Colette Marchand

Colette Marchand

Colette Marchand (* 29. April 1925 in Paris) ist eine französische Tänzerin und Schauspielerin. Bekanntheit erlangte sie ab Ende der 1940er Jahre als Primaballerina von Roland Petits Les Ballets de Paris. Für ihr Spielfilmdebüt in John Hustons Moulin Rouge (1952) erhielt sie den Golden Globe Award und eine Oscar-Nominierung. Von Kritikern wurde sie gemeinsam mit unter anderem Margot Fonteyn, Yvette Chauviré und Violetta Elvin zu den zehn größten zeitgenössischen Tänzerinnen in Westeuropa gezählt.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Ausbildung und Zusammenarbeit mit Roland Petit

Colette Marchand wurde 1925 in Paris geboren.[1] Sie genoss eine klassische Tanzausbildung an der Schule der Opéra de Paris[2] und erhielt darüber hinaus Violinenunterricht.[3] Ihre Lehrer waren der russisch-französische Tänzer und Choreograph Victor Gsovsky (1902–1974)[2] und Albert Aveline (1883–1968).[4] Nach einer kurzen Zeit an der Pariser Oper[2] ging Marchand nach England, wo sie sich 1947 kurzzeitig dem Metropolitan Ballett unter Leitung Letty Littlewoods und Gsovskys anschloss. Sie trat unter anderem als Königin in Tschaikowskis Schwanensee auf, tanzte die Galatea in Pygmalion und übernahm die Titelrolle der Julia in Sergei Lifars Romeo und Julia.[5] Ihren Durchbruch feierte sie ab 1948 mit Roland Petits Les Ballets de Paris am Théâtre Marigny.[2] Mit der neu gegründeten Ballettkompanie trat Marchand im Frühjahr 1949 in London in Les Demoiselles de la Nuit auf. Für Jean Françaix’ Ballett, eine Variante des Märchens Die kleine Meerjungfrau, erhielt sie Lob seitens der Kritiker, die ihr einen wunderschönen und markanten Tanzstil attestierten.[6]

Im Oktober 1949 ging Marchand mit Petits Kompanie in den Vereinigten Staaten auf Tournee. Am New Yorker Broadway tanzte die Primaballerina mit Erfolg in L’œuf à la coque und Le combat am Winter Garden Theatre und die Produktion brachte es bis Januar 1950 auf 116 Aufführungen. Daraufhin wurden US-amerikanische Medien auf die charismatische Französin aufmerksam. Das für seine Fotoreportagen bekannte Magazin Life widmete ihr vier Seiten und Marchand trug wegen ihrer tänzerischen Fertigkeiten bald den schlichten Beinamen The Legs[7] (dt.: „Die Beine“). Noch im selben Jahr war sie von Oktober bis Dezember als Carmen und erneut in der Titelrolle als L’œuf à la coque am National Theatre bzw. Broadhurst Theatre zu sehen. Ebenfalls Erfolg war Marchand mit der Produktion von Two on the Aisle beschieden, die von Juli 1951 bis März 1952 am Broadway gastierte. In der Musical-Revue trat sie in provokativen schwarzen Seidenstrümpfen unter anderem gemeinsam mit Dolores Gray und Bert Lahr auf.[8]

Spielfilmdebüt und Oscar-Nominierung

Das Jahr 1952 markierte auch Colette Marchands Debüt als Schauspielerin, nachdem sie ihre Stimme bereits Isidore Isous Experimentalfilm Traité de bave et d’éternité (1951) geliehen hatte. John Huston, der unter anderem bei Filmen wie Die Spur des Falken (1941), Der Schatz der Sierra Madre (1948) oder African Queen (1951) Regie geführte hatte, setzte sie in seinem Film Moulin Rouge ein, in dem der US-Amerikaner versuchte, bewusst mit Farbdramaturgie zu arbeiten.[9] In der Verfilmung der gleichnamigen Toulouse-Lautrec-Biografie von Pierre La Mure spielt Marchand an der Seite von Zsa Zsa Gabor und Suzanne Flon die Rolle einer Straßendirne, die dem Künstler (dargestellt von José Ferrer) Liebe vorheuchelt, um ihren Wunsch nach Geld zu befriedigen. Die New York Times bewertete Marchands Part als „kurze, aber schmerzliche Aufgabe, das scharfe, metallische Temperament und die hilflose Charakterschwäche eines Straßenmädchens“[10] darzustellen, während Die Zeit ihre Marie Charlet als „ein Kabinettstück schauspielerischer Leistung“ pries.[11] Bei der Golden-Globe-Verleihung 1953 setzte sich Marchand daraufhin als beste Nachwuchsdarstellerin gegen Katy Jurado (Zwölf Uhr mittags) und Rita Gam (Ich bin ein Atomspion) durch. Drei Wochen später bei der Oscarverleihung 1953 war Moulin Rouge in sieben Kategorien für einen Academy Award nominiert, konnte sich aber nur in den technischen Kategorien mit zwei Siegen durchsetzen. Unter den Nominierten befand sich auch Colette Marchand, die achtzehn Jahre nach der siegreichen Französin Claudette Colbert (Es geschah in einer Nacht) in der Kategorie beste Nebendarstellerin gegenüber der US-Amerikanerin Gloria Grahame (Stadt der Illusionen) das Nachsehen hatte.

