Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II.

Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II.
Philipp II. (1527–1598)

Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II. (franz. La Méditerranée et le monde méditerranéen à l'époque de Philippe II) ist das Hauptwerk des französischen Historikers und Hauptrepräsentanten der zweiten Generation der Annales-Schule, Fernand Braudel (1902–1985). Das umfassende dreibändige Werk widmet sich der Geographie, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelmeerraums bis in die Zeit Philipps II. von Spanien.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Bereits 1923, als Braudel, damals als Gymnasiallehrer im seinerzeitigen französischen Algerien tätig war, dachte er über eine Habilitationsschrift („thèse“) über ein diplomatiegeschichtliches Thema nach: Philipp II. von Spanien und der Mittelmeerraum in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Lucien Febvre, der bereits über Philipp II. gearbeitet hatte, regte seinen Studenten Braudel an, das Thema umzukehren: „Warum nicht 'Das Mittelmeer und Philipp II.'?“ Damit eröffnete sich ein ganzer geographischer Raum als hauptsächlicher Akteur eines historiographischen Werkes.

Braudel schloss seine umfangreichen Recherchen, die ihn in Archive in Genua, Rom, Venedig, Palermo, Dubrovnik und Simancas geführt hatten, wenige Tage vor seiner Mobilisierung zur französischen Armee im Jahr 1939 vor dem Hintergrund des ausbrechenden Zweiten Weltkrieges ab. Am 29. Juni 1940 geriet er in den Vogesen in deutsche Kriegsgefangenschaft und blieb es bis 1945. In einer enormen Gedächtnisleistung schrieb er dort, ohne Zugang zu seiner über Jahre angehäufte enorme Materialsammlung in unzähligen Heften auf rund 4000 Seiten drei Versionen seines künftigen Buches. Aufgrund der Genfer Konvention wurde ihm auch in die Gefangenschaft sein Sold überwiesen und er konnte damit nicht nur deutsche Bücher für seine Studien ankaufen, sondern auch eine umfangreiche Korrespondenz mit Fachkollegen und seiner Frau Paule und seiner Familie führen. Bis 1942, als er beschuldigt wurde, Freimaurer zu sein, hatte er außerdem noch privilegierten Zugang zu deutschen Bibliotheken.

Braudel legte die Habilitation 1947 vor, die zwei Jahre später, 1949 auf 1160 Seiten erstmals veröffentlicht wurde. Es folgte 1966 eine Überarbeitung, wobei der Umfang des Werks auf 1222 Seiten anwuchs und Übersetzungen in zahlreiche Sprachen und ebenso zahlreiche Neuauflagen.

Inhalt

Braudel unterscheidet in den drei Bänden seines Mittelmeers drei Zeitebenen: erstens die longue durée (Lange Dauer), die sich auf die geographischen Rahmenbedingungen bezieht. Sein Anliegen war es, eine „histoire global“ zu schreiben, die nicht mit „Globalgeschichte“ ins Deutsche übersetzt werden darf: Es geht dabei nicht um „Weltgeschichte“, sondern es handelt sich darum die Grenzen des vorliegenden Problems zu überschreiten: das Mittelmeer ist nicht das Mittelmeer selbst, sondern Braudel lässt auch das „erweiterte Mittelmeer“, das Flandern und die Hanse ebenso mit einschließt, wie den Atlantik, die Sahara und den Indischen Ozean[1].

Tatsächlich setzt die Darstellung mit der geologischen Entstehung des Mittelmeeres ein und endet mit dem Tod Philipp II. am 13. September 1598[2]. Im ersten Band werden die wiederkehrenden Ereignisse, die Jahreszeiten ihre Auswirkungen auf die Verhältnisse auf der See und die Stürme, die wiederkehrenden Hirtenwanderungen (Transhumanz), die Auswirkungen der sumpfigen Ebenen und der Gebirge auf den Verlauf der menschlichen Geschichte beschrieben.

Der zweite Band ist der längerfristigen Geschichte (moyenne durée) gewidmet, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen, den Handelswegen, den wirtschaftlichen Zyklen. Der dritte und letzte Band beschäftigt sich mit der „eigentlichen“ Geschichte, dem Verlauf der Ereignisse oder wie Braudel es nennt, der histoire eventuelle. Diese „Geschichte des Tages“ sei nur „Schaum auf der Welle der Ereignisse“.

Literatur

  • Fernand Braudel, Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II, 3 Bände, 1864 S. Suhrkamp, 2001, ISBN 3-518-58056-6
  • Peter Burke, Die Geschichte der "Annales". Die Entstehung der neuen Geschichtsschreibung. Berlin 2004.
  • H. R. Trevor-Roper, Fernand Braudel, the Annales and the Mediterranean, In: Journal of Modern History 44 (1972), Seite 468-479.

Einzelnachweise

  1. Peter Burke, Die Geschichte der „Annales“. Die Entstehung der neuen Geschichtsschreibung. Berlin 2004, Seite 152.
  2. Markus Völkel: Geschichtsschreibung. Eine Einführung in globaler Perspektive. Köln-Weimar-Wien (utb- Taschenbuch) 2006, Seite 334.

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