Vélib’

Vélib’
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Eine Vélib'-Station in Paris

Vélib’ ist ein am 15. Juli 2007 in Paris in Betrieb genommenes öffentliches Fahrradverleihsystem. Die Bezeichnung Vélib' ist ein Kunstwort, das sich aus den Begriffen Fahrrad (vélo) und Freiheit (liberté) zusammensetzt. Das System umfasst heute über 20.000 Fahrräder an 1202 Stationen in Paris und einigen Gemeinden im Umland der französischen Hauptstadt und wird im Rahmen einer von der Stadtverwaltung vergebenen Konzession von JCDecaux betrieben.[1][2]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Zum Start des Systems im Sommer 2007 standen rund 7500 Fahrräder an 750 Stationen im Stadtgebiet von Paris zur Verfügung. Seit 2009 wurde das System auch auf 29 Anrainergemeinden rund um Paris ausgeweitet. So sind außerhalb der Pariser Stadtgrenzen noch einmal etwa 4500 Fahrräder an 300 Stationen hinzugekommen. Zusammen mit dem konsequenten Ausbau der Stationen in Paris selbst stehen den Nutzern heute über 20.000 Fahrräder an 1202 Stationen zur Verfügung.[1][3] Die grauen Vélib'-Räder gehören so heute fest zum Stadtbild und sind nicht zu übersehen. Wenn auch das Vélib'-System nicht das Erste seiner Art war und sich vor allem auf die positiven Erfahrungen des 2005 ebenfalls von JCDecaux entwickelten Vélo'v in Lyon stützt, so hat das Vélib'-System die modernen Fahrradleihsysteme weltweit bekannt gemacht und dem Pariser Bürgermeister und Mentor des Vélib'-Systems Bertrand Delanoë ein beachtliches Medieninteresse beschert.

Auslastung

Innerhalb des ersten Jahres nach Start des Systems haben sich insgesamt knapp über 200.000 Nutzer ein Jahresabonnement gesichert. Nach Angaben von Stadt und Betreiber liegt die Zahl der Abonnenten derzeit stabil bei rund 160.000 (Stand März 2011).[4][5] Insgesamt, d.h. auch einschließlich der Tages- und Wochenkarten, sind bis Mitte September 2010 über 85 Millionen Fahrten mit den Vélib'-Fahrrädern zurückgelegt worden.[6] Nach Angaben der Stadtverwaltung haben 76 % der Nutzer ein Jahresabonnement,[5] etwa 20 % der Vélib'-Nutzer sind jünger als 26.[5]

Anfang Juni 2011 wurde die Schwelle von 100 Millionen Fahrten überschritten; allein im ersten Quartal 2011 waren es 5,5 Millionen.[7] Durchschnittlich werden täglich etwa 110 000 Ausleihen getätigt.[8]

Funktionsweise

Anmeldung und Tarife

Vor Nutzung der Fahrräder muss zunächst ein Abonnement abgeschlossen werden. Dabei kann zwischen einem Kurzzeitabonnement (direkt an jeder Station erhältlich und seit Juli 2011 auch online) und einer Dauerkarte (nur online/Versand per Post) gewählt werden. Kurzzeitabonnements sind für 24 Stunden (1,70 Euro) oder für 7 Tage (8 Euro) erhältlich.[9] Der Preis für ein Jahresabonnement Vélib' Classique beträgt 29 Euro und bietet den Komfort, Fahrräder mit Hilfe einer Magnetkarte entleihen zu können. Mit Einführung eines neues Tarifsystems Ende April 2011 ist ebenfalls ein Jahresabonnement Vélib' Passion für 39 Euro erhältlich mit dem Nutzer nicht wie gewohnt 30, sondern 45 Minuten gratis radeln können.[9] Unter 26 Jährige und Stipendiaten erhalten Ermäßigungen.[9]

In jedem Fall muss eine Kaution von 150 Euro hinterlegt werden (per Kreditkarte oder Scheck), die im Falle der Nichtrückgabe innerhalb von 24 Stunden vom Konto abgebucht wird. An den Stationen werden ausschließlich Kreditkarten akzeptiert, die über einen EMV-Chip verfügen. Herkömmliche Kreditkarten, die nur Magnetstreifen besitzen, werden nicht akzeptiert.[10] Seit Juli 2011 sind Kurzzeitabonnements auch online erhältlich, so dass auch Touristen ohne Kreditkarte mit Chip das System nutzen können.

