Waldsiedlung (Bernau bei Berlin)

Waldsiedlung (Bernau bei Berlin)
Waldsiedlung
Koordinaten: 52° 44′ N, 13° 29′ O52.73422222222213.486455555556Koordinaten: 52° 44′ 3″ N, 13° 29′ 11″ O
Fläche: 1,5 km²
Eingemeindung: 1. Juli 2001
Karte

Lage von Waldsiedlung in Bernau bei Berlin

Die Waldsiedlung Bernau bei Berlin, meist nach dem nahegelegenen Ort Wandlitz als Waldsiedlung Wandlitz bezeichnet, ist eine knapp zwei Quadratkilometer große, abgeschirmte Siedlung, in der die meisten Mitglieder des Politbüros des ZK der SED wohnten. Das Gelände liegt auf dem Gebiet der Stadt Bernau. Seit 2001 ist es ein offizieller Stadtteil von Bernau.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Haupteingang zum früheren Innenring der Waldsiedlung

Die Siedlung wurde 1958 bis 1960 auf Beschluss des SED-Politbüros inmitten eines Waldgebietes gebaut, das bei der einheimischen Bevölkerung als Schießstände bekannt war. Die fertige Siedlung, in die zunächst 23 Politiker mit ihren Familien einzogen, unterstand der Hauptabteilung Personenschutz des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Die Mitglieder des Politbüros konnten dort besser gesichert werden als in ihren Villen am Majakowskiring in Berlin-Niederschönhausen. Den Wohnsitz in der Waldsiedlung zu nehmen war spätestens mit der Berufung in das Politbüro für deren Mitglieder obligatorisch. Seit der politischen Wende in der DDR 1989/1990 haben sich dort Reha-Kliniken und andere neu gebaute Einrichtungen angesiedelt. Die früheren Wohngebäude sind vermietet und eine Vielzahl neuer Wohnhäuser ist hinzugekommen. Ein komplett angelegtes Wegesystem mit den Hauptachsen Brandenburgallee (West-Ost-Richtung) und Kurallee (Nord-Süd-Richtung) erschließt den Bernauer Stadtteil.

Sicherung

Mauer am Westrand des Areals noch in Originalhöhe, Innenansicht, August 2010

Die Abschirmung war von außen nicht unmittelbar erkennbar. Der äußere Ring wurde durch einen Maschendrahtzaun umsäumt, an dem Schilder mit dem Hinweis auf ein Wildforschungsgebiet hingen. Der innere Ring, der nur teilweise vom äußeren Ring umschlossen war, war mit einer zwei Meter hohen und rund fünf Kilometer langen grün angestrichenen Beton-Sicherungsmauer umgeben und durfte nur mit Sonderausweis betreten werden. Die vier Tore wurden von Soldaten des MfS und des Wachregiments Feliks Dzierzynski bewacht. Zusätzlich war die PS-Wache (Hauptabteilung Personenschutz) eingesetzt. Insgesamt umfasste der Sicherungsbereich 33 Postenbereiche, einschließlich der Postenbereiche 32 (Badestelle Liepnitzsee) und 33 (Haus am See – Sommerhaus der sowjetischen Botschaft). Zwei Posten waren in vorgelagerten Wachtürmen untergebracht. Die Bewachung wurde als „Militärisch-operativer Sicherungsdienst“, unter Diensttuenden mit „MOS“ bezeichnet.

Die Sicherungsposten hatten einen pilzförmigen Unterstand mit einem aus dem Bergbau bekannten explosionsgeschützten Telefon. Die Tore wurden zusätzlich zu den Posten auch per Video überwacht. Die grüne Mauer war nachts etwa alle 30 Meter mit einer Leuchtstofflampe beleuchtet. Bei Nebel wurde eine zweite nach oben leuchtende dazugeschaltet. In einigen Abschnitten waren Signalanlagen auf der Mauer befestigt. Die Posten hatten jeweils über 24 Stunden Dienst und wurden in dieser Zeit vier Mal aufgeführt.

Leben in der Siedlung

ehemaliges Haus 11 (Honecker), heute Habichtweg 5, Bauzustand 2010

Die Waldsiedlung bestand im inneren Ring aus 23 ein- und zweistöckigen Einfamilienhäusern mit teils 7 und teils 15 Zimmern, letztere mit 180 Quadratmetern Grundfläche, einem Klubhaus mit Arztpraxis, Schwimmbad, Sauna, Kino und Gaststätte, einem Handfeuerwaffen-Schießstand und einem Sportplatz mit Tennisanlage. Im äußeren Ring (die beiden Ringe lagen in Wirklichkeit nebeneinander) gab es unter anderem eine Gärtnerei, eine Poliklinik sowie Wohn- und Sozialgebäude für Angestellte und Wachpersonal. In der Siedlung wohnten die Funktionäre auf einem für DDR-Verhältnisse sehr hohen Niveau. Über eine als Ladenkombinat bezeichnete Verkaufseinrichtung gelangten die Bewohner in den Genuss von hochwertigen DDR- und Westerzeugnissen sowie eines außergewöhnlichen Angebots an Frischobst und -gemüse. Nahezu jeder Einkaufswunsch, ggf. auch mittels Bestellung per Katalog, konnte erfüllt werden. Als während der Wende die Sendung Elf 99 des DDR-Fernsehens den relativen Luxus von Wandlitz zeigte, trug dies zur Empörung der Bevölkerung über das Regime bei.

