Viehwaggon

Viehwaggon

Viehwaggon ist ein umgangssprachlicher Begriff für einen Eisenbahnwagen zum Tiertransport. Vieh wurde und wird in der Regel in gedeckten oder offenen Güterwagen befördert.[1]

Gedeckte Güterwagen, die im allgemein für den Transport von witterungsempfindlichen Gütern bestimmt sind, waren aber auch für den Tiertransport vorgesehen. Nur für den Transport von Rennpferden wurden Stallungswagen verwendet und für Kleinvieh (Schafe, Ziegen, Geflügel und Kaninchen) wurden Verschlagwagen verwendet. In offenen Güterwagen (Hochbordwagen), früher auch Hornviehwagen genannt, wurden Rinder aber auch Pferde oder Schweine transportiert. Für die Beförderung von Militärpferden in Güterwagen wurden unter anderem entsprechende Anbinde-Ringe vorgesehen.[2] Der Transport von Groß- und Kleinvieh verlangt besondere Vorkehrungen (Lüftungklappen, Befestigungsmittel, Tränkvorrichtungen und Schaulöcher), um quantitative und qualititative Verluste zu vermeiden.[3] Auch Militärmannschaften wurden in Gedeckten Güterwagen befördert.

„Eisenbahner und Eisenbahnfreunde lehnen ... die Bezeichnung ‚Viehwaggon‘ als einseitig ab".[4] Sie verweisen dabei auf die Multifunktionalität des Gedeckten Güterwagens.

Inhaltsverzeichnis

Der „Viehwaggon“ im Zusammenhang mit dem Holocaust

Juden bei der Verladung am Umschlagplatz Warschau

„Viehwaggon“ ist ein Schlagwort im Zusammenhang mit dem Transport von vor allem Juden und „Zigeunern“ in die Konzentrations- und Vernichtungslager, aber auch für den Transport von osteuropäischen Zwangsarbeitskräften ins nationalsozialistische Deutschland.

Für die ersten Deportationen der deutschen, österreichischen und tschechischen Juden in den Jahren 1941/42 nach Litzmannstadt, Minsk, Kowno, Riga, in den Distrikt Lublin sowie ins Ghetto Theresienstadt setzte die Reichsbahn regelmäßig Personenwagen ein. Dagegen wurden seit dem Frühjahr 1942 die Massentransporte des ‚Generalgouvernements’ in die Vernichtungslager sowie die Deportationen aus den übrigen besetzen Gebieten Europas von Frankreich bis Griechenland nach Auschwitz fast ausnahmslos in geschlossenen Güterwagen durchgeführt.[5]

Das nach Verwendungsweise und Fachjargon unzutreffende Wort vom „Viehwaggon“ geht zurück auf

  • die Wahrnehmung der Überlebenden der Transporte, die sich an Ausstattungsdetails der Waggons für Viehtransporte festmacht und die autobiografische Darstellung prägt[6] und
  • auf den Charakter dieser Fahrten (Massentransporte mit Tötungsorten als Ziel wie bei Schlachtvieh) und ihre besonderen Bedingungen, die viele Teilnehmer nicht überlebten, für Überlebende, Historiker wie mediale Bearbeiter des Themas die Analogie nahelegen.

Gedeckte Güterwagen „sind damit zu einer international verbreiteten Ikone“ für die nationalsozialistische Massenvernichtung geworden „wie das Tor zum Stammlager Auschwitz“.[7] Diese Menschentransporte unterschritten die Standards für Tiertransporte erheblich, die Transportierten wurden eher wie unbelebte Fracht behandelt.

