Christliche Apologie

Christliche Apologie

Apologetik (aus dem griechischen ἀπολογία apologia – „Verteidigung“, „Rechtfertigung“) bezeichnet die Verteidigung einer (Welt-)Anschauung, insbesondere die wissenschaftliche Rechtfertigung von Glaubens-Lehrsätzen, und den Teilbereich der Theologie, in dem man sich mit der wissenschaftlich-rationalen Absicherung des Glaubens befasst. In der katholischen Theologie wird dieser Bereich heute meistens Fundamentaltheologie genannt.

Apologetik hat drei wesentliche Funktionen:

  • durch logische Argumente und wissenschaftliche und historische Beweise für die Wahrheit des Glaubens eintreten
  • den Glauben gegen Angriffe von Kritikern verschiedenster anderer Weltanschauungen und Glaubensrichtungen verteidigen
  • entgegengesetzte Glaubensrichtungen oder Weltanschauungen zurückweisen

Während es die Funktionen der Apologetik als vernunftgemäße Verteidigung des eigenen Glaubens und der eigenen Weltanschauung auch in vielen anderen Religionen und Weltanschauungen gibt, wird die Bezeichnung Apologetik gewöhnlich nur für die Verteidigung des christlichen Glaubens verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichtliche Entwicklung

Bereits im Neuen Testament wird von Apologetik geredet. In 1. Petrus 3,15 heißt es:

„Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort (ἀπολογίαν) zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.“

Im zweiten und dritten Jahrhundert sahen christliche Apologeten wie Justin der Märtyrer, Clemens von Alexandria und Tertullian ihre Hauptaufgabe darin, den christlichen Glauben gegen Anklagen wegen illegaler Aktivitäten zu verteidigen.

Augustinus von Hippo argumentiert schon in seinen frühesten Schriften gegen den Manichäismus und vernunftmäßige Argumente für den christlichen Glauben ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Schriften:

„sie irren sich sehr, die denken, dass wir an Christus glauben ohne irgendwelche Beweise betreffend Christus.“

Anselm von Canterbury (1033–1109) war der Erste, der den seither viel diskutierten ontologischen Gottesbeweis aufführte (hier verkürzt dargestellt). Insbesondere sein Buch Cur deus homo (Warum Gott Mensch wurde) hat eine deutlich apologetische Ausrichtung.

„Gott muss als das schlechthin vollkommene Wesen gedacht werden.“
„Wäre Gott nur eine Vorstellung und nicht auch real existierend, so wäre er nicht als das schlechthin vollkommene Wesen gedacht.“
„Also muss Gott auch existieren.“

Thomas von Aquin (1225–1274) argumentiert gegen den Gottesbeweis von Anselm, führt aber in der Summa theologiae fünf Wege zum Gottesbeweis auf (sehr verkürzt dargestellt, siehe auch Natürliche Theologie):

  • Aus der Bewegung dieser Welt. Alles, was bewegt wird, muss von einem Anderen bewegt werden. Irgendwo gibt es das erste Bewegende, die Ursache aller Bewegung. Das ist Gott.
  • Die sichtbare Welt besteht aus Ursachen und Wirkungen. Jede Wirkung hat eine Ursache, eine Wirkung kann nicht eigene Ursache sein. Die erste wirkende Ursache ist Gott.
  • Jedes kontingente Sein hat seine Ursache letztlich in einer Notwendigkeit. Jede relative Notwendigkeit hat aus einer anderen Notwendigkeit ihre Begründung. Eine Notwendigkeit ist absolut, hat die Notwendigkeit in sich selbst, das ist Gott.
  • Ergibt sich aus der Stufenfolge, die in allem Sein vorhanden ist.
  • Zweckvolle (teleologische) Einrichtung der Natur. Jeder Naturkörper ist mehr oder weniger zweckvoll. Zweckvoll erschaffen kann in der sichtbaren Welt nur ein intelligentes Wesen. Die Welt selbst aber ist vom höchsten intelligenten Wesen erschaffen worden, von Gott.

Johannes Calvin (1509–1564) ging davon aus, dass der christliche Glaube immer vernünftig ist. Er bestand aber auch darauf, dass der christliche Glaube oft unvernünftig scheint, weil die menschliche Vernunft durch Sünde und geistliche Täuschung beeinträchtigt ist.

