Cisleithanien

Cisleithanien
Kleines Wappen der österreichischen Länder ab 1915: der Bindenschild auf die Brust des österreichischen Doppeladlers gelegt, von der Rudolfskrone überschwebt, in den Fängen Reichsapfel, Reichsschwert und Szepter (Reichskleinodien)

Cisleithanien (lateinisch; auch: Zisleithanien, Land diesseits der Leitha) war nach Errichtung der Doppelmonarchie im Jahre 1867 eine vor allem im Beamtentum und bei Juristen gebräuchliche inoffizielle Bezeichnung für den nördlichen und westlichen Teil Österreich-Ungarns. Dieser wurde von den Deutschen der Monarchie sonst einfach – politisch nicht korrekt, weil so die slawischen Kronländer unerwähnt blieben, die sich darunter nicht subsumieren lassen wollten – Österreich genannt. Bis 1915 lautete die offizielle inländische Bezeichnung für diesen Reichsteil, der nun wie der andere Reichsteil autonomer Staat war, Die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder, danach bis zum Auseinanderfallen des Staates 1918 Österreichische Länder.

Inhaltsverzeichnis

Namensgebung, Gebietsumfang

Die Bezeichnung die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder bezieht sich auf das gemeinsame Parlament dieser Länder, den Reichsrat in Wien. In diesem waren die Länder der ungarischen Krone nach 1867 nicht mehr vertreten.

Die Bezeichnung Cisleithanien, begrifflich von der österreichischen Sicht auf Ungarn ausgehend, leitet sich vom Fluss Leitha ab, der streckenweise die Grenze zwischen Niederösterreich und Ungarn bildete und meist überquert wurde, wenn man südlich der Donau von Wien nach Budapest fuhr. Die Bezeichnung entbehrte allerdings der geografischen Genauigkeit, lagen doch große Gebiete Cisleithaniens weder dies- noch jenseits der Leitha, sondern im Norden und Nordosten (Böhmen, Mähren, Österreichisch Schlesien, Galizien, Bukowina) und im Süden des Staates (Österreichisches Küstenland, Krain, Dalmatien).

Analog zu Cisleithanien wurde das Königreich Ungarn mit dem zu den Ländern der ungarischen Stephanskrone gehörigen halbautonomen Königreich Kroatien-Slawonien inoffiziell Transleithanien genannt. Bosnien-Herzegowina, 1878 von Österreich-Ungarn besetzt und 1908 in den Reichsverband eingegliedert, gehörte als Kondominium beider Reichsteile weder zu Cis- noch zu Transleithanien.

Der Name Österreich wurde für Cisleithanien offiziell nach 1867 zumeist nur im Begriff Österreich-Ungarn verwendet, nur inoffiziell auch allein. Erst von 1915 an wurde Österreich generell die offizielle Bezeichnung Cisleithaniens; eine Entscheidung des Kaisers und der k.k. Regierung im Ersten Weltkrieg, gegen die nicht nur die Tschechen heftigen Widerstand geleistet hätten, wäre sie im Reichsrat diskutiert worden. Ebenso wäre in Frage gestellt worden, dass für alle Kronländer nur noch die Farben Rot-Weiß-Rot des Bindenschilds, ursprünglich die Farben Niederösterreichs, im Wappen standen. 1915 wurde auch eine neue gemeinsame Wappendarstellung für Österreich-Ungarn entworfen: Der Doppeladler, bisher auch kleines Wappen der Gesamtmonarchie, war nun ausschließlich für Österreich im Einsatz. Die praktische Wirksamkeit der 1915 beschlossenen Änderungen blieb wegen des Krieges gering und wurde 1918 hinfällig.

Regierung und Behörden

Cisleithanien besaß 1867–1918 wie Transleithanien eine eigene, vom Kaiser ernannte Regierung, damals meist Ministerium (es folgte der Name des Regierungschefs) genannt; damit war nicht das einzelne Ressort, sondern die Regierung als Ganzes gemeint. Sie war gemäß der Dezemberverfassung 1867, der verfassungsmäßigen Grundlage Cisleithaniens, für alle Angelegenheiten zuständig (1917 wurde unter Kaiser Karl I. das k.k. Ministerium für soziale Fürsorge geschaffen).

Ausgenommen waren die Gemeinsame Armee (nicht aber die k.k. Landwehr), die k.u.k. Kriegsmarine und die Außenpolitik; diese Agenden waren vom Ministerrat für gemeinsame Angelegenheiten wahrzunehmen, in dem neben dem k.u.k. Außenminister als Vorsitzendem, dem k.u.k. Heeresminister und dem gemeinsamen Finanzminister der k.k. Ministerpräsident ebenso wie sein ungarisches Pendant Sitz und Stimme hatte.

