Corinium Dobunnorum

Corinium Dobunnorum
Plan der römischen Stadt

Corinium Dobunnorum (meist nur Corinium) ist der antike Name von Cirencester. Es handelte sich mit 96 ha um die zweitgrößte Stadt des römischen Britanniens. Die Stadt war das administrative und wirtschaftliche Zentrum im Westen der britischen Provinz. Am Ende des dritten Jahrhunderts wurde Corinium Dobunnorum Sitz der Verwaltung der neu eingerichteten Provinz Britannia prima.

Inhaltsverzeichnis

Name

Corinium ist die romanisierte Version eines keltischen Namens, der vielleicht original Cironion lautete. Demnach erscheint die Stadt als Cironium Dobunorum bei dem Geograph von Ravenna. Dobunni ist der Name des hier siedelnden keltischen Stammes, der auch vor der Ankunft der Römer eigene Münzen prägte.

Geschichte

Die Stadt oder zumindest ein Vorgängerort in dieser Gegend (wohl 4,8 km nordwestlich gelegen, bei Bagendon) war schon in vorrömischer Zeit Hauptort des keltischen Stammes der Dobunni. Kurz nach der römischen Eroberung Britanniens wurde auf dem Gebiet der späteren Stadt ein militärisches Lager errichtet, neben dem auch ein zivile Siedlung entstand. Hier wurde nach der Aussage von zwei Grabsteinen, wohl in einer zweiten Bauphase eine Kavallerieabteilung stationiert. Es war die Ala Gallorum Indiana, später die Ala I Thracum. Der Ort lag an dem kleinen Fluss Churn und an der Kreuzung zweier wichtiger Verkehrswege.

Die alte keltische Stadt wurde anscheinend nicht zerstört, aber es hat den Anschein, dass immer mehr Bürger in die Nähe des Militärlagers zogen. Diese Zivilsiedlung bestand hauptsächlich aus Holzbauten. Als dieses Lager aufgegeben wurde gab es hier schon eine blühende Siedlung. Die römische Stadt wurde in der Mitte der 70er Jahre n. Chr. gegründet. Die neu gegründete Stadt erhielt einen Stadtplan mit sich rechtwinklig kreuzenden Straßen und öffentlichen Gebäuden wozu ein Markt, ein Forum und eine Stadtmauer (diese wurde aber erst am Ende des zweiten Jahrhunderts errichtet) gehörten. Die Stadt erlebte vom zweiten bis zum vierten Jahrhundert ihre Blütezeit. Dies ist auch durch die zahlreichen reich ausgestatteten Villen in der Umgebung der Stadt gut belegbar. Die Stadt wurde im 4. Jahrhundert Hauptstadt der Provinz Britannia prima. Dies wird nirgendwo ausdrücklich erwähnt, doch fand man 1891 die Basis einer Säule, die von L. Septimius [...], dem Statthalter (praeses) der Provinz Britannia prima errichtet wurde. Daneben deuten die zahlreichen Umbauten im vierten Jahrhundert auf eine besondere Stellung der Stadt in dieser Zeit.

Die Stadt

Die Stadt hatte 30 insulae, die von der modernen Forschung mit römischen Ziffern durchnummeriert wurden. An vielen Stellen konnten bei Ausgrabungen Reste der antiken Stadt gefunden werden, so dass der Ort zu den besser erforschten römischen Städten Englands gehört. Trotzdem sind noch viele Fragen ungeklärt.

Forum

Das Forum (168×104m) stand in der Mitte der Stadt und nahm eine ganze Insula ein. Wenig ist von diesem Bau ergraben worden, doch hatte es in der Mitte den üblichen großen Hof mit Läden darum und im Süden eine große Basilika mit einer Apsis. Das Forum war an der Außenfassade von einer Kolonnade umgeben. Auch der 107 x 84 m große Innenhof hatte eine Kolonnade. Im vierten Jahrhundert wurde das Forum schließlich durch eine Mauer in dem Hof in zwei Teile geteilt. Der Gang hinter den Kolonnaden im Hof wurde mit einem Mosaikfußboden, der geometrische Muster zeigte, versehen. Diese Veränderungen stehen vielleicht mit der Erhebung von Corinium Dobunnorum zur Provinzialhauptstadt in Verbindung.

