennung. Sie sorgt für einen Skandal, als sie plötzlich auf einem Fest in Brusters Villa und später in Begleitung des Studenten in der vom „Kartell“ frequentierten Nachtbar auftaucht. Damit hat sie den Bogen endgültig überspannt. Eines Tages wird sie in ihrer Wohnung ermordet, während die Autos des „Kartells“ stehend vor Rosemaries Wohnhaus warten.

Hintergrund

Die Verfilmung hat mit der wirklichen Lebensgeschichte der Rosemarie Nitribitt wenig zu tun. Über ihre Herkunft und ihre Jugendzeit schweigt sich der Film völlig aus. Ob sie ihre Kunden wirklich ausspionierte und abhörte, lässt sich nicht nachweisen.

Die Dreharbeiten in Frankfurt stießen auf ungeahnte Schwierigkeiten. So untersagte der Steigenberger-Konzern dem Filmteam, einige Szenen im Foyer des Hotels „Frankfurter Hof“ zu drehen. Es musste in einem Berliner Studio nachgebaut werden. Das Hotel selbst durfte im Film nicht genannt werden und erhielt den fiktiven Namen „Palast-Hotel“. Auch vor dem dem Hotel gegenüberliegenden Mercedes-Autosalon erhielt man keine Drehgenehmigung. Diese Szenen mussten früh morgens aus einem Wagen heraus gefilmt werden.

Als auf Vorschlag der italienischen Festspielverantwortlichen der Internationalen Filmfestspiele von Venedig der Film noch vor seinem Deutschlandstart auf der Biennale gezeigt werden sollte, sah sich der zuständige Filmreferent des Auswärtigen Amtes Franz Rowas am 9. August 1958 den Film gemeinsam mit Vertretern der Export-Union des deutschen Films an. Daraufhin kritisierte Rowas, der Film verallgemeinere negative Erscheinungen und verbinde den politischen Werdegang der Bundesrepublik mit wirtschaftlichem Aufstieg und moralischem Niedergang. Der Streifen könne dem deutschen Ansehen im Ausland schaden und im besonderen jenen Kreisen neue Argumente liefern, die mit Missgunst auf die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik sähen.

Da die Regierung die Aufführung rechtlich nicht verhindern konnte, appellierte Rowas an die staatsbürgerliche Verantwortung der Export-Union. Da auch die Drohung, Zuschüsse zu kürzen oder eine Exportkontrolle für deutsche Filme einzuführen ergebnislos blieb, wies das Auswärtige Amt die deutsche Botschaft in Rom an, beim Leiter der Biennale auf die Absetzung des Films zu drängen. Auch dieses Vorgehen blieb erfolglos.

Mitte August erfuhr die deutsche Presse von dieser staatlichen Einflussnahme. Unter anderem die Neue Rhein Zeitung, Bild und Hamburger Echo berichteten spöttisch über das Vorgehen des Auswärtigen Amtes.

Die FSK prüfte den Film wenig später. Sie erklärte die Ausführungen des Auswärtigen Amtes für unzutreffend und gab das Werk mit nur zwei Änderungen frei. Diese betrafen den Vortext und eine Szene mit marschierender Bundeswehr.

So wurde von der FSK ein Vorspann verlangt, der zum Ausdruck bringe, dass es sich bei den geschilderten Missständen und den kritisierten Leistungsträgern um Ausnahmen handle.[1] Einer Zensur vorbeugend war vom Produzenten bereits ein Bild Ludwig Erhards, das in mehreren Szenen rechts neben dem Bett der Nitribitt hängt, durch einen Unschärfefleck unkenntlich gemacht worden. Mit Hinweis auf dieses Bild hatte zuvor Franz Rowas gedroht, auch das Wirtschaftsministerium, von dem die Export-Union Jahr für Jahr Zuschüsse erhalte, lege größten Wert auf deren entschiedene Haltung.

Zudem zensierte die FSK aus der ursprünglichen Fassung eine Szene, bei der zu einer Wochenschauaufnahme von marschierenden und musizierenden Bundeswehrsoldaten zwei Bänkelsänger den Refrain singen: „Wir haben den Kanal noch lange nicht voll.“ Die Szene sei eine „Herabwürdigung der verfassungsmäßigen und rechtsstaatlichen Grundlagen des deutschen Volkes, da die Bundeswehr eine verfassungsmäßige und rechtsstaatliche Einrichtung der Bundesrepublik ist“. Trotzdem wurde das Lied in der Filmendfassung in einer unverfänglichen Szene abgesungen und zum Schlager. Auch ein weiteres Lied aus dem Film wurde zum Gassenhauer: „Kinder geniesst die Nachkriegszeit, denn bald wird sie wieder zur Vorkriegszeit“.

