Winckelmann-Gesellschaft

Winckelmann-Gesellschaft

Die Winckelmann-Gesellschaft ist ein eingetragener Verein. Er ist nach Johann Joachim Winckelmann, einem der Begründer der modernen Kunstarchäologie, benannt und in dessen Geburtsort Stendal angesiedelt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Johann Joachim Winckelmann, Namenspatron und Forschungsgegenstand der Gesellschaft

Der Verein wurde 1940 gegründet, nachdem der Stendaler Sammler und Augenarzt Dr. Heinrich Segelken im selben Jahr verstorben war. Seine Sammlung an „Winckelmanniana“, etwa Erstausgaben seiner Schriften, Briefe und anderer Archivalien, erwarb daraufhin die Stadt Stendal. Man wollte sie mit schon vorhandenen Stücken im Altmärkischen Museum zusammen bringen. Um die seit 1939 in Stendal ausgestellte Sammlung zu verwalten, auszuwerten und auch zu erweitern, wurde nun ein Träger gesucht. Da die Winckelmann-Rezeption zu dieser Zeit eine Blüte erreichte und Winckelmann als wichtiger Protagonist der deutschen Klassik angesehen wurde, bildete sich nicht nur der Verein schnell heraus, sondern hatte nach einem Jahr des Bestehens schon 1100 Mitglieder, 1944 1126 Mitglieder. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Gerhart Rodenwaldt, Karl Anton Neugebauer, Martin Schede, Georg Lippold, Wilhelm Kraiker, Friedrich Matz, Erich Pernice, Wolfgang Schadewaldt, Bernhard Schweitzer, Carl Weickert, Wilhelm Waetzoldt und Walther Rehm. Erster Vorsitzender wurde Karl Wernecke, der Oberbürgermeister Stendals, der auch bei der Vereinsgründung eine treibende Kraft war. Vom Einfluss des Nationalsozialismus konnte man sich weitgehend frei halten.

1949 erfolgte auf Betreiben von Rudolph Grosse, der von 1947 bis zu seinem Tod 1949 auch Geschäftsführer war, und Carl Weickert die Neugründung der Gesellschaft. Vorsitzender wurde der Direktor des Altmärkischen Museums Arthur Schulz, unter dessen Vorsitz die Kontakte vor allem nach Italien und Frankreich wieder aufgebaut wurden. 1955 wurde das Winckelmann-Museum auf Betreiben von Gerhard Richter – Nachfolger Schulzes als Direktor des Altmärkischen Museums – gegründet. Mit dem gab es zwar eine enge Zusammenarbeit, es war aber zunächst institutionell getrennt. Dennoch gab es, schon weil die Gesellschaft das Haus neben dem Museum für sich nutzte, immer direkte Verbindungen. Seit 1960 wird die Winckelmann-Medaille von der Stadt verliehen. Das Kuratorium der Winckelmann-Gesellschaft gibt dazu Vorschläge ab. Gab es zunächst jährlich nur die Hauptversammlung, werden seit 1972 alljährlich auch thematische Kolloquien durchgeführt. Zudem publizierte der Verein zahlreiche Schriften, darunter mehrere Buchreihen. Dabei schaffte es die Winckelmann-Gesellschaft, weitgehend unabhängig vom DDR-Staat zu bleiben und den internationalen Charakter der Gesellschaft beizubehalten. Seit 1984 wird der „Wilhelm-Höpfner-Preis“ an junge Nachwuchskünstler vergeben, die in ihrem Werk Bezug zur Antike nehmen.

Das Winckelmann-Museum in Stendal

Schon 1988 konnte mit der historisch-kritischen Edition des Winckelmannschen Hauptwerkes der „Geschichte der Kunst des Alterthums“ mit Hilfe der VolkswagenStiftung und mit dem Partner Freie Universität Berlin ein deutsch-deutsches Wissenschaftsprojekt begonnen werden. Nach der Wende entwickelte sich daraus das Projekt einer historisch-kritischen Gesamtausgabe Winckelmanns, die von der Landesregierung Sachsen-Anhalts und der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wurde. Seit 1996 ist das Vorhaben in die Betreuung der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz übergegangen, eine Arbeitsstelle dazu gibt es im Stendaler Winckelmann-Haus. 1997 wurde der Stendaler Arbeitskreis zur Theorie und Geschichte der Kunstgeschichtsschreibung gegründet. Seit 2000 befindet sich das Winckelmann-Museum in der Trägerschaft des Vereins. 2003 wurde auf drei CDs eine „Bilddatenbank zu antiken Skulpturen, die Winckelmann kannte“ veröffentlicht.

