Thingplatz (Thingbewegung)

Thingplatz (Thingbewegung)
Thingplatz in der Ordensburg Vogelsang
Die „Feierstätte der Schlesier“ in St. Annaberg
ehemaliger Thingplatz Dresden

Als Thingplätze oder Thingstätten werden Freilichttheater bezeichnet, die zwischen 1933 und 1936 für die Thingspielbewegung errichtet und später auch für politische Kundgebungen verwendet wurden.

Inhaltsverzeichnis

Absicht und Gestaltung

Thingspiele sollten hauptsächlich ein emotionales und ethisches Aufgehen des Einzelnen in Heimat und Volksgemeinschaft erleben lassen. Deswegen wurden als Thingstätten vor allem solche Plätze gewählt, an welchen die landschaftliche Umgebung das angestrebte Gefühl fördern konnte: stimmungsträchtige Partien umgeben von Wäldern, an Gewässern, in Hügel oder natürliche Felsen eingebettet, an Ruinen oder anderen Spuren der örtlichen Geschichte. Daraus folgte freilich, dass alle Veranstaltungen dort den Unwägbarkeiten des Wetters ausgesetzt waren.

Bei der örtlichen Bevölkerung und auch innerhalb der NSDAP konnte sich der beabsichtigte Thing-Kult nicht durchsetzen. Die Thingspielbewegung hatte nur wenige Jahre Bestand. Geplant waren zwischen 200 und 400 Thingstätten, fertiggestellt wurden nur etwa 60.

Nur wenige Thingstätten werden heute noch genutzt. Von der Gemeindeverwaltung oder dem örtlichen Verkehrsverein gefördert, dienen sie zum Beispiel als Freilichtbühnen oder für Musikveranstaltungen. Die bekanntesten ehemaligen Thingplätze sind die Berliner Waldbühne und das Kalkbergstadion in Bad Segeberg.

Die in Heidelberg als Thingstätte geplante Anlage wurde nach Fertigstellung nur noch als Feierstätte bezeichnet. In seiner Rede zur Eröffnung am 22. Juni 1935 erklärte Joseph Goebbels, ehedem Student in Heidelberg, damals Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda:

„In diesem monumentalen Bau haben wir unserem Stil und unserer Lebensauffassung einen lebendigen plastischen und monumentalen Ausdruck gegeben. Diese Stätten sind in Wirklichkeit die Landtage unserer Zeit. Es wird ein Tag kommen, wo das deutsche Volk zu diesen steinernen Stätten wandelt, um sich auf ihnen in kultischen Spielen zu seinem unvergänglichen neuen Leben zu bekennen“

Die Heidelberger Thingstätte zeugt besonders gut von der Adaption und Verfremdung der historischen Thingidee[1] durch die Nazis. Anstelle die Versammlung und Besprechung der Angelegenheiten in den Mittelpunkt zu stellen, ermöglichten die unter den Nationalsozialisten errichteten Thingstätten durch ihre zentrische Anlage nunmehr die Inszenierung des Führerkults.

Aufzählung

Ort Thingplatz Koordinaten
Sankt Annaberg, heute Góra Świętej Anny (Polen) Feierstätte der Schlesier -
Bad Segeberg Kalkbergstadion, heute die Bühne der Karl-May-Spiele Bad Segeberg -
Bad Windsheim - -
Berchtesgaden-Strub - -
Bergen auf Rügen - auf dem Rugard - 54° 25′ 24″ N, 13° 26′ 49″ O54.42347222222213.447027777778
Berlin heute Berliner Waldbühne -
Bochum heute Freilichtbühne im Stadtpark Wattenscheid[2] 51° 29′ 9″ N, 7° 8′ 28″ O51.4857777777787.1411111111111
Borna Volksplatz Borna[3] 51° 7′ 39″ N, 12° 29′ 53″ O51.12758333333312.498
Bous (Saar) - -
Braunschweig (auf dem Nußberg) nach dem Krieg größtenteils abgetragen -
Drossen - -
Dresden Forum für Nationale Kundgebung, heute finden hier die Filmnächte am Elbufer statt -
Dübener Heide bei Bad Schmiedeberg - -
Eichstätt - -
Freital, Stadtteil Hainsberg - -
Freyburg (Unstrut) - -
Ganderkesee-Bookholzberg Freilichtbühne „Stedingsehre -
Giebelstadt - -
Halle/Saale Thingstätte Brandberge -
Hameln „Reichsthingplatz“ auf dem Bückeberg, Ort des „Reichserntedankfestes[4] 52° 3′ N, 9° 24′ O52.0547222222229.4022222222222160
Heidelberg Heidelberger Thingstätte -
Herchen Thingplatz (Herchen) -
Holzminden Thingplatz im Stadtpark -
Samtgemeinde Ilmenau - -
Jülich im Brückenkopf 50° 55′ 15″ N, 6° 21′ 1″ O50.9207666666676.3501916666667
Kamenz Thingplatz auf dem Hutberg, heute „Hutbergbühne“ 51° 16′ 15″ N, 14° 4′ 45″ O51.2707514.079138888889
Koblenz Vorplatz des Kurfürstlichen Schlosses (im Zweiten Weltkrieg zerstört)[5] -
Leutkirch - -
auf dem Loreley-Felsen (Sankt Goarshausen) heutige Freilichtbühne Loreley 50° 8′ 33″ N, 7° 43′ 53″ O50.14257.7313055555556
Nordenburg, heute Krylowo (Russland) nur noch überwachsene Reste [6] -
Northeim heute „Waldbühne“ 51° 42′ 11″ N, 10° 1′ 30″ O51.70311111111110.025111111111
Passau an der Veste Oberhaus - 48° 34′ 43″ N, 13° 28′ 6″ O48.57858333333313.46825
Rostock am heutigen Platz der Jugend (weitgehend umgestaltet, u.a. zum Spielplatz)[7] 54° 4′ 56″ N, 12° 5′ 57″ O54.08213888888912.099055555556
Schildau bei Torgau - -
Schleiden (Eifel) in der Ordensburg Vogelsang 50° 35′ 17″ N, 6° 26′ 52″ O50.5879166666676.4477777777778
Schwarzenberg Grenzlandfeierstätte“, heute „Waldbühne“ 50° 31′ 53″ N, 12° 46′ 50″ O50.53130555555612.780416666667
Stolzenau - -
Stuttgart-Rohr Thingstraße/Thingplatz -
Tilsit, heute Sowetsk (Russland) Thingplatz Tilsit 55° 4′ 22″ N, 21° 52′ 41″ O55.07288888888921.878111111111
Tigring, in Kärnten (Österreich) - -
Werder/Havel - -

Siehe auch

  • Fritz Schaller, maßgeblicher Entwerfer von Thingplätzen
  • Thing, die romantisierte Vorlage der Thingstättenbewegung.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Heidegger, M. (1954): Vorträge und Aufsätze. Günter Neske: Pfullingen. S. 173.
  2. www.bochum.de
  3. www.volksplatz.de
  4. Bericht über das Bückebergfest
  5. Der 24. März 1935. Einweihung der Thingstätte in Koblenz. in: Landeshauptarchiv Koblenz
  6. Reisebericht (2000)
  7. Kaule, Martin: Ostseeküste 1933-1945. Der historische Reiseführer. Berlin 2009, S. 62.

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