Nach Moulin Rouge sah man Colette Marchand 1953 in Roland Petits Pariser Ballett Ciné-Bijou, eine Parodie auf Gangsterfilme in dem sie die Rolle der Femme fatale und Petit die des Gangsters übernahm.[12] Ein Jahr später erhielt sie die weibliche Hauptrolle in Peter Berneis’ und André Haguets deutsch-französischer Spielfilmproduktion Ungarische Rhapsodie (1954) neben Paul Hubschmid. Die frei von historischen Tatsachen inszenierte Liebesgeschichte zwischen dem Komponisten Franz Liszt und der adligen Carolyne von Sayn-Wittgenstein wurde als „gefühlvolle Romanze mit musikalischen Lichtblicken“[13] bewertet und wegen seiner lebendigen Farbfotografie gelobt, aber auch aufgrund seiner Darstellung des vorehelichen Beisammenseins und einiger ausschweifender Szenen vom film-dienst nur unter Vorbehalt weiterempfohlen.[13] Unter Filmregisseur André Haguet schlüpfte Marchand im selben Jahr in Par ordre du tsar erneut in die Rolle der unglücklich verliebten Fürstin und tanzte und choreographierte in Haguets Kurzfilm Romantic Youth neben Milorad Miskovitch. An den Erfolg ihres Schauspieldebüts konnte jedoch die für ihre Eleganz bekannte und von den Franzosen noch Jahrzehnte später als „étoile de l’Empire“[7] (dt.: „Stern des Imperiums“) verehrte Tänzerin nicht anknüpfen und sie kehrte der Filmleinwand den Rücken zu.

1953 tanzte Marchand die kokette Ehefrau neben Petit im Ballett Deuil en 24 heures in Paris und London. Im selben Jahr übernahm sie in London und New York die Titelrolle in The Lady in the Ice, für das sich der bekannte Filmregisseur Orson Welles verantwortlich zeigte,[14][15] sowie die Carmen.[16] Bis in die 1960er Jahre hinein blieb Marchand als Tänzerin aktiv.[17] Der bekannte Ballettkritiker Olivier Merlin zählte sie gemeinsam mit Margot Fonteyn, Yvette Chauviré und Violetta Elvin zu den zehn größten zeitgenössischen Tänzerinnen im Westen.[18]

Colette Marchand heiratete 1953 ihren drei Jahre jüngeren Landsmann Jacques Bazire, den musikalischen Leiter von Roland Petits Ballettkompanie,[19] der auch die Filmmusik zu Ungarische Rhapsodie beisteuerte.

Ballette (Auswahl)

  • 1949: Les Demoiselle de la Nuit
  • 1949: L’œuf à la coque
  • 1953: Ciné-Bijou
  • 1953: Deuil en 24 heures
  • 1953: The Lady in the Ice
  • 1959: Cyrano de Bergerac
  • 1967: The Miraculous Mandarin

Filmografie

  • 1951: Traité de bave et d’éternité (nur Stimme)
  • 1952: Moulin Rouge
  • 1954: Ungarische Rhapsodie (Les cloches n’ont pas sonné)
  • 1954: Par ordre du tsar
  • 1954: Romantic Youth

Auszeichnungen

Weblinks

Einzelnachweise

  1. vgl. Marchand, Colette. In: Paul S. Ulrich: Biographisches Verzeichnis für Theater, Tanz und Musik. Berlin-Verlag Spitz, Berlin 1997, ISBN 3-87061-673-3.
  2. a b c d vgl. Colette Marchand. In: Jacques Baril: Dictionnaire de danse. Ed. du Seuil, Paris 1964 (Collections microcosme) (aufgerufen via WBIS)
  3. vgl. Marchand, Colette. In: Barbara Naomi Cohen-Stratyner: Biographical Dictionary of dance. Schirmer u. a., New York u. a. 1982, ISBN 0-02-870260-3, S. 579–580.
  4. vgl. Marchand, Colette. In: Horst Koegler: The concise Oxford dictionary of Ballet. Oxford Univ. Press, London [u. a.] 1982, ISBN 0-19-311325-2, S. 272.
  5. vgl. Colette Marchand. In: Peter Noble (Hrsg.): British Ballet. Robinson, London 1949 (aufgerufen via WBIS)
  6. vgl. Princes Theatre Les Ballets De Paris. In: The Times, 17. Februar 1949, Ausg. 51308, S. 7
  7. a b vgl. Christine de Rivoyre: Colette Marchand, étoile de l’Empire. In: Le Monde, 18. April 2002, Dernière Page
  8. vgl. $6.60 Comedian. In: Time, 1. Oktober 1951
  9. vgl. Filmkritik von F. im film-dienst 30/1953
  10. vgl. Bosley Crowther: ‚Moulin Rouge‘ … In: New York Times, 11. Februar 1953
  11. Erika Müller: Der Maler des Moulin Rouge. In: Die Zeit, Nr. 10/1953
  12. vgl. New Ballets In Paris: Lifar And Petit. In: The Times, 31. März 1953, Ausg. 52584, S. 9
  13. a b vgl. Filmkritik von M. W. T. im film-dienst 20/1954
  14. vgl. Ballet In London: A "Parable" By Mr. Orson Welles. In: The Times, 17. August 1953, Ausg. 52702, S. 2
  15. vgl. Sadler’s Return. In: Time, 21. September 1953
  16. vgl. Ballets Petit “Carmen”. In: The Times, 1. September 1953, Ausg. 52715, S. 9
  17. vgl. Choreographer’s Individuality. In: The Times, 22. März 1967, Ausg. 56896, S. 10
  18. zitiert nach Ach, der Papili. In: Der Spiegel. Nr. 20, 1955, S. 36 (online).
  19. vgl. Milestones. In: Time, 28. September 1953

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