UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
Übereinkommen über
die Rechte von Menschen mit Behinderungen
Kurztitel: UN-Behindertenrechtskonvention
Titel (engl.): Convention on the Rights of Persons with Disabilities
Datum: 13. Dezember 2006
Inkrafttreten: 3. Mai 2008
Fundstelle: englisch
Fundstelle (deutsch): BGB 2008, 2. Teil, 1419ff. pdf
Vertragstyp: Multinational
Rechtsmaterie: Menschenrechte
Unterzeichnung: 149 (30. Juni 2011) Aktueller Stand
Ratifikation: 101 (30. Juni 2011) Aktueller Stand
Europäische Gemeinschaft formal confirmation (23. Dezember 2010)
Deutschland: Ratifikation (24. Februar 2009)
Liechtenstein: -
Österreich: Ratifikation (26. Oktober 2008)
Schweiz: -
Bitte beachten Sie den Hinweis zur geltenden Vertragsfassung.
Vertragsstaaten der UN-Behindertenrechtskonvention (dunkelgrün), Unterzeichnerstaaten (hellgrün)

Das 2006 bei der UNO-Generalversammlung in New York verabschiedete und 2008 in Kraft getretene Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (auch: Behindertenrechtskonvention, BRK) ist ein bis 30. Juni 2011 von 100 Staaten[1] und der EU[2] durch Ratifizierung, Beitritt (accession) oder (im Fall der EU) formale Bestätigung (formal confirmation) abgeschlossener völkerrechtlicher Vertrag, der Menschenrechte für die Lebenssituation behinderter Menschen konkretisiert, um ihnen die gleichberechtigte Teilhabe bzw. Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Im Übereinkommen finden sich neben grundlegenden Teilen der allgemeinen Menschenrechte, wie z. B. dem Recht auf Leben oder dem Recht auf Freizügigkeit, viele spezielle Bestimmungen, die auf die Lebenssituation behinderter Menschen eingehen.

Inhaltsverzeichnis

Besonderheiten, Inhalt

Die Konvention unternimmt es, die bei Behinderung grundsätzlich drohende rechtliche und gesellschaftliche Benachteiligung durch den Anspruch behinderter Menschen auf positive Rechte zu vermeiden. In vielen Staaten wurden bisher behinderten Menschen zwar grundsätzlich die gleichen Rechte eingeräumt wie nicht behinderten, – auf die erforderlichen Voraussetzungen, damit Menschen mit Behinderungen ihre Rechte auch tatsächlich wahrnehmen können, wurde staatlicherseits aber oft nicht eingegangen. Das Übereinkommen wurde daher unter der Mitwirkung von Betroffenen erarbeitet.

Die Vertragsstaaten der Konvention haben sich unter anderem verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit Behinderungen einen angemessenen Lebensstandard und sozialen Schutz zu sichern. Unterstützt werden sollen sie dabei von gemeindenahen Diensten oder auch persönlichen Assistenzen. Die Umsetzung des Übereinkommens durch die Vertragsstaaten wird von einem Vertragsorgan der Vereinten Nationen begleitet, dem UN-Ausschuss zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Das deutsche Institut für Menschenrechte hat den entsprechenden (ersten) Bericht zum Monitoring der Umsetzung der Konvention in der Bundesrepublik Deutschland am 31. März 2011 veröffentlicht.[3]

Entstehungsgeschichte und Inkrafttreten

Das Übereinkommen und das Zusatzprotokoll wurden am 13. Dezember 2006 verabschiedet. Konvention und Zusatzprotokoll sind am 3. Mai 2008 in Kraft getreten, nachdem die ersten fünfundzwanzig Staaten das Übereinkommen ratifiziert hatten. Bis Ende 2010 hatten 155 Staaten und die Europäische Union die Konvention unterzeichnet. Bis Juni 2011 wurde sie von 100 Staaten und der EU ratifiziert bzw. durch Beitritt oder förmliche Zustimmung in Kraft gesetzt. 90 Staaten hatten bis dahin das Zusatzprotokoll unterzeichnet, 61 davon haben es in Kraft gesetzt.[4] (Bis Juni 2011 haben 21 EU‑Mitgliedstaaten das Zusatzprotokoll unterzeichnet, von denen es 14 in Kraft gesetzt haben.)

In Österreich ist die Konvention am 26. Oktober 2008 ratifiziert worden, in Deutschland trat sie am 26. März 2009 in Kraft.