An den Kosten der gemeinsamen Angelegenheiten war Cisleithanien mit anfangs 70 %, zuletzt ca. 64 % beteiligt.

Die Behörden Cisleithaniens wurden offiziell, wie vorher alle Behörden des bis 1867 einheitlichen Staates Kaisertum Österreich, als kaiserlich-königlich (k.k.) bezeichnet; „k.k.“ stand für den Kaiser von Österreich (die Rudolfskrone) und nach 1867 für den König von Böhmen (die Wenzelskrone), die beiden höchstrangigen Herrschertitel der Habsburger in den einzelnen Kronländern Cisleithaniens. (Bis 1867 sollte das zweite k für die ungarische Krone stehen.) Die wenigen gemeinsamen Einrichtungen der Doppelmonarchie für Cis- und Transleithanien firmierten nun als k.u.k., das gemeinsame Heer aber erst ab 1889.

Dem Kaiser direkt unterstand der Oberste Rechnungshof; sein Präsident hatte Ministerrang.

Parlament

Dem Kaiser und der k.k. Regierung stand der Reichsrat, ein Zweikammerparlament mit nicht gewähltem Herrenhaus und gewähltem Abgeordnetenhaus, gegenüber. Das Wahlrecht zum Abgeordnetenhaus wurde von den 1870er Jahren an in mehreren Schritten erweitert, bis 1907 zum ersten Mal alle erwachsenen Männer Cisleithaniens wählen durften. (Das Frauenwahlrecht wurde erst in der Republik 1919 eingeführt.)

Die Regierung war zwar dem Reichsrat verantwortlich, dieser hatte aber nicht das Recht, sie abzuberufen. Der Kaiser war auch nicht gezwungen, bei der Ernennung des Ministerpräsidenten auf die Mehrheitsverhältnisse im Reichsrat Rücksicht zu nehmen. Seit den 1880er Jahren war die Parteienlandschaft im Abgeordnetenhaus durch weltanschauliche und nationale Differenzierung so stark zersplittert, dass keine k.k. Regierung mehr sich auf eine stabile Mehrheit im Parlament verlassen konnte. Die nationalen Gegensätze prallten, durch die Reichsrats-Geschäftsordnung nicht behindert, oft so stark aufeinander, dass das Parlament vom Kaiser auf Vorschlag der Regierung monatelang vertagt wurde. Der Reichsrat war auch vertagt, als 1914 die Kriegserklärung zu diskutieren gewesen wäre.

Zur parlamentarischen Beratung der gemeinsamen Angelegenheiten wählte der Reichsrat ebenso wie der ungarische Reichstag aus seiner Mitte eine Delegation von 60 Mitgliedern. Die Delegationen tagten meist jährlich abwechselnd in Wien und Budapest. Etwa alle zehn Jahre war der Finanzierungsschlüssel der gemeinsamen Angelegenheiten zu überprüfen. Dazu wurde vom Reichsrat eine kleine Deputation gewählt, die mit einer ungarischen Deputation zu verhandeln hatte.

Gerichtsbarkeit

Cisleithanien besaß als Gerichtshof des öffentlichen Rechts das Reichsgericht, in Straf- und Zivilrecht eine ähnliche Gerichtsorganisation wie das heutige Österreich. Militärpersonen unterlagen der Militärgerichtsbarkeit.

Die Kronländer Cisleithaniens

Österreich-Ungarn nach 1878, Kronländer:

Das Ende

Siehe: Ende der Doppelmonarchie

Cisleithanien zerfiel im Oktober / November 1918 großteils unblutig, nachdem die Sieger des Ersten Weltkriegs bereits während des Krieges auf die Auflösung Österreich-Ungarns hingearbeitet hatten. Das Liquidationsministerium Lammasch, nur mehr für das Gebiet des heutigen Österreich ohne das Burgenland zuständig, übergab seine Ämter Anfang November 1918 an den deutschösterreichischen Staatsrat und wurde von Kaiser Karl I. am 11. November 1918 in Wien förmlich enthoben. An diesem Tag verzichtete der Kaiser selbst auf jeden Anteil an den Regierungsgeschäften.

Siehe auch

Literatur

  • K. k. statistische Zentralkommission (Hrsg.): Allgemeines Verzeichnis der Ortsgemeinden und Ortschaften Österreichs nach den Ergebnissen der Volkszählung vom 31. Dezember 1910…. Wien, 1915, (Gemeindeverzeichnis der cisleithanischen Reichshälfte)

Weblinks

 Commons: Cisleithanien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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