Jürgen Kniep kam in seinem Buch Keine Jugendfreigabe zu dem Ergebnis, die Vorgänge um Das Mädchen Rosemarie hätten gezeigt, dass die Presse ihre äußerst zahme und regierungsloyale Haltung der frühen fünfziger Jahre inzwischen abgelegt hatte und direkte Eingriffe des Staates nun als unstatthafte Zensur ablehnte.

Stimmen und Kritiken

  • Aus Sicht von Reclams Filmführer (11. Auflage, Stuttgart 2000, S. 413-414) würde sich die Inhaltsangabe wie ein „Kolportage-Drama“ anhören. Über weite Strecken wirke Das Mädchen Rosemarie als „durchaus treffende Satire auf gesellschaftliche Zustände in der Bundesrepublik“, während der banale Handlungsablauf durch „aggressive Songs (Musik: Norbert Schultze) unterbrochen und verfremdet“ und kabarettistische Einlagen die Elemente der Sentimentalität auf ein Minimum reduzieren würden. Stärker sei die Provokation, der sich der Zuschauer bei dem Film ausgesetzt sieht, wobei gelegentlich Absicht und künstlerische Mittel auseinander klaffen würden. Dies sei unter anderem bei der Darstellung der Industriekapitäne der Fall, bei dem der Versuch, „diese zu furchterregenden Mafia-Bossen emporzustilisieren“, eher oberflächlich und naiv wirke.
  • Laut dem Lexikon des Internationalen Films (Ausgabe 1990, Seite 2391) glossiere der Film unter der sorgfältigen Regie Rolf Thieles „in einer Mischung aus Persiflage, Kabarett und Moritat die Doppelmoral der bundesdeutschen Gesellschaft der Wiederaufbauzeit“. Zu den Wurzeln der „attackierten Mißstände“ könne Das Mädchen Rosemarie jedoch nicht vordringen.
  • Das Lexikon des deutschen Films (S. 208) hebt die parabelhafte Rahmenhandlung heraus, die mit Hilfe der zeitkritischen Lieder von Norbert Schultze die Wirtschaftswunder und Adenauer-Ära kommentiere. „Sardonischer Witz und eine visuell einfallsreiche Regie machen Thieles Film zur treffenden Satire bundesdeutscher Wirklichkeit und bürgerlicher Doppelmoral.“
  • Für Filmkritiker Hans Schifferle (in: 100 Jahre Kino – 100 Jahre deutscher Film, Süddeutsche Zeitung, München) ist Thieles Film wie auch dessen ganzes unüberschaubares Oeuvre „ein einziger Mischmasch, eine Mixtur aus Abstraktion und Naturalismus, aus Kabarett, Melo und Rock-n-Roll.“ Schifferle hebt jedoch die Szenen der bizarren Party mit Gert Fröbe hervor, die „eine herrliche Sequenz über die Obszönität des Wohlstands“ darstellten.

Auszeichnungen

Im Jahr 1958 wurde Das Mädchen Rosemarie mit dem Preis der deutschen Filmkritik ausgezeichnet und fand im selben Jahr Aufnahme in den Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele von Venedig. Zwar musste sich Thieles Film bei der Vergabe um den Goldenen Löwen Hiroshi Inagakis Drama Der Rikschamann geschlagen geben, jedoch wurde die Filmproduktion mit dem Premio Pasinetti ausgezeichnet. Ein Jahr später erhielt Thiele den Regiepreis des argentinischen Festival Internacional de Cine de Mar del Plata, während bei der Golden-Globe-Verleihung 1959 der Film gemeinsam mit dem französischen Beitrag Wenn die Flut kommt von François Villiers und der jugoslawisch-italienischen Koproduktion Straße der Leidenschaft von Giuseppe De Santis den Preis für den besten fremdsprachigen Film erhielt.

Weitere Verfilmungen

  • 1959 entstand Die Wahrheit über Rosemarie unter der Regie von Rudolf Jugert, mit dem man an den Erfolg des Thiele-Films anzuknüpfen gedachte. Die Hauptrolle in dem heute beinahe vergessenen und im deutschen Fernsehen bisher nie gezeigten Film, übernahm die Engländerin Belinda Lee, die 1961 bei einem Autounfall ums Leben kam.
  • 1976 griff Thiele Mit Rosemaries Tochter das Nitribitt-Thema erneut auf. Für seine letzte Regiearbeit konnte er Hanne Wieder, Jo Herbst und Horst Frank gewinnen, die schon in der Erstverfilmung von 1958 vor der Kamera gestanden hatten.
  • 1996 drehte Bernd Eichinger mit Nina Hoss eine gleichnamige Wiederverfilmung des Stoffes für das Fernsehen, das inhaltlich allerdings in einigen Punkten von der Urfassung abweicht.