Die Basilika wurde 1897-1898 und dann nochmals 1961 zum Teil ausgegraben. Sie bestand aus einer ca. 24,4 breite Halle mit zwei Seitenschiffen. Die Apsis befand sich im Südteil, während sich im Norden wohl der Haupteingang befand. Von hier stammen vielleicht auch korinthische Kapitelle, die man in der Nähe fand. Marmorfragmente deuten auf eine reiche Ausstattung. Die Basilika wurde schon in der Mitte des zweiten Jahrhunderts renoviert. Wahrscheinlich ist sie zu schnell erbaut worden, ohne zu bedenken, dass sich unter ihr die Reste der Gräben des römischen Militärlagers befanden, die wiederum im Laufe der Zeit nicht genug Halt boten. Als Folge sanken Teile der Mauern und mussten erneuert werden.

Markt

Neben dem Forum hatte die Stadt auch einen separaten Markt. Dieser war anscheinend ebenso groß wie das Forum und nahm damit eine ganze Insula (Insula II) ein. Zunächst handelte es sich um einen freien Platz. Dieser wurde aber im zweiten Jahrhundert mit einer Reihe von Läden begrenzt. In Gruben fanden sich zahlreiche Tierknochen, die auf einen Viehmarkt deuten. Die Trennung von Markt und Forum scheint bemerkenswert und deutet an, dass der Ort schon von Anbeginn in einer landwirtschaftlich wohlhabenden Gegend lag.

Amphitheater

Das Amphitheater heute

Die Stadt hatte ein Amphitheater, das sich ca. 800 Meter südwestlich des Stadtzentrums, außerhalb der Stadtmauern befand. Das Theater findet sich in der Mulde eines Steinbruches. Die Eingänge waren mit Holz und Trockenmauern verkleidet. Am Beginn des zweiten Jahrhunderts wurde auch die Arena mit Stein verkleidet. Sie war 41 x 49 m groß. Am Ende des zweiten Jahrhunderts gab es weitere Umbauten. Zwei kleine Kammern wurden beiderseits des Eingangs errichtet. Am Ende des dritten Jahrhunderts wurde das Theater anscheinend als solches aufgegeben und danach für andere Zwecke verwendet. Im fünften Jahrhundert scheint es ein Zufluchtsort für die Restbevölkerung der Stadt gewesen zu sein. Das Theater ist noch heute als große grasbedeckte Mulde erhalten.

weitere Bauten

Weitere öffentliche Bauten konnten bisher nicht lokalisiert werden. Der Fund einiger Mauern, die einen Bogen ergeben, deuten auf die Reste eines Theaters, doch sind diese Reste im Norden der Stadt nur schlecht untersucht. Tempel sind nur durch Inschriften belegt. So scheint es ein Heiligtum der Deae Matres gegeben zu haben. Dieses ist durch den Fund von Skulpturen und Altären in Insula XX, die mit dieser Göttin in Verbindung stehen, belegt. Es ist jedoch auch vermutet worden, dass diese Funde mit einer Bildhauerwerkstatt zu identifizieren sind.

In Insula XIII fand man eine große freie mit Steinen ausgelegte Fläche. Es wurde vermutet, dass es sich um den Vorplatz eines Tempels handelt. Ohne weitere Grabungen kann dies aber nicht weiter belegt werden.

