Confiteor

Confiteor
Dieser Artikel erläutert das Schuldbekenntnis in der Religion. Zur Anerkennung eines Schuldverhältnisses im Zivilrecht siehe Schuldanerkenntnis.

Ein Schuldbekenntnis ist das Eingeständnis der persönlichen oder kollektiven Schuld vor Gott im Christentum. Es zielt auf die Bitte um Vergebung, etwa im Zentralgebet der Christen, dem Vaterunser:

„Und vergib uns unsere Schuld, wie [damit] auch wir vergeben unseren Schuldigern [denen, die an uns schuldig wurden].“

Das christliche Schuldbekenntnis ist primär Antwort der Gemeinde Jesu Christi auf Gottes Schuldübernahme, die in der Kreuzigung seines Sohnes offenbar geworden ist. Es bezieht sich nicht auf eine allgemeine Fähigkeit Gottes, Sünden zu vergeben, sondern auf die in Christus bereits vollgültig geschehene und ohne menschliche Vorleistung geschenkte Vergebung.

Im Unterschied zur individuellen Beichte hat das Schuldbekenntnis daher einen öffentlichen, gemeinschaftlichen Charakter.

Inhaltsverzeichnis

Schuldbekenntnis im Gottesdienst

Katholische Tradition

Das Allgemeine Schuldbekenntnis ist ein in der Liturgie verwendetes Gebet. Es wird in der Heiligen Messe oder in der Komplet zu Beginn nach der Eröffnung. Seit der Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist seine Verwendung fakultativ. Der Wortlaut des Confiteor:

Lateinisch Deutsch
Confiteor Deo omnipotenti
[beatae Mariae semper Virgini,
beato Michaeli Archangelo,
beato Joanni Baptistae,
sanctis Apostolis Petro et Paulo,]
et vobis, fratres,
quia peccavi
nimis cogitatione, verbo, opere et omissione:
mea culpa, mea culpa,
mea maxima culpa.
Ideo precor
[beatam Mariam semper Virginem,
beatum Michaelem Archangelum,
beatum Joannem Baptistam,
sanctos Apostolos Petrum et Paulum,]
omnes [Angelos et] Sanctos,
et vos, fratres,
orare pro me ad Dominum Deum nostrum.
Ich bekenne Gott, dem Allmächtigen,
der seligen, allzeit reinen Jungfrau Maria,
[dem hl. Erzengel Michael,
dem hl. Johannes dem Täufer,
den hll. Aposteln Petrus und Paulus,]
allen Heiligen,
und Euch, Brüder und Schwestern,
dass ich Gutes unterlassen und Böses getan habe.


Ich habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken
durch meine Schuld, durch meine Schuld,
durch meine große Schuld.
Darum bitte ich die selige Jungfrau Maria,
alle Engel und Heiligen,
und Euch, Brüder und Schwestern,
für mich zu beten bei Gott, unserem Herrn.

(In eckigen Klammern der Wortlaut in der längeren Fassung.)

oder:

V: Erbarme Dich, Herr, unser Gott, erbarme Dich.
A: Denn wir haben vor Dir gesündigt.
V: Erweise, Herr uns Deine Huld.
A: Und schenke uns Dein Heil.

Vor der Liturgiereform infolge des Zweiten Vatikanum wurde ausschließlich die längere Fassung in Latein gebetet, deren Verwendung zwingend vorgeschrieben war. Das Gebet war Bestandteil des Stufengebetes, das der Priester im Wechsel mit dem Ministranten oder der Gemeinde vor dem Hinzutreten zum Altar am Beginn der Heiligen Messe betete. Beteten Priester und Ministranten im Wechsel, antworteten die Ministranten statt et vobis fratres: et tibi pater und statt et vos fratres: et te pater.

Protestantische Auffassung

Im protestantischen Bereich taucht ein Schuldbekenntnis in drei liturgischen Hauptformen auf:

  • als Bußgebet (Confiteor) am Anfang eines Bußgottesdientes
  • als Antwort der Gemeinde auf eine Predigt
  • als Vorbereitung der Gemeinde auf eine Abendmahlsfeier.

Seit der Reformation gehört die sogenannte „Offene Schuld“ zur Liturgie eines gewöhnlichen Predigtgottesdienstes. Im 19. und 20. Jahrhundert formulierten Theologen und Liturgiekommissionen zahlreiche verschiedene Sündenbekenntnisse. Seit 1960 wurde die Kombination von Schuldbekenntnissen mit Gesellschaftskritik beliebt, etwa im Politischen Nachtgebet auf evangelischen Kirchentagen. Damit wurde die Individualisierung von Schuld auf die Selbsterkenntnis des Sünders vor Gott abgewehrt und auf den sozialen und politischen Bereich ausgedehnt.