Literatur

  • Christa Bandmann und Joe Hembus: Klassiker des deutschen Tonfilms 1930–1960. München 1980, Seite 184
  • Marli Feldvoß: Wer hat Angst vor Rosemarie Nitribitt? Eine Chronik mit Mord, Sitte und Kunst aus den fünfziger Jahren. In: Zwischen Gestern und Morgen. Westdeutscher Nachkriegsfilm 1946–1962. Ausstellungskatalog, Frankfurt am Main 1989, Seite 164–182
  • Jürgen Kniep: „Keine Jugendfreigabe!“ Filmzensur in Westdeutschland 1949–1990, Wallstein Verlag Göttingen 2010 ISBN 978-3-8353-0638-7
  • F.-B. Habel: Zerschnittene Filme. Zensur im Kino. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig 2003, ISBN 3-378-01069-X

Weblinks

Einzelnachweise

  1. F.-B. Habel: Zerschnittene Filme. Zensur im Kino, Kiepenheuer, Leipzig, 2003, S. 65

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Das Mädchen Rosemarie (Film) — Das Mädchen Rosemarie ist der Titel zweier Filme: Das Mädchen Rosemarie (1958) Das Mädchen Rosemarie (1996) …   Deutsch Wikipedia

  • Das Mädchen Rosemarie — ist der Titel zweier Filme: Das Mädchen Rosemarie (1958), ein Kinofilm von Rolf Thiele Das Mädchen Rosemarie (1996), ein Fernsehfilm von Bernd Eichinger Diese Seite ist eine Begriffsklärung zur Unterscheidung mehrerer mit demselben …   Deutsch Wikipedia

  • Rosemarie Nitribitt — Rosemarie Nitribitt, eigentlich: Rosalie Marie Auguste Nitribitt, (* 1. Februar 1933 in Düsseldorf[1]; † vermutlich 29. Oktober 1957[2] in Frankfurt am Main) war eine Frankfurter Prostituierte, die ermordet wurde. Die als Edelprostituierte… …   Deutsch Wikipedia

  • Rosemarie Nitribitt — Rosalie Marie Auguste Nitribitt (February 1, 1933 – October 29, 1957) [The exact day of her death was found to be unsatisfactorily determined during the trial of Heinz Pohlmann.] was a German call girl whose violent death caused a scandal in the… …   Wikipedia

  • 1958 — Portal Geschichte | Portal Biografien | Aktuelle Ereignisse | Jahreskalender ◄ | 19. Jahrhundert | 20. Jahrhundert | 21. Jahrhundert   ◄ | 1920er | 1930er | 1940er | 1950er | 1960er | 1970er | 1980er | ► ◄◄ | ◄ | 1954 | 1955 | 1956 | 1957 |… …   Deutsch Wikipedia

  • Rosemarie Albach-Retty — Romy Schneider auf einer Briefmarke der Deutschen Post (2000) Romy Schneider (* 23. September 1938 in Wien; † 29. Mai 1982 in Paris; eigentlich Rosemarie Magdalena Albach) war eine österreichisch deutsch französische Schauspielerin, die im… …   Deutsch Wikipedia

  • Rosemarie Magdalena Albach — Romy Schneider auf einer Briefmarke der Deutschen Post (2000) Romy Schneider (* 23. September 1938 in Wien; † 29. Mai 1982 in Paris; eigentlich Rosemarie Magdalena Albach) war eine österreichisch deutsch französische Schauspielerin, die im… …   Deutsch Wikipedia

  • Rosemarie Magdalena Albach-Retty — Romy Schneider auf einer Briefmarke der Deutschen Post (2000) Romy Schneider (* 23. September 1938 in Wien; † 29. Mai 1982 in Paris; eigentlich Rosemarie Magdalena Albach) war eine österreichisch deutsch französische Schauspielerin, die im… …   Deutsch Wikipedia

  • La Fille Rosemarie — Das Mädchen Rosemarie    Comédie dramatique de Rolf Thiele, avec Nadja Tiller, Peter Van Eyck, Karl Raddatz, Gert Fröbe.   Pays: R.F.A.   Date de sortie: 1958   Technique: noir et blanc   Durée: 1 h 41    Résumé    À Francfort, en 1957, une jolie …   Dictionnaire mondial des Films

  • La Fille Rosemarie — Données clés Titre original Das Mädchen Rosemarie Réalisation Rolf Thiele Scénario Rolf Thiele Erich Kuby Jo Herbst Acteurs principaux Mario Adorf Peter van Eyck Nadja Tille …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”