Wolfram Sello

Wolfram Sello

Wolfram „Tom“ Sello (* 15. Oktober 1957 in Meißen) ist ein deutscher Publizist. In der DDR hatte er sich in verschiedenen oppositionellen Gruppen engagiert.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Tom Sello wuchs in Großenhain auf, sein Vater war Hutmachermeister, die Mutter half im privaten Handwerksbetrieb mit. Von 1974 bis 1977 absolvierte er in Riesa eine Berufsausbildung mit Abitur zum Baufacharbeiter. Danach wurde er als Wehrpflichtiger zur Nationalen Volksarmee einberufen und anderthalb Jahre später als Soldat entlassen. Weil er sich nicht als Reservist der NVA verpflichten wollte, durfte er nicht studieren. So arbeitete er von 1979 bis 1981 als Maurer im Getränkekombinat Berlin, dann bis 1989 im SHB Möbel Berlin. Erst 1987 konnte er ein Fernstudium im Ingenieurbau beginnen. Ab 1990 war er an Gründung und Aufbau des Matthias-Domaschk-Archivs in der Umwelt-Bibliothek Berlin beteiligt, das 1993 in die Trägerschaft der Robert-Havemann-Gesellschaft e.V. wechselte. Seit 1993 ist Sello Mitarbeiter der Robert-Havemann-Gesellschaft in den Bereichen Archiv, Öffentlichkeitsarbeit, politische Bildung und Forschung. 2007 übernahm er die Projektleitung „Friedliche Revolution“ (Ausstellung, Gedenkstelen, Veranstaltungen, Publikationen). 2009 kuratiete er die Ausstellung zum 20. Jahrestag der Friedlichen Revolution auf dem Berliner Alexanderplatz.[1] Sello ist Vater zweier Söhne und lebt in Berlin.

Oppositionelles Engagement während der SED-Diktatur

1980 begann Tom Sello in verschiedenen oppositionellen Friedens- und Ökologie-Gruppen mitzuarbeiten, darunter ab November 1987 in der Umwelt-Bibliothek. Zu Beginn der 1980er-Jahre war er an der Organisation von Fahrraddemonstrationen in Ost-Berlin beteiligt.[2] 1982 verbreitete er mit Freunden Flugblätter gegen das neue Wehrdienstgesetz und die Militarisierung der Gesellschaft.[3] [4] Gemeinsam mit anderen Oppositionellen bewohnte er die Fehrbelliner Straße 7. [5] Die Stasi verfolgte ihn auch wegen blockübergreifender Kontakte zu niederländischen Friedensbewegten im Operativen Vorgang „Entwurf“.[6] Ablehnungen von Reiseersuchen waren eine der Folgen.[7] Von 1988 bis 1989 schrieb er für die Samisdat-Zeitschriften Umweltblätter und telegraph.[8] Während der Friedlichen Revolution in der DDR war er im Mai 1989 an der Aufdeckung der Fälschung der Kommunalwahlen und im Oktober 1989 an der Mahnwache an der Gethsemanekirche (Berlin) beteiligt. Im September 1990 beteiligte er sich an der Besetzung des Archivs, in dem die Akten des Ministeriums für Staatssicherheit lagerten und organisierte wiederum eine Mahnwache. Diese Aktionen von Bürgerrechtlern trugen wesentlich dazu bei, dass vom SED-Staat Verfolgte ihre Stasi-Unterlagen lesen können und Forschungen über die Mechanismen der kommunistischen Diktatur möglich wurden.

Ehrenamtliches Engagement

Sello gehört seit 1998 dem Fachbeirat Gesellschaftliche Aufarbeitung/Opfer und Gedenken der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur an.[9]

Ehrungen

Publikationen

  • Gerold Hildebrand, Tom Sello: Gegen die Verdrängung im eigenen Kopf. Ein heiteres Schlachten alter Tabus anlässlich des 5. Jahrestages der großen nichtsozialistischen Oktoberrevolution (Wende). Reader zur Oppositionskonferenz vom 5. November 1994 im Haus der Demokratie. Berlin: Robert-Havemann-Gesellschaft 1995.
  • Ilko-Sascha Kowalczuk, Tom Sello (Hrsg.): Für ein freies Land mit freien Menschen. Opposition und Widerstand in Biographien und Fotos. Berlin: Robert-Havemann-Gesellschaft 2006, ISBN 3-938857-02-1.
  • Matthias Buchholz, Walter Schmitz, Andreas Schönfelder, Tom Sello (Hg.): Samisdat in Mitteleuropa. Dresden: Thelem Verlag 2007.
  • "Wir sind das Volk!" Magazin zur Ausstellung Friedliche Revolution 1989/90. Berlin: Kulturprojekte Berlin GmbH 2009.
  • DVD Jugendopposition in der DDR, Berlin 2010.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Open-Air-Ausstellung Friedliche Revolution 1989/90 Rückblick, gesichtet am 1. Juli 2011.
  2. Tom Sello protestiert mit Gasmaske gegen zunehmende Luftverschmutzung sowie Fahrraddemonstration durch Ost-Berlin am 4. Juli 1982 Fotos auf jugendopposition.de, gesichtet am 1. Juli 2011.
  3. Flugblatt gegen Wehrdienstgesetz auf jugendopposition.de, gesichtet am 1. Juli 2011.
  4. einestages: Erich und die "Diskutierer", gesichtet am 22. Juni 2011.
  5. Fehrbelliner Straße 7, gesichtet am 1. Juli 2011.
  6. Erik de Graaf: De Stasi en de vredescontacten tussen Oost en West (Die Stasi und die Friedenskontakte zwischen Ost und West), in: VeeDee AMOK - Zeitschrift für Antimilitarismus und Wehrdienstverweigerung, Jg. 1 (1992), Nr. 2, gesichtet am 22. Juni 2011.
  7. "Ungarn abgelehnt" sowie Endgültige Absage durch den der Leiter der Abteilung Pass- und Meldewesen, gesichtet am 1. Juli 2011.
  8. Tom Sello im September 1989 auf dem Gelände der Berliner Zionsgemeinde mit diversen Samisdat-Publikationen, gesichtet am 1. Juli 2011.
  9. Vgl. Bundesstiftung Aufarbeitung: Fachbeiräte, gesichtet am 10. Juni 2011.
  10. Grimme Online Award 2005, eingesehen am 23. Juni 2011.
  11. Vgl. Berlin.de Rathaus aktuell: Wowereit verlieh Berliner Landesorden an verdienstvolle Frauen und Männer, eingesehen am 14. Juni 2011.
  12. Preisträger 2009, gesichtet am 1. Juli 2011.

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