Zusätzlich zum Abonnement muss der Nutzer für die effektive Nutzung einen zeitbasierten Betrag bezahlen, die erste halbe Stunde ist jedoch in jedem Fall kostenlos. Danach kostet die nächste halbe Stunde 1 Euro und die übernächste halbe Stunde 2 Euro und jede weitere halbe Stunde (mit dem gleichen Rad) kostet 4 Euro. Wie in anderen Städten mit ähnlichen öffentlichen Fahrradleihsystemen auch soll durch dieses progressive Tarifsystem die überwiegende Anzahl der Fahrten innerhalb von einer halben Stunde enden und das Fahrrad wieder an einer Station abgegeben werden, statt es abzuschließen und für andere nutzlos stehen zu lassen. In der Praxis bedeutet dies, dass es sinnvoller ist, das Fahrrad vor Ablauf der ersten halben Stunde zurückzugeben und direkt wieder neu zu entleihen, statt es über einen längeren Zeitraum zu entleihen.

Tarifbeispiele (in Verbindung mit einem Abonnement Vélib' Classique):

Dauer 30 min 1 h 1 h 30 2 h 5 h 10 h 20 h
Tarif Gratis 1 € 3 € 7 € 31 € 71 € 151 €

Ein entliehenes Vélib’ kann an jeder beliebigen Station wieder zurückgegeben werden, es muss also nicht wieder zum Ausgangspunkt zurückgebracht werden. Nach Ablauf einer kurzen Sperrzeit (keine offiziellen Angaben, in der Praxis 2–3 Minuten) kann das gleiche Fahrrad (oder ein anderes) sofort wieder entliehen werden. Sind für die Fahrt allerdings Gebühren angefallen, das heißt, war es länger als eine halbe Stunde entliehen, muss zunächst der entsprechende Betrag per Kreditkarte an einer Station bezahlt werden. Es besteht auch die Möglichkeit, das Konto im Voraus mit einem bestimmten Betrag aufzuladen.

Fahrräder

Vélib'-Mietfahrräder in Paris

Die in Paris angebotenen Fahrräder entsprechen denen, die im Rahmen des Cyclocity-Systems in anderen von JCDecaux ausgestatteten Städten (unter anderem Lyon, Brüssel, Wien und Dublin) angeboten werden. Sie werden in der Nähe von Tószeg in Ungarn von einem Tochterunternehmen der niederländischen Accell-Gruppe produziert[11][12] und sollen einen Stückpreis von etwa 1000 Euro haben[13]. Ein Vélib' wiegt 22,5 kg.

Finanzierung

Dem Beispiel Lyons folgend hat sich die Stadt Paris für eine Verknüpfung von Fahrradverleih und Außenwerbung entschieden. Sie überlässt dabei im Rahmen eines Public-private partnership ihre 1628 Außenwerbeflächen bzw. Plakatwände und deren Mieteinnahmen für eine Laufzeit von 10 Jahren an den Betreiber. Im Gegenzug installiert das Unternehmen das System, betreibt es und kümmert sich um die Wartung. Außerdem zahlt JCDecaux einen Teil seiner Einnahmen an die Stadt und verlangt für Werbekampagnen der Stadtverwaltung im öffentlichen Interesse auf diesen Plakatwänden keine Gebühren[13]. Dem ursprünglichen Vertrag nach standen zudem die Einnahmen aus der Vermietung und aus den Jahres-, Wochen- und Monatskarten komplett der Stadt zu.