Deutsche Übersetzungen

Deutschland, Liechtenstein, Österreich und die Schweiz hatten fast ohne die Beteiligung von Betroffenen und deren Verbänden eine deutsche Übersetzung der Konvention abgestimmt. Alle Bemühungen entsprechender Organisationen in diesen Staaten zur Beseitigung von erkannten groben Fehlern scheiterten. So wurde z. B. der im Original der Konvention verwendete englische Begriff Inclusion irreführend mit Integration übersetzt.

Dies führte zur Erstellung einer so genannten Schattenübersetzung. Unter dem Aspekt, dass entsprechende Wortwahl zur Bewusstseinsbildung beiträgt, wurde eine deutschsprachige Fassung bereitgestellt, die der Originalfassung näher kommt als die offizielle deutsche Übersetzung. Die gemäß der Konvention in allen Phasen der Umsetzung und Überwachung einzubeziehenden Betroffenen mit ihren Organisationen waren an der Erstellung dieser Fassung beteiligt.[5]

Ziele

Chancengleichheit statt Diskriminierung

Ziel des Übereinkommens ist, die Chancengleichheit behinderter Menschen zu fördern und ihre Diskriminierung in der Gesellschaft zu unterbinden. Dabei soll stärker als bisher das kritische Potenzial der Menschenrechte gegen unfreiwillige Ausgrenzungen aus Gemeinschaften und der Gesellschaft entfaltet werden.[6]

Integration - Inklusion; Teilhabe + Teilnahme

Während in Deutschland nach wie vor in vielen Bereichen von Integration gesprochen wird, geht die UN-Konvention einen Schritt weiter und verlangt die soziale Inklusion (in Österreich enthielt der Erste Staatenbericht Österreichs vom 5. Oktober 2010 den Begriff Inklusion[7]). Es geht nicht mehr nur darum, Ausgesonderte zu integrieren, sondern allen Menschen von vornherein die Teilnahme an allen gesellschaftlichen Aktivitäten auf allen Ebenen und in vollem Umfang zu ermöglichen. Dabei soll ihre Autonomie und Unabhängigkeit gewahrt bleiben: Die Betroffenen haben nicht die Aufgabe, ihre Bedürfnisse an (angebliche) gesellschaftliche Notwendigkeiten anzupassen, sondern die Gesellschaft hat die Aufgabe, sich auf die Bedürfnisse der Betroffenen einzustellen.

Unter den Allgemeinen Grundsätzen (Art. 3) heißt es in der Konvention:

„Die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft.“

„Die Achtung vor der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen und die Akzeptanz dieser Menschen als Teil der menschlichen Vielfalt und der Menschheit.“

Die Konvention will Menschen mit Behinderungen davon befreien, sich selbst als defizitär sehen zu müssen. Sie will die Gesellschaft von ihrer Gesundheits- und Normalitätsfixierung abbringen, durch die all diejenigen an den Rand gedrängt werden, welche den Imperativen von Fitness, Jugendlichkeit und permanenter Leistungsfähigkeit nicht Genüge tun (können)[8]; es ist davon auszugehen, dass in der Folge das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein der Betroffenen zunimmt, damit ihr Lebenserfolg steigt und die aufzubringenden Kosten für die Allgemeinheit eher abnehmen werden.

Inklusive Bildung

Im ersten Monitoringbericht der Deutschen Instituts für Menschenrechte vom 31. März 2011 heißt es einleitend:

„Die Monitoring-Stelle misst der Einhaltung und Umsetzung des Rechts auf inklusive Bildung in den Ländern eine große Bedeutung zu. Das Recht auf Bildung als Menschenrecht zu verwirklichen ist zentral für die Verwirklichung anderer Menschenrechte; dies trifft auch für das gemeinsame Lernen von nicht behinderten und behinderten Kindern und Jugendlichen zu.
Das Recht auf inklusive Bildung im Sinne der Konvention ist als individuelles Recht ausgestaltet. Dieses Recht setzt sowohl für den schrittweisen Aufbau eines inklusiven Bildungssystems als auch für den Zugang zu diesem Bildungssystem im Einzelfall verbindliche Maßstäbe. ...
Es trifft auf alle Länder zu, dass weiterhin enorme strukturelle Anstrengungen auf allen Handlungsebenen erforderlich sind, um die UN-Behindertenrechtskonvention mittel- und langfristig erfolgreich umzusetzen und überdies kurzfristig das individuelle Recht auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu einem sinnvollen wohnortnahen Bildungsangebot an einer Regelschule praktisch einzulösen.“[3]