Stadtmauer

Corinium Dobunnorum erhielt am Ende des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts eine Stadtmauer, wobei in den folgenden 200 Jahren immer wieder Verbesserungen und Erweiterungen an dem Bau stattfanden. Es wurden zunächst die Stadttore und Türme errichtet. Es folgten Erdwälle. In einer dritten Ausbauphase wurde eine Steinmauer vor den Erdwall gesetzt. In einer vierten Phase wurde die Steinmauer auf 3m dicke verstärkt und die noch stehenden Erdwälle wurden weiter erhöht. Daraufhin wurden die Türme aufgegeben und durch neue an der Ausseite der Mauer ersetzt. Die Stadtmauer hatte mindestens vier, wenn nicht sogar mehr Tore.

Wohnbebauung

Die ersten Wohnbauten bestanden aus Holz. Die frühsten Häuser aus Stein wurden schon am Beginn des zweiten Jahrhunderts n. Chr. errichtet. Dies ist früher als in vielen anderen römischen Städten Britanniens. Schon im zweiten Jahrhundert erhielten viele Häuser erstklassige Mosaiken. In einem Haus in Insula XVII fand man ein Mosaik des späten zweiten oder frühen dritten Jahrhunderts mit einem zentralen Bild mit Jagdhunden, Seetiere und Köpfe des Neptun und der Medusa. In dem Haus fanden sich auch umfangreiche Reste von Wandmalereien.

In Insula V, gegenüber dem Markt konnten einige Holzhäuser, bei denen es sich wahrscheinlich um Länden handelte, ergraben werden. Sie waren teilweise mit Malereien ausgestattet und wurden im Laufe der Zeit durch Gebäude aus Stein ersetzt. Im vierten Jahrhundert waren diese sogar mit einem Portikus zur Straße hin ausgestattet.

Im Osten der Stadt, in Insual X und XII konnten zwei Stadtvillen des vierten Jahrhundert ausgegraben werden. Beide hatten sie beheizbare Räume und eine von ihnen sogar einen kleinen Badetrakt. Mehrere Räume waren mit Mosaiken ausgestattet.[1]

Auch außerhalb der Stadtmauern konnten Villen beobachtet werden, die teilweise reich mit Mosaiken ausgestattet waren. Viele dieser reichen Häuser datieren in das vierte Jahrhundert als die Stadt den Status einer Provinzhauptstadt hatte.

Werkstätten

In Corinium Dobunnorum fanden sich zahlreiche Mosaiken, die in ihrer Qualität über den britischen Durchschnitt stehen und den Wohlstand der Stadt und der Region belegen. Hier operierte auch eine Mosaikwerkstatt, die in der Forschung als die Corinische Schule (Corinian School) bezeichnet wird. Es war die größte Werkstatt dieser Art in Britannien, die in der Stadt und in den Villen der Umgebung in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts zahlreiche Fußböden verlegte. Sie konnte anhand von verschiedenen kleinen Details und Motiven auf diversen Mosaikfußböden identifiziert werden.

Aus Corinium Dobunnorum stammen auch viele Beispiele von Skulpturen, die in ihrer Qualität über dem Schnitt in der britannischen Provinz stehen. Es ist deshalb vermutet worden, dass sich hier eine gallische Werkstatt niederließ. Dies ist jedoch nicht weiter beweisbar. Immerhin ist sogar der Name eine Bildhauers bekannt. Sulinus, Sohn des Brucetus hinterließ in Bath und Corinium Dobunnorum Altäre, die den Suleviae geweiht waren.

Andere erschließbare Industrien in der Stadt sind ein Goldschmied, da ein Tiegel, in dem sich noch Goldreste fanden, in Insula II ausgegraben wurde. Möglicherweise gab es hier auch eine Werkstatt für Glasherstellung. In der Stadt oder zumindest in der Umgebung gab es auch eine Ziegelei, die ihre Ziegel mit der Aufschrift TPF stempelte.