Ende 2009 wurde der Betreibervertrag mit der Stadt Paris nachverhandelt und die finanziellen Konditionen vor allem mit Blick auf die hohe Vandalismusrate und Beschwerden der Nutzer geändert. Die Kosten für die Reparatur und den Ersatz zerstörter oder verschollener Fahrräder haben das wirtschaftliche Gleichgewicht des Systems knapp zwei Jahre nach seinem Start erheblich gestört. Den neuen Vertragsbedingungen nach zahlt die Stadt Paris für jedes von Vandalismus betroffene Fahrrad (sobald mindestens 4% und maximal 25% des Fuhrparks betroffen sind) 400 Euro an JCDecaux. Zudem stehen der Stadt nicht mehr die gesamten Mieteinnahmen zu, der Betreiber erhält je nach Volumen der Erlöse einen Anteil von 35 bis 50%. JCDecaux verpflichtet sich gleichzeitig zu einer besseren Verteilung der Fahrräder im Stadtgebiet und sichert zu, die Wartezeit an der telefonischen Hotline auf möglichst maximal 2 Minuten zu beschränken und schriftliche Anfragen innerhalb von 15 Tagen zu beantworten[14].

Probleme

Gleichmäßige Verteilung im Stadtgebiet

Da die Rückgabe eines Vélib' durch das Einhängen in einen einer Station angeschlossenen Stellplatz erfolgt kann es vorkommen, dass eine Station voll ist und der Nutzer sein Fahrrad am gewünschten Standort nicht zurückgeben kann. Der Nutzer kann sich in diesem Fall an der Station 15 zusätzliche Gratisminuten gutschreiben lassen, außerdem kann die Parksituation anderer Stationen im Umkreis eingesehen werden. Das Problem besetzter Stationen kann zum Beispiel am Morgen in unmittelbarer Nähe großer Bürostandorte oder nach Feierabend in reinen Wohngebieten auftreten.

Es kommt auch vor, dass eine Station völlig leer ist und ein potentieller Nutzer kein Fahrrad finden kann. Dies ist insbesondere in höhergelegenen Stadtvierteln der Fall. Um das Anfahren dieser Stationen attraktiv zu machen, sind die meisten höher gelegenen Stationen sogenannten Plus-Stationen. Gibt der Nutzer sein Fahrrad an einer dieser Stationen zurück, sind nicht die ersten 30 Minuten, sondern die ersten 45 Minuten gratis.

Der Betreiber gibt an, dass die automatische Regulierung in 90% der Fälle funktioniert und nur etwa 10 bis 12% der Fahrräder umplatziert werden müssen. Dies geschieht mit Hilfe von 20 kleinen erdgasbetriebenen Transportern (mit einer Kapazität von 20 Fahrrädern) und zwei von RATP ausgemusterten und umgerüsteten Bussen, die eine Kapazität von 50 Fahrrädern haben.[15]

Vandalismus

Von Nutzern durch das Umkehren der Sattel als defekt gekennzeichnete Vélib'-Fahrräder in Paris

Ein großes Problem für das Vélib'-System ergibt sich durch vandalismusbedingten Ausfall der Fahrräder. Nach Angaben des Betreibers werden täglich mehr als 1500 Reparaturen vorgenommen, die meisten direkt an den Stationen. 200 Räder (also etwa 1% des Fuhrparks) werden täglich in einem von 10 Ateliers hergerichtet. Ein Atelier befindet sich auf einem Schiff, das die Seine auf und ab fährt. So können die kaputten Fahrräder flexibel an verschiedenen Standorten innerhalb der Stadt aufgeladen werden. JCDecaux beschäftigt etwa 400 Vollzeitkräfte zur Reparatur der Fahrräder.[16]

Der Betreiber gibt an, dass Ende Oktober 2009 80% der 2006 in Dienst gestellten Vélib' entweder beschädigt oder gestohlen waren. Im Jahr 2008 hat die Vandalismusrate dabei um 54% gegenüber dem Vorjahr zugenommen.[17] Diese Zahlen übersteigen bei Weitem die Annahmen von JCDecaux und der Stadt Paris, die mit einer Ausfallrate von 4 % gerechnet hatten.

