Wunsiedler Marmor

Wunsiedler Marmor
Wunsiedler Marmor von Holenbrunn

Der Wunsiedler Marmor ist eine Gruppe von metamorphen Karbonatgesteinen, die hauptsächlich bei Wunsiedel in mehreren Steinbrüchen gewonnen wurden und werden. Dieser oberfränkische Calcitmarmor hat in seiner Region und darüber hinaus besonders in Bayern Verbreitung gefunden. Er tritt in einem nördlichen (um Wunsiedel) und südlichen (um Marktredwitz und Arzberg) Band auf.

Inhaltsverzeichnis

Lagerstätte

Die Lagerstätte der Karbonatgesteine von Wunsiedel besteht hauptsächlich aus Kalksilikatfels und Marmor. Sie beginnt als nördlichste Struktureinheit mit einem Kalksilikatzug im Westen in der Erhebung zwischen dem Zinnbach und dem Glasbach beim Dorf Tröstau, streicht in nordöstliche Richtung nördlich an Wunsiedel vorbei und endet südwestlich vom Dorf Schönlind. Sie ist von einigen quer laufenden Störungszonen begleitet und kein Gegenstand des Werksteinabbaus gewesen.
Parallel dazu und etwa 1000 Meter südlich erstreckt sich der schmale nördliche Marmorzug in Form eines lang gestreckten Bandes. Er beginnt unter der Ortschaft Tröstau, verläuft weiter unter den südlichen Siedlungsareal von Wunsiedel bis zum Ortsteil Holenbrunn. Dort versetzt eine Störung die Marmorlagerstätte etwa 500 Meter in nördliche Richtung, die ab Göpfersgrün in zwei Zügen weiter nach Nordost streicht. Kurz vor Thiersheim verengt sich der Lagerstättenzug zu einem einzigen Streifen, der bei Kothigenbibersbach an der Oberfläche endet.

Das südliche Band ist weniger stark ausgeprägt, kommt von Dechantsees erstreckt sich unter Marktredwitz nach Arzberg. Dort ist überwiegend grauer feinstkörniger Marmor vertreten.

Allgemein handelt es sich um aufgefaltete Marmorschichten aus dem Präkambrium, die einen Teil der Arzberger Serie bilden. Diese Schichten fallen steil ein und sind von zahlreichen Verwerfungen unterbrochen.[1][2]

Abbaustellen gab es in Tröstau, Wunsiedel, Holenbrunn, Sinatengrün, Stemmas, Thiersheim, bei Hohenberg an der Eger sowie bei Dechantsees und Neusorg.

Petrographie

Der Wunsiedler Marmor zeichnet sich in seinem Gefüge als mittel- bis grobkörnig kristallin aus. Seine Farbe ist typischerweise weiß bis hellgrau, kann aber auch gelbe und leuchtend orange, seltener dunkelbraune Zonen aufweisen. Im Gesamtbild wirkt er körnig, mitunter ungleichmäßig verteilt und zeigt parallele graue Streifungen.
In der Hauptmasse handelt es sich um einen calcitischen Marmor. Dolomitgestein tritt sekundär in den Aufschlüssen von Sinatengrün und Göpfersgrün auf.[3]

Die gelben und braunen Tönungen resultieren aus geringen Anteilen von Mineralen des Limonitkomplexes. Geringe Hämatitanteile erzeugen einen kräftigen orangefarbenen Ton. Als weitere akzessorische Bestandteile treten Muskovit und Zirkon auf. In den Steinbrüchen von Sinatengrün sowie bei Thiersheim und Hohenberg an der Eger kommen weitere Mineralbestandteile hinzu. Das sind Olivin, Serpentin, Chlorit, Antigorit und Forsterit. Der Marmor geht hier in einen Ophicalcit über.

In den Nordbereichen der Lagerstätte haben die Kristalle eine durchschnittliche Größe von 5 Millimetern. Vereinzelt treten Aggregate bis 2 cm auf. In dem südlichen Band liegt sie dagegen bei 0.2 Millimeter.[4] Die Calcitkristalle treten idiomorph bis xenomorph auf.[5]

Geschichte

Durch die relative Kalkarmut der oberfränkischen Landschaften waren die Marmorvorkommen um Wunsiedel bereits im Mittelalter als Kalkgewinnungsort bekannt und gefragt. Es sind Kalkbrüche aus dem 14. Jahrhundert überliefert, die neben Baukalk auch das Baumaterial für die Stadtmauer von Wunsiedel lieferten. Typische kunsthandwerkliche Anwendungen sind seit dieser Zeit Schlusssteine, Gedenktafeln, Grabsteine, Epitaphien und Votivtafeln sowie einzelne andere künstlerische Werke. Besonders vom 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts fand er für diese Zwecke rege Anwendung.