Friedhöfe

Außerhalb der Stadt gab es verschiedene Friedhöfe. Diese konnten vor allem im Westen und Süden beobachtet werden. Vor allem im Süden wurde ein zusammenhängender Friedhofsteil, mit 405 Erdbestattungen ausgegraben. Diese datieren in das vierte und vielleicht sogar in das fünfte Jahrhundert. Da man in dieser Zeit den Toten kaum Beigaben mitgab, ist eine genaue Datierung im Einzelfall oftmals nicht leicht. Die Leichen wurden genauestens untersucht und liefern einen guten Querschnitt durch die Bevölkerung der damaligen Zeit. Es ist der größte untersuchte Friedhof Westeuropas aus dieser Epoche. Es fanden sich dabei besonders viele Männerbestattungen (das Verhältnis Männer zu Frauen lag bei 2 zu 1), wobei deren Durchschnittssterbealter 40,8 Jahre war, das der Frauen 37,8. Die Männer waren im Schnitt 1.7 m, die Frauen 1.52 m groß. Oftmals konnten Krankheiten beobachtet werden, darunter befinden sich die bisher ältesten im römischen Reich belegten Fälle von Gicht. Gut 80% der der hier bestatteten litten unter Arthritis. Bemerkenswert war auch der hohe Anteil von Blei in den Knochen. Sechs der hier bestatteten Personen waren offensichtlich enthauptet worden. Der Zustand der Zähne war im allgemeinen sehr gut.

In anderen Friedhöfen um die Stadt fanden sich Sarkophage und beschriftete Grabsteine. Von diesen erfährt man, dass ein gewisser Nemonmnus Verecundus im Alter von 75 Jahren starb und dass Pulia Vicana und Publiius Vitalis das römische Bürgerrecht hatten.

Christentum

Aus der Stadt gibt es einen frühen Beleg für das Vorhandensein einer christlichen Gemeinde. 1868 fand man auf einem Fragment eines Wandverputzes die folgenden Buchstaben eingeritzt:

R O T A S
O P E R A
T E N E T
A R E P O
S A T O R

Schon früh erkannte man, dass diese Zeichenfolge zu einem Kreuz umarrangiert das Vaterunser PATERNOSTER ergeben. Die Inschrift war demnach ein geheimer Hinweis auf das Christentum, zu einer Zeit als diese Religion noch unterdrückt wurde.

Das Ende

Die Blütezeit der Stadt hielt bis ungefähr 375 n. Chr. an. Danach ist ein langsamer Niedergang zu beobachten. Es wurde veranschlagt, dass um 375 noch 23 der ausgegrabenen Stadthäuser (die natürlich nur einen kleinen Teil der einstigen Häuser darstellen) bewohnt waren. Um 400 waren es jedoch nur noch 10, um 425 nur noch 4 und danach keine einziges mehr. Auch Corinium Dobunnorum wurde also, wie fast alle römischen Orte Britanniens im 5. Jahrhundert langsam aufgegeben. Das Forum wurde vielleicht bis um 430 benutzt. Archäologische Reste aus dieser und der folgenden Zeit sind jedoch ausgesprochen selten. Im Amphitheater fanden sich Reste einfacher Hütten, die andeuten, dass sich eine Restbevölkerung in den folgenden Jahren an diesen leicht zu verteidigenden Ort zurückzog. Für das Jahr 577 wird in der Angelsächsischen Chronik ein britischer König in der Stadt erwähnt und dass die Stadt von den Sachsen Cuthwine und Ceawlin erobert wurde.

Anmerkungen

  1. Rekonstruktionszeichnung der Villen (fig. 2)

Literatur

  • John Wacher: The Towns of Roman Britain, Routledge, London/New York 1997, S. 302-323 ISBN 0-415-17041-9
  • A. McWhirr, L. Viner, C. Wells: Romano-British Cemeteries at Cirencester. Cirencester Excavations II. Cirencester Excavation Committee, Cirencester 1982
  • A. McWhirr: Houses In Roman Cirencester, Cirencester Excavations III. Cirencester Excavation Committee: Cirencester 1986

Weblinks


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