Zielgruppen

Wie die Menschenrechtskonvention selbst richtet sich auch die Behindertenkonvention in erster Linie an die Staaten als Garanten definierter Rechte; sie nimmt sie dabei in mehrfacher Weise in die Pflicht:

  • Der Staat ist gehalten, die Menschenrechte als Vorgabe eigenen Handelns zu achten.
  • Darüber hinaus hat er die betroffenen Menschen vor drohenden Rechtsverletzungen durch Dritte aktiv zu schützen.
  • Schließlich hat er Infrastrukturmaßnahmen zu ergreifen, damit die Menschen von ihren Rechten auch tatsächlich Gebrauch machen können.

Die Infrastrukturkomponente ist in der Behindertenrechtskonvention stark ausgeprägt. Denn viele der Partizipationshindernisse, unter denen Menschen mit Behinderungen leiden, hängen mit physischen oder mentalen Barrieren zusammen. Deren Überwindung verlangt breit angelegte staatliche und gesellschaftliche Anstrengungen und auch die Bereitschaft zur Übernahme von zur Umsetzung notwendigen Kosten.

Behinderungsbegriff

Der Konvention liegt ein Verständnis von Behinderung zugrunde, das jede Form körperlicher, seelischer, geistiger oder Sinnesbeeinträchtigung als normalen Bestandteil menschlichen Lebens und menschlicher Gesellschaft ausdrücklich bejaht und darüber hinaus im Sinne der Diversität als Quelle möglicher kultureller Bereicherung wertschätzt. Menschen mit Behinderung sollen selbstverständlich mit allen anderen leben und sich zugehörig fühlen können.

Dies äußert sich auch in geänderten Bezeichnungen: Menschen mit körperlichen Einschränkungen (Körperbehinderte) bezeichnen sich mittlerweile auch als körperlich herausgefordert.

Praktische Konsequenzen in Deutschland

Viele Organisationen und Interessenvertretungen, unter anderem der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (BeB), sehen konkreten Handlungsbedarf in folgenden Bereichen:

  • Gleiche Anerkennung vor dem Recht (gemäß Art. 12 der Konvention)
  • Zugang zur Justiz (gemäß Art. 13 der Konvention)
  • Freiheit und Sicherheit der Person (gemäß Art. 14 der Konvention) - Das Vorliegen einer Behinderung rechtfertigt in keinem Fall eine Freiheitsentziehung. Damit sind die Psychisch-Krankengesetze der Länder nicht konform mit dieser UN-Konvention.
  • Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft (gemäß Art. 19 der Konvention): Der Staat hat wirksame und geeignete Maßnahmen zu treffen, um
a) die volle Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in die Gemeinschaft (Inklusion) und Teilhabe in der Gemeinschaft (Partizipation) zu erleichtern. Dazu gehören die freie Wahl des Aufenthaltsortes und die freie Entscheidung, wo und mit wem die Menschen mit Behinderung leben wollen. Eine Verpflichtung in besondere Wohnformen ist rechtswidrig.
b) Zugang zu gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen zu gewährleisten, einschließlich der persönlichen Assistenz zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und Einbeziehung in die Gemeinschaft (Inklusion). Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft sollen damit verhindert werden.
  • Bildung (gemäß Art. 24 der Konvention): Niemand darf vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden, es besteht ein individueller Rechtsanspruch auf gemeinsamen Unterricht[9]
  • Gesundheit (gemäß Art. 25 der Konvention): Das Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit.
  • Habilitation und Rehabilitation (gemäß Art. 26 der Konvention): Nicht nur professionelle Helfer, sondern auch andere Menschen mit Behinderungen (peer support) sollen die Menschen mit Behinderungen unterstützen, um ein Höchstmaß an Unabhängigkeit sowie umfassende körperliche, geistige, soziale und berufliche Fähigkeiten zu bewahren.
  • Arbeit und Beschäftigung (gemäß Art. 27 der Konvention)[10]: Das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen.
  • Angemessener Lebensstandard und sozialer Schutz (gemäß Art. 28 der Konvention)
  • Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport (gemäß Art. 30 der Konvention)
  • Erweiterung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit um den Bereich Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderung, die durch Artikel 32 (Internationale Zusammenarbeit) notwendig wird.[11]