Ein Stab von über 60 Hausangestellten sorgte sich um alle Aspekte des täglichen Lebens. Die Mitglieder der Partei- und Staatsführung leisteten sich in der Waldsiedlung einen Lebensstil, der weit über dem eines normalen DDR-Bürgers lag. Dies und die Abschottung von der eigenen Bevölkerung trugen zur Entfremdung zwischen der Führung und dem Volk bei und wurden während der Wende, aber auch schon zuvor, immer wieder scharf kritisiert. Verglichen mit der Führung anderer Staaten war der Lebensstandard in der Waldsiedlung jedoch bescheiden.

Kunst in der Siedlung

Keiler von Waldemar Grzimek, heute Zufahrt Klinik I nahe Haupteingang

Auf dem Gelände wurden nach Fertigstellung der Bebauung zahlreiche Kunstwerke aufgestellt. Dazu gab es eine Kommission, die aus bereits vorhandenen Skulpturen eine Auswahl traf. Etwa 13 Bronzefiguren wurden dann vor Gemeinschaftseinrichtungen wie dem Schwimmbad, dem Sportplatz oder der Verkaufseinrichtung und in Hausgärten aufgestellt, beispielsweise Ruhender Tänzer von Waldemar Grzimek am Haus von Günter Schabowski, Stehender Akt von Lore Plietzsch im Garten von Werner Krolikowski. Weitere Figuren und Kunstwerke, auch aus Sandstein, von bekannten Künstlern wie Walter Arnold oder Gerhard Geyer, ein Terrakottabild und ein Mosaik der Bildhauerin Ingeborg Hunzinger, Putzkeramik von Heidi Manthey und Kunstschmiedearbeiten an Zäunen und Toren schmückten ebenfalls die weitläufige Anlage.[1] Einige wurden nach 1990 gestohlen oder bei der Umwandlung des Geländes zu einer Klinik an neue Standorte umgesetzt. Im Frühjahr 2010 verschwanden weitere Skulpturen, was von den Verantwortlichen der Klinik und vom Kulturdezernenten der Stadt Bernau mit Sicherstellung und fachgerechter Sanierung erklärt wurde. Im Herbst 2011 befinden sich von den Skulpturen nur noch der Keiler von Waldemar Grzimek und das Fritz Kühn zugeschriebene schmiedeeiserne Haupttor im Gelände.

Verkehrsanbindung

In der Bauphase war das Waldareal nur über unbefestigte Sandwege erreichbar. Danach erhielt die Siedlung durch Verlegung der Fernverkehrsstraße 273 (heute Bundesstraße 273) aus der Wandlitzer Ortsmitte in eine Ortsumfahrung einen vierspurigen Autobahnanschluss. Die frühere Verbindungsstraße zwischen Bernau und Wandlitz wurde teilweise in die neue Verbindung einbezogen. Ihr verbliebener südlicher Teil bildet heute die Landesstraße L 304. Die jetzigen Bewohner der Siedlung sowie die Patienten und Gäste der Klinikeinrichtungen können eine Anfang der 2000er Jahre eingerichtete neue Busverbindung (Linie 894) der Barnimer Bus-Gesellschaft (BBG) nutzen. Sie ermöglicht Anschlüsse an die S-Bahn in Bernau oder an die Heidekrautbahn in Wandlitz.[2]

Auflösung der Politikersiedlung und Nachnutzung

Erste Kurgäste in der Brandenburg Klinik, Januar 1990

1989 mussten die Bewohner auf Beschluss der DDR-Regierung unter Ministerpräsident Hans Modrow die Siedlung verlassen. 1990 wurde die Brandenburg Klinik Bernau als erstes großes Rehabilitationszentrum in den neuen Bundesländern auf dem Gelände der Waldsiedlung errichtet. Mit dem Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 begann ein umfassendes Bau- und Renovierungsprogramm. Die Brandenburg Klinik beheimatet Fachabteilungen für Neurologie in den Behandlungsphasen B (75 Akutbetten im Krankenhausbedarfsplan des Landes), C und D, Psychosomatik sowie Orthopädie und Kardiologie. Mit einer Aufnahmekapazität von insgesamt 700 stationären Patienten ist die Brandenburg Klinik[3]das größte Haus im Unternehmensverbund der Michels Kliniken. Die Kindernachsorgeklinik Berlin-Brandenburg ist eine gemeinnützige familienorientierte Rehabilitationsklinik für herz- und krebskranke Kinder und Jugendliche mit 100 Betten.

Ehemalige Bewohner der Waldsiedlung (Auswahl)

Alphabetisch sortiert (in Klammern die ehemalige Hausnummer) laut Paul Bergner: Die Waldsiedlung

Literatur

  • Paul Bergner: Die Waldsiedlung. Ein Sachbuch über Wandlitz. FB-Verlag, 5. Auflage, Basdorf 2005
  • Klaus Bossig: DDR-Führung auf Reisen. Schienen-, Straßen-, Luft- und Wasserfahrzeuge für Staatsreisen der DDR-Führung. Freiburg 2010. ISBN 978-388255-734-3

Weblinks

 Commons: Waldsiedlung Wandlitz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Andreas Fritsche: Sanieren in der Waldsiedlung ohne Hand und Fuß. Aus den ehemaligen Hausgärten der SED-Politbüromitglieder sind die Bronzeskulpturen entfernt worden. Artikel in der Tageszeitung Neues Deutschland vom 7. April 2010
  2. Buslinie 894 mit allen Haltestellen; hier: Bernau Brandenburg-Klinik; abgerufen am 21. November 2010
  3. Brandenburg Klinik

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