Im November 2009 waren schließlich nur noch etwa 14.000 Fahrräder verfügbar. Im Zuge dieser Situation wurde der Betreibervertrag geändert, so dass die Stadt Paris nun etwa 400 Euro pro gestohlenem Fahrrad zahlt. Zudem wurde eine Informationskampagne gestartet um die Nutzer zu mehr Achtsamkeit aufrufen. Ende März 2010 standen so wieder 19.600 Fahrräder zur Verfügung.

Um andere Nutzer vor der Ausleihe eines defekten Vélib' zu warnen, drehen die Nutzer den Sattel um. Ein entsprechend gekennzeichnetes Rad wird so als unbrauchbar erkannt.

Verkehrssicherheit

Der erste Verkehrsunfall, bei dem ein Vélib'-Nutzer ums Leben kam, ereignete sich am 18. Oktober 2007.[18] Am 7. August 2009, anlässlich der erstmaligen Ausweitung des Systems auf Umlandgemeinden, wies der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë darauf hin, dass seit Einführung von Vélib' in Paris elf Radfahrer tödlich verunglückt seien, sieben davon seien auf einem Vélib' unterwegs gewesen. Gleichzeitig seien bis dato aber auch 55 Millionen Fahrten auf dem Vélib' zurückgelegt worden.[19] In fast jedem Fall, in dem ein Vélib'-Nutzer tödlich verunglückt, ist ein LKW, dessen Fahrer angibt den Radfahrer beim Abbiegen auf Grund des toten Winkels nicht gesehen zu haben, beteiligt.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Vélib' – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Vélib' peine à trouver un second souffle, in Le Figaro, 25. März 2010
  2. http://www.velib.paris.fr/service/carto
  3. http://blog.velib.paris.fr/blog/velib-et-vous/l%E2%80%99application-officielle-velib%E2%80%99-est-maintenant-sur-iphone
  4. http://www.leparisien.fr/paris-75/le-coup-de-pompe-de-velib-19-09-2010-1073814.php, in Le Parisien, 19. September 2010
  5. a b c http://www.leparisien.fr/paris-75/paris-velib-change-ses-tarifs-25-03-2011-1375660.php, in Le Parisien, 25. März 2011
  6. http://www.leparisien.fr/paris-75/le-coup-de-pompe-de-velib-19-09-2010-1073814.php, in Le Parisien, 19. September 2010
  7. paris.fr: Vélib' : et le 100millionième est... 6. Juni 2011, abgerufen am 7. Juni 2011.
  8. blog.velib.paris.fr: La régulation, succès et ambitions. 30. Juni 2011, abgerufen am 8. Juli 2011.
  9. a b c Von Inbetriebnahme im Juli 2007 bis Ende April 2011 betrugen die Preise für die Kurzzeitabonnements 1 bzw. 5 Euro. velib.paris.fr: Vélib' - abonnements & tarifs. Abgerufen am 27. April 2011.
  10. Mit dem Fahrrad durch Paris, in Deutschlandfunk, 14. Oktober 2007
  11. twoday.net: Stadt der Liebe wird zur Stadt der Fahrräder
  12. ladepeche.fr: Les Vélib' sont fabriqués dans la campagne hongroise
  13. a b Paris Embraces Plan to Become City of Bikes, in The Washington Post, 23. März 2007
  14. Vélib change de braquet, in Le Parisien, 23. November 2009
  15. Vélib' peine à trouver un second souffle, in Le Figaro, 25. März 2010
  16. Reality Proves a Setback for Cheap Bike Rentals in Paris. In: The New York Times. 30. Oktober 2009
  17. Reality Proves a Setback for Cheap Bike Rentals in Paris. In: The New York Times. 30. Oktober 2009
  18. Premier accident mortel à Vélib’, in Libération, 19. Oktober 2007.
  19. Réaction d'Annick Lepetit suite à l'accident de Vélib' à Montrouge, 7. August 2009.

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