Geschäftsfähigkeit

Nach Auffassung des Bundesverbandes evangelische Behindertenhilfe (Deutschland) müssen gemäß Art. 12 der Behindertenrechtskonvention die §§ 104 und 105 des BGB reformiert werden, durch die behinderte Menschen für geschäftsunfähig erklärt werden können. Die Vertragsstaaten der Konvention haben dem Wortlaut des Übereinkommens entsprechend geeignete Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit Behinderung Zugang zu der Unterstützung zu verschaffen, die sie bei der Ausübung ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit gegebenenfalls benötigen. Damit soll Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung statt einer grundsätzlichen Aberkennung ihrer Geschäftsfähigkeit eine rechtliche Begleitung – keine Stellvertretung - zur Seite gestellt werden.[12]

Zugang zur Justiz

Generell gilt für behinderte Menschen der Grundsatz der Barrierefreiheit: Blinden oder sehbehinderten Menschen müssen rechtlich relevante Texte vorgelesen oder auf andere Weise zugänglich gemacht werden. Hör- oder sprachbehinderten Menschen müssen bei Anhörungen die erforderlichen Hilfsmittel bereitgestellt werden. Kognitiv beeinträchtigte Menschen haben das Recht darauf, dass Rechtsdokumente ihnen in einer Sprache erklärt werden, die sie verstehen.[13]

Wahlen und politisches Leben

ISG TopVoter voting machine: Eine PC-Oberfläche, die Menschen mit besonderen Bedürfnissen die aktive Teilnahme an einer (politischen) Wahl ermöglicht

Das Wahlrecht behinderter Menschen darf nach Art. 29 nicht unterlaufen werden. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet sicherzustellen, dass die Wahlverfahren, -einrichtungen und -materialien geeignet, barrierefrei und leicht zu verstehen und zu handhaben sind, die freie Willensäußerung von Menschen mit Behinderungen als Wähler zu garantieren und dazu, falls erforderlich, auf ihren Wunsch Hilfe bei der Stimmabgabe durch eine Person ihrer Wahl zu gestatten.

Nach deutschem Wahlrecht müssen Wähler allerdings ihre Stimme „höchstpersönlich“ abgeben, d.h. in der Regel mit eigener Hand ein Kreuz auf dem Wahlvordruck machen.[14]

Nach österreichischem Wahlrecht können sich Personen, die in der Wahlzelle allein nicht zurechtkommen, von Begleitpersonen beim Ausfüllen des Stimmzettels helfen lassen. Bettlägrige Menschen in Spitälern und Einrichtungen der Behindertenhilfe können bei Bedarf von fliegenden Wahlkommissionen aufgesucht werden, alternativ können sie die Briefwahl beantragen.

Bildungswesen

Gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention müssen auch Schüler und Studierende mit körperlichen oder geistigen Behinderungen an regulären Schulen und Hochschulen unterrichtet werden.[15] Die Max-Traeger-Stiftung geht in einem Gutachten davon aus, dass die Länder und Kommunen als Schulträger durch die Behindertenkonvention verpflichtet sein könnten, 80 bis 90 Prozent der behinderten Schüler inklusiv zu beschulen.[16] In Österreich sind bis dato rund 50 % aller Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf in allgemeine Schulklassen integriert. Bundesbehindertenanwalt Erwin Buchinger (SPÖ) und Schulexperten wie Bernd Schilcher (ÖVP) gehen davon aus, dass Sonderschulen nun konventionswidrig sind.

Bundesdeutsche Hochschulen haben in aller Regel schon lange vor dem Inkrafttreten der Konvention Beauftragte für die Belange behinderter und chronisch kranker Studierender gehabt. Die Bedeutung ihrer Aufgabe und ihre Arbeit wird teilweise noch nicht in vollem Umfang angemessen wahrgenommen. Viele Menschen denken bei Behinderung zunächst nur an sichtbare Behinderung, insbesondere körperlich sichtbare Handicaps und nicht an chronische Krankheiten und äußerlich nicht sichtbare gesundheitliche Beeinträchtigungen. An einzelnen deutschen Hochschulen gibt es schon seit einigen Jahren Servicestellen für Studierende mit Behinderung oder chronischer Krankheit.[17] Die Hochschulrektorenkonferenz hat aus Anlass des Inkrafttretens der Konvention die Empfehlung "Eine Hochschule für Alle" beschlossen. [18] [19] Die einzelnen Bundesländer (Landesregierungen) erarbeiten Aktionsprogramme zur Umsetzung der Konvention, in deren Rahmen auch die Hochschulen um Stellungnahmen gebeten wurden und darüber nachgedacht wurde, ob und in welcher Form Betroffene einbezogen bzw. beteiligt werden sollten.