Mahnmal „Die Rampe“ von E. R. Nele in Kassel

Gedeckte Güterwagen sind auch künstlerisch mit dem Transport in die Konzentrationslager[8] in Zusammenhang gebracht worden. Die Bildhauerin E. R. Nele setzte sich in ihrem Werk mehrfach mit der Holocaust-Thematik auseinander. Das Mahnmal "Die Rampe" (K 18 während der Documenta VII) steht in Kassel.[9]

Literatur

  • Alfred Gottwaldt, Der deutsche „Viehwaggon” als symbolisches Objekt in KZ-Gedenkstätten, in: Gedenkstättenrundbrief, Nr. 139, (Oktober 2007), S. 18ff und Nr. 140, (Dezember 2007), S. 3ff.
  • Kapitel "Verschleppungen mit bedeckten Güterwagen" und "Transporte mit offenen Güterwagen" in Karolin Steinke: Züge nach Ravensbrück. Transporte mit der Reichsbahn 1939-1945, Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Band 26, Metropol Verlag, Berlin 2009, S. 57-63.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Tierbeförderung bei Zeno.org. Artikel aus: Viktor von Röll (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, 2. Aufl. 1912–1923, Bd. 9, S. 319ff.
  2. Güterwagen bei Zeno.org. Artikel aus: Viktor von Röll (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, 2. Aufl. 1912–1923, Bd. 6, S. 19, 26f
  3. Güterwagen bei Zeno.org. Artikel aus: Viktor von Röll (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, 2. Aufl. 1912–1923, Bd. 6, S. 28f
  4. Alfred Gottwaldt, Der deutsche „Viehwaggon“ als symbolisches Objekt in KZ-Gedenkstätten, Tel 1, in: Gedenkstättenrundbrief, Nr. 139, (Oktober 2007), S. 24
  5. Alfred Gottwaldt: Der deutsche ‚Viehwaggon’ als symbolisches Objekt in KZ-Gedenkstätten. In: Gedenkstättenrundbrief Nr. 139 (Oktober 2007) (hrsg. von der Stiftung Topographie des Terrors), S. 21/22
  6. Alfred Gottwaldt, Der deutsche "Viehwaggon" als symbolisches Objekt in KZ-Gedenkstätten, Tel 1, in: Gedenkstättenrundbrief, Nr. 139, (Oktober 2007), S. 20
  7. Angaben und Zitate nach: Alfred Gottwaldt, Der deutsche "Viehwaggon" als symbolisches Objekt in KZ-Gedenkstätten, Tel 1, in: Gedenkstättenrundbrief, Nr. 139, (Oktober 2007), S. 18ff.; siehe auch: ders., Der deutsche Güterwagen. Eine Ikone für den Judenmord? In: Museumsjournal 13 (1999) H. 1; Karolin Steinke: Züge nach Ravensbrück. Über die Dauerausstellung der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück und den Weg des ausgestellten Güterwagens... In: Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern, 11(2007) H.1, S. 103-105.
  8. "Der »Viehwaggon« in Museen und Gedenkstätten in Deutschland" auf Gedenkstättenforum
  9. "Im Jahre 1985 war in Kassel unter Beteiligung der Künstlerin E. R. Nele, die sich persönlich an Zwangsarbeiter auf den Straßen ihrer Heimatstadt erinnerte, ein Bronze-Denkmal aus Figuren in wallenden Mänteln errichtet worden, die symbolträchtig aus einem alten Wagen stürzen. Das Objekt mit dem Titel „Die Rampe“ befindet sich unweit der heutigen Universität, in der Nähe eines historischen Standorts der Eisengießerei von Henschel & Sohn, welche in der NS-Zeit Lokomotiven sowie Kriegsgerät produzierte und auch Zwangsarbeiter beschäftigte. Damit war der deutsche Güterwagen auch als Bedeutungsträger für die Zwangsarbeit während der Hitler-Diktatur in die Öffentlichkeit eingeführt worden. Anfangs litt die Installation darunter, dass für diesen Zweck ein Güterwagen der Nachkriegsbauart verwendet worden war. Dieser konnte erst nach etwa zwei Jahren gegen ein älteres Fahrzeug getauscht werden, dessen Glaubwürdigkeit größer ist."(Erläuterungen auf "Gedenkstättenforum")

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