Als 1724 in Bayreuth ein Zuchthaus errichtet wurde, nahm dort unter Zuhilfenahme von Gefangenen als billige Arbeitskräfte eine Manufaktur zur Werksteinbearbeitung ihre Arbeit auf. Dabei wurde der Wunsiedler Marmor neben anderen Gesteinen aus der Region in großem Umfang verarbeitet. Diese Praxis war zu jener Zeit nicht unüblich, weil auch im Gefängnis auf Schloß Diez unter ähnlichen wirtschaftlichen Umständen Lahnmarmore bearbeitet wurden.

In den 1890er Jahren entwickelte sich in der Region sehr stark die industrielle Kalkverarbeitung. Es wurden Kalkmehle und Splitte für unterschiedliche Verwendungszwecke in anderen Industrien produziert. Die Steinmetzbearbeitung trat gegenüber diesen Entwicklungen zurück, weil die grobkristallinen Sorten sich nicht sehr gut zur handwerklich-künstlerischen Bearbeitung eignen. Lediglich die kleinkristallinen Varietäten mit Dolomitanteilen lassen eine gute Steinmetzbearbeitung im verträglichen Maße zu.
Gegenwärtig (2008) wird nur noch bei Holenbrunn ein heller Marmor gefördert, der sowohl für Werkstein als auch für Gartenbauzwecke verkauft wird.

Anwendungen

Das Gestein ist im Handel überwiegend als Wunsiedler Marmor bezeichnet worden. Nur untergeordnet traten im 20. Jahrhundert zeitweilig andere Handelsbezeichnungen wie Deutschweiß und Deutschgrün auf.[6]

Die Bestimmung von Objekten aus weißen Marmor, beispielsweise auf Münchner Friedhöfen, ist schwierig, weil nach Bayern auch sehr häufig Laaser Marmor und Sterzinger Marmor eingeführt wurde. Durch die oberflächennahe Verwitterung an ungeschützten Objekten sind mitunter signifikante Feinstrukturen nicht oder nur sehr schwer erkennbar. Ein Unterscheidung wird dadurch sehr erschwert.

In moderner Zeit ist das Gestein für Massivbauteile, Denkmale, Wand- und Bodenverkleidungen sowie für Gartenarchitektur und Ziersplitte nachgefragt worden.

Anwendungsbeispiele

Wunsiedel

  • Friedhof, Grabplatten
  • Stadthalle, Bodenbelag
  • Hofgestaltung der Grund- und Hauptschule (Erweiterungsbau)
  • Pflaster im Hof des Fichtelgebirgsmuseums
  • Büste von Friedrich Müller in der Fachschule für Steinbearbeitung und im Hof des Fichtelgebirgsmuseums

Bad Alexandersbad

  • Büste Königin Luise und Markgraf Alexander

Fuchsmühl

Literatur

  • F. Eder / U. Emmert / G. v. Horstig / G. Stettner: Geologische Übersichtskarte 1:200.000, CC 6334 Bayreuth. Hannover (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) 1981
  • C. Gäbert / A. Steuer / Karl Weiss: Die nutzbaren Gesteinsvorkommen Deutschlands. Berlin (Union Dt. Verlagsgesellschaft) 1915
  • Dietmar Herrmann: Vom Bergbau im Fichtelgebirge (Teil 2). Beiträge zur Geschichts- und Landeskunde des Fichtelgebirges 12 (1990), Wunsiedel (Buchhandlung Kohler) 1990
  • Dietmar Herrmann: Enthüllung der Büste Friedrich Müllers; in: Der Siebenstern 2010, S. 262
  • Arndt / Henrich / Laubmann et.al.: Die nutzbaren Mineralien, Gesteine und Erden Bayerns. I. Bd. Frankenwald, Fichtelgebirge und Bayerischer Wald. München (Oldenbourg und Piloty&Loehle) 1924
  • Friedrich Müller: Bayerns steinreiche Ecke. Hof (Ackermann Verlag) 1990 ISBN 3-8112-0845-4
  • Otto M. Reis:Die Gesteine der Münchner Bauten und Denkmäler. Veröffentlichungen der Gesellschaft für Bayerische Landeskunde, e.V. München. München 1935

Einzelnachweise

  1. Friedrich Müller: Bayerns steinreiche Ecke. S. 32
  2. Eder, Emmert, Horstig, Stettner: Geol. Übersichtskarte 1:200.000, CC 6334 Bayreuth
  3. W. Dienemann / O. Burre: Die nutzbaren Gesteine Deutschlands und ihre Lagerstätten mit Ausnahme der Kohlen, Erze und Salze. II. Bd. Feste Gesteine. Stuttgart (Ferdinand Enke) 1929, S. 348
  4. Friedrich Müller: Bayerns steinreiche Ecke. S. 35
  5. Wolf-Dieter Grimm: Bildatlas wichtiger Denkmalgesteine der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, Lipp-Verlag, München 1990, Gesteins Nr. 199 Deutsch-Rot-Kalkstein
  6. Friedrich Müller: Bayerns steinreiche Ecke. S. 39

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