Im schulischen Bereich wird in Deutschland bisher mit Unterscheidungen und begrifflichen Einteilungen wie Lernbehinderung gearbeitet, die international nicht existieren und nicht verständlich sind. [20]

Eingliederungshilfe

Die Ausgestaltung der Eingliederungshilfe muss nach Auffassung des Vizepräsidenten des Verbandes der bayerischen Bezirke, Günter Denzler, nach der Maxime erfolgen, dass Menschen mit Behinderungen „soweit wie möglich selbst bestimmen können sollen, wie, wo und von wem die Hilfen bereitgestellt werden. Dabei muss aber die Pflicht, eigene Leistungspotentiale einzubringen, berücksichtigt werden und ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den persönlichen Wünschen und den Möglichkeiten der Gesellschaft sichergestellt bleiben“.[21] Für notwendig hält es Denzler insbesondere, von den heute überwiegend einrichtungszentrierten Hilfestrukturen zu einer stärker personenzentrierten Sichtweise zu kommen. Vor allem müsse der Anteil derer, die ein Persönliches Budget in Anspruch nehmen, erhöht werden.

Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG)

Das Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - hat mit seinen Urteilen vom 02.12.2009 Nr. 5 C 21.08, 5 C 31.08 und 5 C 33.08 entschieden, dass in Bezug auf die Kosten der Internatsunterbringung behinderter Schülerinnen und Schüler auch Zusatzleistungen der Ausbildungsförderung in nicht unerheblicher Höhe zu gewähren sind. Den Trägern der Eingliederungshilfe räumt § 95 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) die Möglichkeit ein, in Prozessstandschaft - d. h., in eigenem Namen - die Feststellung von Sozialleistungen eines Berechtigten (also hier der Auszubildenden) zu betreiben, falls der Träger der Sozialhilfe erstattungsberechtigt ist. Für den BAföG-Vollzug in der Bundesrepublik Deutschland sind die Ämter für Ausbildungsförderung zuständig.

Situation in anderen Ländern

Europa

Österreich

Die Republik Österreich hat die Konvention am 26. Oktober 2008 ratifiziert. Interessenvertretungen wie die Lebenshilfe Österreich haben dies zum Anlass genommen, von der Bundesregierung einen konkreten Aktionsplan zur Umsetzung der im Übereinkommen definierten und in Österreich noch nicht oder noch nicht zur Gänze realisierten Rechte der Menschen mit Behinderungen zu verlangen. Das Sozialministerium hat diesen Aktionsplan angekündigt.

Das Sozialministerium hat außerdem gemäß § 13 Bundesbehindertengesetz[22] einen aus sieben Personen bestehenden Monitoringausschuss bestellt, in dem unter Teilnahme von Interessenvertretungen und anderen Experten Berichte über den Stand der Realisierung der Rechte erstellt werden.[23]

Schweiz

Der Schweizer Bundesrat hat die Konvention bisher weder unterzeichnet, noch ratifiziert.[24] Am 22. Dezember 2010 eröffnete er die Vernehmlassung über den Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen (ohne Zusatzprotokoll).[25] Die Frist zur Stellungnahme lief am 15. April 2011 ab. Zuständig zur innerstaatlichen Genehmigung dieses Übereinkommens ist das schweizerische Parlament.

Obwohl Revisionen der Behindertengesetze (IV-Gesetz) seit langem ein nationales Politikum sind und 2010 ein Schweizer die UNO präsidiert, fand bisher kaum eine Auseinandersetzung mit dem internationalen Regelwerk statt. Die bisher umfangreichste Auseinandersetzungen der eidgenössischen Zivilgesellschaft fand im September 2010 statt, als die Organisation Humanrights.ch ein Merkblatt zur UNO Behindertenrechtskonvention veröffentlichte. [26] Es existiert seit längerem eine wenig beachtete Onlinepetition des Zentrum für Selbstbestimmtes Leben Schweiz. [27]