Blaise Pascal (1623–1662) wies die traditionellen Argumente für Gottes Existenz zurück und betonte den persönlichen Beziehungsaspekt des Glaubens an Jesus Christus. Er argumentierte, dass Gott genügend Beweise für die Wahrheit des Christentums gegeben habe, dass jene, welche die Wahrheit erfahren wollten, sie sehen könnten, aber er habe sich nicht in einer Weise gezeigt, dass jene, die nicht glauben wollten, zwangsweise glauben müssten. Bekannt ist Blaise Pascal für die Wette des Pascal als einladendes Argument für den christlichen Glauben (verkürzt):

„In diesem Spiel, das wir Leben nennen, muss jeder Mensch eine Wette eingehen. Bei jeder Wette gilt ein Einsatz. Der Mensch muss sein Leben entweder auf die Behauptung setzen, dass die christliche Lehre wahr ist, oder auf die Behauptung, dass sie nicht wahr ist. Wenn ein Mensch diese Wette nicht eingeht, setzt er automatisch auf die Möglichkeit, dass sie nicht wahr ist. … Angenommen, ein Mensch entscheidet sich für den christlichen Glauben: Liegt er richtig mit seiner Annahme, hat er alles zu gewinnen, liegt er falsch, hat er nichts zu verlieren. … Nehmen wir an, ein Mensch entscheidet sich gegen den christlichen Glauben: Liegt er damit richtig, hat er nichts gewonnen. Sollte er aber falsch liegen, hat er alles verloren und verbringt seine Ewigkeit in der Hölle.“

Apologetische Ansätze

Es lassen sich unterschiedliche Akzentuierungen konstruieren. Ein Versuch in diese Richtung wäre:

Philosophische Apologetik

Diese Apologetik basiert auf Vernunft und insb. Logik. In dieser klassischen Form der Apologetik wird nicht primär das Christentum verteidigt, sondern als ein logischer, vernunftgemäßer Glaube dargestellt. Vertreter sind Augustinus von Hippo, Thomas von Aquin, Norman Geisler, C.S. Lewis, Wolfhart Pannenberg, William Lane Craig, Ravi Zacharias, A. E. Wilder-Smith.

Evidenz-basierte Apologetik

Diese moderne Form der Apologetik benützt empirische und historisch nachweisbare Tatsachen, um Angriffe gegen das Christentum zu entkräften und aufzuzeigen, dass das Christentum nicht unvernünftig ist. Typische Vertreter dieser Richtung sind etwa Lee Strobel und Carsten Peter Thiede.

Calvinistische Apologetik

Calvinistische Apologetik geht von dem epistemologischen Ansatz aus, dass Vernunft und Tatsachen im christlichen Glauben begründet sind  – empirische und rationale Annäherungen an religiöse Wahrheiten müssten versagen, da der menschliche Verstand durch die Sünde nicht fähig sei, von sich aus göttliche Wahrheiten zu erkennen. Apologetik müsse auf der Ebene der Grundannahmen reden und dort die Irrationalität der nichtchristlichen Weltanschauungen aufzeigen. Diese Form der Apologetik ist eher im englischen Sprachraum verbreitet. Vertreter sind u.a. Cornelius van Til, Alvin Plantinga, Francis Schaeffer.

Erfahrungs-basierte Apologetik

Diese Position geht davon aus, dass eine persönliche, existenzielle Gotteserfahrung nicht nur oder überhaupt nicht auf rationalen Argumenten oder empirischen Beweisen gründen kann. Die existenziellen religiösen Sehnsüchte des Menschen können im Christentum als einer „Beziehungs-Religion“ erfüllt werden, aber das könne nur durch die persönliche Erfahrung bewahrheitet werden. Ein häufig genannter Vertreter dieser Richtung ist z.B. Søren Kierkegaard. Dessen Interpretation ist jedoch kontrovers, was mehr noch für Friedrich Schleiermacher gilt. Besonders strittig ist in jedem Einzelfall die Etikettierung als sog. „fideistische Apologetik“.

Literatur

Handbücher und Nachschlagewerke

  • Norman Geisler: Baker Encyclopedia of Christian Apologetics, 2000, ISBN 0-8010-2151-0
  • Campbell Campbell-Jack (Hg.): New dictionary of Christian apologetics Leicester: Inter-Varsity Press 2006. ISBN 978-0-8308-2451-9