In der Zürcher Gottesdienstreform der 1960er Jahre wurde ein Schuldbekenntnisses in den ordentlichen Sonntags- und Festgottesdienst als freiwilliges, nicht verpflichtendes liturgisches Angebot aufgenommen.

Im Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche (Ausgabe 2002) findet sich ein eigenes Formular mit dem Titel: Die Feier zur Erneuerung des Bundes mit Gott. Diese Feier ist eine liturgisch ausführliche Form eines Sündenbekenntnisses, das mehrere Beicht- und Bußgebete miteinander verknüpft und in der Selbstverpflichtung mündet, den vollkommenen Willen Christi "zu suchen und zu tun".[1]

Kirchliche Schuldbekenntnisse

Das christliche Schuldbekenntnis ist nicht nur ein zentraler Glaubensakt des einzelnen Christen, sondern auch ein Akt der Gesamtkirche, die sich als Gemeinschaft der Gläubigen versteht und sich mit selbstkritischer Benennung ihres konkreten Versagens zu ihrer weltweiten Verantwortung für das Heil aller Menschen bekennt. Darum haben Kirchen in bestimmten historischen Situationen immer wieder als Ganze ein konkretes Schuldbekenntnis ausgesprochen. Auch einzelne Christen haben die Schuld der Gesamtkirche an ihrer Statt ausgesprochen.

Ein berühmtes, in seiner Radikalität unerreichtes Schuldbekenntnis stammt von dem lutherischen Theologen Dietrich Bonhoeffer aus dem Jahr 1940. Auf dem Höhepunkt des Triumphs Adolf Hitlers nach dem Sieg über Frankreich, der die Niederlage und Kriegsschuld Deutschlands im Ersten Weltkrieg vergessen machen sollte, sprach Bonhoeffer von der Schuld der Kirche an den „schwächsten Brüdern und Schwestern Jesu Christi“: den Juden. Sie habe diese dem Unrecht des totalen Staates ausgeliefert und die Herrschenden ermutigt, dieses Unrecht mit Berufung auf den Segen der Kirche zu begehen.

Nach Kriegsende war das Stuttgarter Schuldbekenntnis vom Oktober 1945 der Ausgangspunkt einer jahrzehntelangen Neubesinnung der EKD im Blick auf das Versagen des Protestantismus gegenüber dem Nationalsozialismus. Dem folgte 1947 ein nur von Teilen der EKD angenommenes Bekenntnis konkreter evangelischer „Irrwege“ im Darmstädter Wort. Die Evangelische Kirche A.u.H.B. in Österreich leistete ein vergleichbares Schuldbekenntnis erst 1998.

Ein historisches Schuldbekenntnis im Bereich des Katholizismus war das Mea culpa („meine Schuld“) des Papstes Johannes Paul II. vom 12. März 2000, in dem er kirchliche Verfehlungen im Zusammenhang von Glaubenskriegen, Judenverfolgungen und Inquisition eingestand. Bereits am 16. März 1998 hatte der Vatikan in dem Dokument Nachdenken über die Shoa die Mitschuld von Christen am Holocaust bekannt. Dem folgte am 20. März 1998 eine Pilgerreise des Papstes nach Israel, Jordanien und in die Palästinensergebiete, bei der er an der Klagemauer betete und in Bethlehem und Nazaret Eucharistie feierte.

Andere Schuldbekenntnisse

Eine von den Großkirchen bisher nicht übernommene Erklärung zum Versagen gegenüber dem Leiden der Tiere als empfindungsfähigen Mitgeschöpfen ist das Glauberger Schuldbekenntis von 1988, das auf Tierversuche in der chemischen Industrie und Pharmazeutik reagierte.[2]

Einzelbelege

  1. Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche, Ausgabe 2002, S. 1367
  2. Glauberger Schuldbekenntnis 1988

Literatur

  • Georg May: Schuldbekenntnisse und Vergebungsbitten. Stuttgart 2000, ISBN 3-932691-24-5
  • Franz Böhmisch, Das Schuldbekenntnis der Katholischen Kirche, in: Lebendige Seelsorge 53 (2002), S. 115-119
  • Bergmoser + Höller Verlag AG: Schuld und Versöhnung, inReligion 9/2004, ISSN 1434-2251

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