Siehe auch

Literatur

  • Florian Demke: Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention). Auswirkungen auf Sozialpolitik und Behindertenhilfe in Deutschland. GRIN Verlag, 2011, ISBN 9783640992522.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. United Nations Treaty Collection, Stand 30. Juni 2011
  2. Die EU hat die UN-Konvention am 23.12.2010 angenommen. Dies war das erste Mal, dass die EU als Rechtssubjekt einem Menschenrechtsvertrag beigetreten ist. (Quelle: Bericht im Anwaltsblatt 3/2011, S. VIII)
  3. a b institut-fuer-menschenrechte.de, 31. März 2011: Stellungnahme der Monitoring-Stelle - Eckpunkte zur Verwirklichung eines inklusiven Bildungssystems (7. März 2011)
  4. United Nations Treaty Collecion: Optional Protocol to the Convention on the Rights of Persons with Disabilities: List of Parties
  5. Verein für Menschenrechte und Gleichstellung Behinderter e.V., netzwerk-artikel-3.de: Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen - Schattenübersetzung, Berlin, Januar 2009, Einleitung (7. Januar 2011)
  6. IUS-025_E_Bkonvention_RZ_WEB.qxd (PDF). Abgerufen am 12. Juni 2010.
  7. [1.pdf Bericht auf der Website des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz]
  8. IUS-025_E_Bkonvention_RZ_WEB.qxd (PDF). Abgerufen am 12. Juni 2010.
  9. eine-schule-fuer-alle.info, Eibe Riedel, München/Genf, Jan-MichaelArend, Berlin: Im Zweifel Inklusion: Zuweisung an eine Förderschule nach Inkrafttreten der BRK (8. Januar 2011)
  10. Stellungnahme des BeB zum Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006
  11. Stefan Lorenzkowski (21. Januar 2010): Blog Artikel über Artikel 32 (Internationale Zusammenarbeit) im Kontext der internationalen Zusammenarbeit. Blog.inklusive-entwicklung.de. Abgerufen am 12. Juni 2010.
  12. Stellungnahme des BeB. S. 6
  13. Stellungnahme des BeB. S. 7
  14. Angelika Prauß: ''Das Kreuz mit dem Kreuzchen. Wie pflegebedürftige Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen können''. In: ''Kirchenbote. Wochenzeitung für das Bistum Osnabrück''. Ausgabe 32. 9. August 2009 (PDF). Abgerufen am 12. Juni 2010.
  15. Am Ende des Sonderwegs. Zeit Online, 23. Dezember 2008, abgerufen am 31. Dezember 2008.
  16. Max-Traeger-Stiftung: Gutachten zu den völkerrechtlichen und innerstaatlichen Verpflichtungen aus dem Recht auf Bildung nach Art. 24 des UN-Abkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und zur Vereinbarkeit des deutschen Schulrechts mit den Vorgaben des Übereinkommens S. 60
  17. Beispiele sind das DoBuS Dortmunder Zentrum Behinderung und Studium oder das Zentrum für blinde und sehbehinderte Studierende (BliZ) der Fachhochschule Gießen-Friedberg.
  18. Beschluss 71. DSW-Mitgliederversammlung am 30. November / 1. Dezember 2010: Eine Hochschule für alle - Handlungsstrategien der Studentenwerke.
  19. Pressemitteilung DSW vom 1. Dezember 2010 Studentenwerke unterstützen "Hochschule für Alle"
  20. Die Ausnahme muss zur Regel werden, DLF Sendung vom 26. September 2009. Dradio.de (26. September 2009). Abgerufen am 12. Juni 2010.
  21. Statement von Bezirkstagspräsident Dr. Günter Denzler, Vizepräsident des Verbandes der bayerischen Bezirke, anlässlich der Fachtagung „Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ am 30. März 2009 in Nürnberg zum Thema „Bedeutung der Konvention für die Leistungen aus der Eingliederungshilfe“. S. 7 (PDF). Abgerufen am 12. Juni 2010.
  22. § 13 Bundesbehindertengesetz, Fassung 2010
  23. Website des Monitoringausschusses
  24. [ http://www.parlament.ch/f/suche/pages/geschaefte.aspx?gesch_id=20095438 Botschaft des Bundesrats (existiert nur auf französisch)]
  25. http://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/ind2010.html#EDA Unterlagen zur Eröffnung der Vernehmlassung
  26. Merkblatt
  27. Videobotschaft der Initianten (schweizerdeutsch mit Untertitel)


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