Frühchristliche Apologetik

  • Sonja Ackermann: Christliche Apologetik und heidnische Philosophie im Streit um das Alte Testament; SBB 36; Stuttgart: Kath. Bibelwerk, 1997; ISBN 3-460-00361-8
  • Norbert Brox u.a. (Hrsg.:) Kommentar zu frühchristlichen Apologeten (KfA), 12 Bde.; Freiburg u.a.: Herder, 2001ff.
  • Michael Fiedrowicz: Apologie im frühen Christentum: die Kontroverse um den christlichen Wahrheitsanspruch in den ersten Jahrhunderten; Paderborn u.a.: Schöningh, 20012; ISBN 3-506-72733-8
  • Robert M. Grant: Greek apologists of the second century, Philadelphia, Pa. : Westminster Pr. 1988, ISBN 0-664-21915-2
  • Johann Ev. Hafner: Selbstdefinition des Christentums: ein systemtheoretischer Zugang zur frühchristlichen Ausgrenzung der Gnosis; Freiburg im Breisgau-Basel-Wien: Herder, 2003; ISBN 3-451-28073-6
  • Ferdinand R. Prostmeier (Hg.): Frühchristentum und Kultur; Kommentar zu frühchristlichen Apologeten. Ergänzungsband 2 [KfA.E 2]; Freiburg u.a.: Herder, 2007
  • Christoph Schubert (Hg.): Ad veram religionem reformare: frühchristliche Apologetik zwischen Anspruch und Wirklichkeit Erlangen: Univ.-Bund Erlangen-Nürnberg; Erlangen: Univ.-Bibliothek 2006; ISBN 3-930357-74-7

Mittelalterliche und frühneuzeitliche Apologetik

  • Gerhard Heinz: Divinam Christianae religionis originem probare: Untersuchung zur Entstehung des fundamentaltheologischen Offenbarungstraktates der katholischen Schultheologie. Mainz: Matthias-Grünewald-Verl 1984. ISBN 3-7867-1128-3
  • Albert Lang: Die Entfaltung des apologetischen Problems in der Scholastik des Mittelalters. Freiburg: Herder 1962.
  • Eugen Seiterich: Die Glaubwürdigkeitserkenntnis: eine theologische Untersuchung zur Grundlegung der Apologetik Heidelberg: Kerle 1948.

Moderne Apologetik

  • Franz Delitzsch: System der christlichen Apologetik. Leipzig: Dörffling & Franke 1869
  • Abraham Peter Kustermann: Die Apologetik Johann Sebastian Dreys: (1777 - 1853); kritische, historische und systematische Untersuchungen zu Forschungsgeschichte, Programmentwicklung, Status und Gehalt. Tübingen: Mohr 1988, ISBN 3-16-445397-3
  • Friedrich Schleiermacher: Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern (1799); Stuttgart: Reclam 1997, Reclams UB 8313 (ISBN 3-15-008313-3); Stuttgart: Brockhaus, 8. Auflage, 2002, UTB S 1655 (ISBN 3-8252-1655-1); Berlin u.a.: de Gruyter 2001 (ISBN 3-11-017267-4)
  • Anton Seitz: Natürliche Religionsbegründung: eine grundlegende Apologetik. Regensburg: Manz, 1914

Neuere apologetische Ansätze

  • Kurt Aland: Apologie der Apologetik: zur Haltung und Aufgabe evangelischen Christentums in den Auseinandersetzungen der Gegenwart. Berlin: Christlicher Zeitschriftenverlag 1948
  • William Lane Craig: Reasonable Faith: Christian Truth and Apologetics, Westchester: Crossway Books, 1994, ISBN 0-89107-764-2
  • Brian Hebblethwaite: In defence of Christianity, Oxford University Press 2005, ISBN 0-19-927679-X
  • Heinrich Ott: Apologetik des Glaubens: Grundprobleme einer dialogischen Fundamentaltheologie Darmstadt: Wiss. Buchges. 1994, ISBN 3-534-12328-X
  • Alvin Plantinga: Warranted Christian belief'. New York u.a.: Oxford Univ. Press 2000, ISBN 0-19-513192-4
  • Michael Roth: Gott im Widerspruch? Möglichkeiten und Grenzen der theologischen Apologetik Berlin-New York: de Gruyter 2002, ISBN 3-11-017377-8
  • Yossef Schwartz (Hg.): Religious apologetics - philosophical argumentation Tübingen: Mohr Siebeck 2004, ISBN 3-16-148310-3

Stärker praxisbezogene und populäre Literatur

  • Johannes B. Bauer (Hg.): Die heissen Eisen in der Kirche. Graz-Wien-Köln: Styria 1997, ISBN 3-222-12489-2 (Fundamentalismus, Geburtenregelung, Organspende, Sterbehilfe, Diakonat der Frauen, Priesterehe etc)
  • Walter Kern / Jörg Splett (Hgg.): Warum Glauben? Begründung und Verteidigung des Glaubens in neununddreißig Thesen Würzburg: Echter-Verl. 1961
  • C.S. Lewis: Pardon, ich bin Christ, 1942, ISBN 3-7655-3150-2

Siehe auch

Weblinks


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