Heute ist die Winckelmann-Gesellschaft mit dem Winckelmann-Museum, in dem viele Sonderausstellungen präsentiert werden, eine wichtige kulturelle Größe in Sachsen-Anhalt und einer der Schnittpunkte zwischen archäologischer, kunsthistorischer und literarischer Forschung sowie der Bildenden Kunst in Deutschland. Die Gesellschaft ist Mitglied im Arbeitskreis selbständiger Kultur-Institute.[1] Präsident ist seit 1990 Max Kunze, stellvertretende Präsidenten sind Adolf Borbein, Ralf-Torsten Speler und Rainer Vollkommer, Schatzmeister ist Christoph Helm, Geschäftsführendes Kuratoriumsmitglied ist Stephanie-Gerrit Bruer. Weitere Angehörige des Kuratoriums sind Jürgen Dummer, Hans-Volker Feldmann, Thomas Fröhlich, Markus Käfer, Martin Keller-Jaccard, Monika Knofler, Arnold Nesselrath, Ingo Pfeifer, Wolfgang Richter, Volker Riedel, Detlef Rößler, Axel Rügler, Franz Rutzen und Wolfgang von Wangenheim, von Amts wegen der Oberbürgermeister der Stadt Stendal, Klaus Schmotz, und der Vorsitzende des Museumsvorstandes Stendal, Manfred Urban. Derzeit hat die Gesellschaft fast 600 Mitglieder.[2]

Schlagzeilen machte ein Konflikt zwischen Präsident Max Kunze und Kritikern einer Ausstellung unter Führung von Stefan Lehmann. Lehmann warf Kunze vor, eine gefälschte Büste Alexanders des Großen als Original ausgestellt und sie damit für den Kunstmarkt „gewaschen“ zu haben. Der Konflikt, bei dem Lehmann von vielen Fachkollegen unterstützt wurde, gipfelte im Ausschluss Lehmanns aus der Winckelmann-Gesellschaft am Jahresende 2009, weshalb auch andere namhafte Wissenschaftler die Gesellschaft verlassen haben.[3][4][5][6][7]

Vorsitzende und Präsidenten
Geschäftsführer

(nicht komplett)

  • 1940–????: Werner Leffler
  • 1947–1949: Rudolph Grosse
  • 1949–1956: Arthur Schulz
  •  ????–1990: Max Kunze
  • aktuell: Stephanie-Gerrit Bruer

Zweck der Gesellschaft

Laut Satzung (§2) hat die Gesellschaft folgende Aufgaben:

Die Winckelmann-Gesellschaft ist eine internationale Vereinigung und verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Die Gesellschaft sieht ihre Aufgaben darin,

  1. die internationalen Forschungen zum Leben, Werk und Wirken Johann Joachim Winckelmanns zu unterstützen,
  2. die mit Winckelmanns Wirken zusammenhängenden Disziplinen wie Altertumswissenschaft, Kunstgeschichte und Germanistik zur Erschließung der Wissenschaftsgeschichte des 18. Jahrhunderts zusammenzuführen,
  3. die Pflege von Winckelmanns Erbe innerhalb und außerhalb seiner Vaterstadt zu fördern und zu popularisieren.[8]

Publikationen

Seit 1941 erscheinen die „Mitteilungen der Winckelmann-Gesellschaft“, in denen über die Aktionen der Gesellschaft berichtet wird. Die Schriften der Winckelmann-Gesellschaft erscheinen seit 1973, Beiträge der Winckelmann-Gesellschaft seit 1974, Aus den Sammlungen der Winckelmann-Gesellschaft in Stendal sporadisch seit 1989, Akzidenzen. Flugblätter der Winckelmann-Gesellschaft seit 1991 und die Stendaler Winckelmann-Forschungen seit 2003. Daneben erscheinen Ausstellungskataloge.

Weblinks

Belege

  1. Winckelmann-Gesellschaft mit Winckelmann-Museum, Stendal
  2. Kulturstiftung des Bundes: Winckelmann-Gesellschaft e.V.
  3. Wie echt ist die Alexanderbüste?
  4. Helden auf dem Prüfstand
  5. Christoph Schmälzle: Wer kennt die wahren Antiken? Schießen sie nicht auf den Kritiker: Streit in Stendals Winckelmann-Gesellschaft, In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Samstag, 4. Dezember 2010, Nr. 283, S. 35.
  6. Christoph Schmälzle: Die Alexanderschlacht. Der Streit in der Winckelmann-Gesellschaft spitzt sich zu, In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Dienstag, 7. Dezember 2010, Nr. 285, S. 31.
  7. Patrick Bahners: Der König hat einen schweren Zacken, In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Montag, 30. Mai 2011, Nr. 125, S. 27.
  8. Satzung der Gesellschaft

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