Clifford James Geertz

Clifford James Geertz

Clifford James Geertz (* 23. August 1926 in San Francisco; † 30. Oktober 2006 in Philadelphia) war ein US-amerikanischer Ethnologe. Er gilt als bedeutendster Vertreter der interpretativen Ethnologie.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Geertz nahm in den Jahren 1943–1945 am Zweiten Weltkrieg teil. Er studierte unter anderem an der Harvard University, zunächst Philosophie und wandte sich eher zufällig der Ethnologie zu. In Harvard wurde er insbesondere durch Talcott Parsons maßgeblich beeinflusst. Ende der 1940er Jahre heiratete Geertz. Gemeinsam mit seiner Frau unternahm er Forschungen, so etwa in Asien und Nordafrika. Nach der Promotion lehrte er an der University of California, Berkeley (1958–1960), danach mehrjährig an der University of Chicago. Ab 1970 lehrte er in Princeton. Er war dort am Institute for Advanced Study tätig, einer wissenschaftlichen Denkfabrik. Geertz gilt als bedeutender Vertreter der Ethnologie, Religionswissenschaft und Anthropologie.

Clifford Geertz starb am 30. Oktober 2006 aufgrund von Komplikationen nach einer Herzoperation im Krankenhaus der University of Pennsylvania.

Ethnologische Feldforschung und Theorie der Kultur

Geertz führte auf den indonesischen Inseln Java und Bali ethnologische Feldforschungen durch. Eine wichtige Forschungsarbeit bezog sich auf das blutige Ritual des balinesischen Hahnenkampfes, welches nach Geertz für die Gesellschaft auf Bali ein wichtiger Faktor sei, um Kohärenz zu schaffen.

In seiner Beschreibung kultureller Systeme kam es ihm auf die Qualität der Deutung an. Das Ergebnis einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit einer fremden Kultur ist die von ihm sog. „Dichte Beschreibung“, ein Theorem, das er von Gilbert Ryle übernommen hat und das auch in der Geschichtswissenschaft Eingang gefunden hat.

Schon in den 1980er Jahren vertrat er postmoderne kulturrelativistische Positionen. Natur und Wissen begreift er als „lokales Wissen“. Universalistische Moralvorstellungen, wie das Konzept der Menschenrechte, treten gegenüber Ethiken der unterschiedlichen Kulturen in den Hintergrund. Der Mensch muss lernen, sich zwischen den Kulturen zurechtzufinden, die Wissenschaft sollte komplexe gegensätzliche Strukturen durchschauen und insbesondere die „turns“, d. h. die Wendungen, herausarbeiten. In seinem Werk Welt in Stücken beschreibt er, wie der einheitliche, gemeinschaftliche, ohne Widersprüche gedachte Kulturbegriff der Moderne am Ende des 20. Jahrhunderts zerbrochen ist. Er stellt Fragen nach Ländern, die keine Nationen mehr sind und nach Kulturen, die nicht auf Übereinstimmung ihrer Mitglieder beruhen.

Insbesondere seine Definition von Kultur ist heute in Kulturwissenschaften populär. Er verwendet seit 1987 einen „semiotischen“, d. h. einen auf zeichenhaften Bedeutungen beruhenden, Kulturbegriff. Geertz vertritt ein offenes, flexibles Konzept von Kultur, wobei er direkt Bezug auf Max Weber nimmt und dessen Bild von einem „selbstgesponnenen Bedeutungsgewebe“ in dem der Mensch verstrickt ist, übernimmt. Kultur ist somit das Gewebe, welches sich ständig in Herstellung und Wandlung befindet und jederzeit umdeutbar ist. „Kultur“ unterliegt somit ständig neuen Interpretationen und Bedeutungen, ist niemals objektiv und zeigt sich im alltäglichen Tun des Menschen. Kultur ist demnach überall, jedoch ist die Kultur des Deutens unabdingbar zur Existenz der Definition von „Kultur“. Geertz spricht auch von einem Code, dessen symbolischer Gehalt entschlüsselt werden muss.

Werk (Auswahl)

  • Welt in Stücken. Kultur und Politik am Ende des 20. Jahrhunderts, Passagen Verlag, Wien 2007 ISBN 978-3-85165-785-2
  • The Religion of Java (1960)
  • Agricultural Involution (1963)
  • Interpretation of Culture (1973), darin: Thick description: toward an interpretive theory of culture, deutsch: Dichte Beschreibung: Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt a.M. 2002 ISBN 3518067451
  • Kinship in Bali (1974)
  • Negara: The Theatre State in Nineteenth-Century Bali (1980)
  • Works and lives (Künstliche Wilden) (1988)
  • After the Fact (Spurenlesen) (1995)

Siehe auch

Literatur

  • Volker Gottowik (2004): Clifford Geertz in der Kritik. Ein Versuch, seinen Hahnenkampf-Essay 'aus der Perspektive der Einheimischen' zu verstehen. Anthropos 99(1): 207–214.
  • Karsten Kumoll: Clifford Geertz. In: Stephan Moebius & Dirk Quadflieg (Hrsg.): Kultur. Theorien der Gegenwart. VS - Verlag für Sozialwissenschaften, 750 S., 2006, ISBN 3-531-14519-3.
  • Gerhard Fröhlich, Ingo Mörth (Hrsg.): Symbolische Anthropologie der Moderne - Kulturanalysen nach Clifford Geertz. Campus Verlag, Frankfurt/Main, New York, 1998. ISBN 3-593-35890-5

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