Streit der Fakultäten

Streit der Fakultäten

Der Streit der Fakultäten ist eine Schrift des deutschen Philosophen Immanuel Kant von 1798. Sie ist neben der gleichzeitig veröffentlichten Vorlesung Anthropologie in pragmatischer Hinsicht das letzte von Kant selbst herausgegebene Werk.

Der Titel spielt auf die Auseinandersetzungen der neueren mit den bereits etablierten Wissenschaften und ihrem Einfluss auf Regierung und Gesellschaft an. Kant gründet das Werk auf dem Gedanken, dass es bei den Wissenschaften nicht auf Nützlichkeit, sondern auf Wahrheit ankommen sollte.[1] Mit der Kritik an der zeitgenössischen Praxis an den Universitäten argumentiert er dafür, dass die Disziplinen der Geistes- und Naturwissenschaften, versammelt in der philosophischen Fakultät, in Forschung und Lehre unabhängig von Zensur oder staatlichen Vorgaben sein sollten. Zu diesem Zweck bringt Kant drei Beispiele, die zeigen, wie die Philosophische Fakultät (1) durch Textkritik und Geschichtsforschung der Theologischen Fakultät, (2) durch eine an der Freiheit orientierte Moral- und Gesichtsphilosophie der juristischen Fakultät und (3) hinsichtlich der Berücksichtigung der Erfahrung der medizinischen Fakultät in der Wahrheitsfindung überlegen ist.

Inhaltsverzeichnis

Veröffentlichung

Kant unternahm zunächst Versuche, die drei Teile des Werkes einzeln zu publizieren, scheiterte 1794 und 1797 jedoch an Verboten der preußischen Zensur. Lediglich der dritte Teil erschien Anfang 1798 bereits im „Journal der praktischen Arzneikunde und Wundarzneikunst”. Erst mit der Inthronisierung Friedrich Wilhelm III. konnten die nun zu einer Schrift zusammengefassten Aufsätze im Herbst 1798 erscheinen.[2]

Inhalt

Das Werk besteht aus drei Abschnitten, die Kant zu unterschiedlichen Zeitpunkten schrieb und erst zur später zusammenfügte.

Zweiter Abschnitt. Der Streit der philosophischen Fakultät mit der juristischen

Kant wirft hier die „erneuerte Frage“ auf: „Ob das menschliche Geschlecht im beständigen Fortschreiten zum Besseren sei.“ Die Abhandlung besteht aus zehn Teilen:

  1. Kant spezifizierte die Frage. Man will wissen, ob der Mensch im beständigen Fortschreiten zum Besseren sei, im Rahmen der Sittengeschichte der Menschengattung, nicht im Rahmen der nicht Naturgeschichte. Er grenzt die Frage also moralisch ein.
  2. Kant stellt die Methodik vor, mit er diese Frage überhaupt beantwortbar ist: Voraussagen seien möglich, indem der Wahrsager das Vorausgesagte selber macht. Als Beispiele nennet er die jüdischen Propheten, Politiker und Geistliche.
  3. Kant stellt die logisch möglichen Ergebnisse vor: Es gäbe drei Antworten: 1. Rückgang zum Ärgeren, 2. Fortgang zum Besseren und 3. Stillstand. Den Rückgang zum Ärgeren schließt Kant teleologisch aus, da der Mensch sich in diesem Falle am Ende selbst zerstören würde. Der Fortgang zum Besseren sei ebenfalls schwer vorstellbar, da jeder Mensch genauso gut wie böse sei. Der Stillstand scheine daher die einzige wahrscheinliche Antwort zu sein, jedoch verhielte sich der Mensch dann wie die Tiere. Kant schließt auch diese Möglichkeit teleologisch aus.
  4. Durch Erfahrung sei die Aufgabe nicht zu lösen: Wir sähen nur, dass sich Rück- und Fortschritt bei dem Menschen abwechselten, da er ein freies Wesen sei. Aber wir könnten keinen Metastandpunkt einnehmen.
  5. Kant bemerkt mit einiger Rhetorik: An irgendeine Erfahrung muss doch die Geschichte angeknüpft werden: Es muss eine Erfahrung geben, die zeigt, dass es in der Menschengattung ein Fortschreiten zum Besseren gäbe. Diese Erfahrung nennt Kant ein Geschichtszeichen.
  6. Er findet auf der Suche nach Geschichtszeichen eine Begebenheit seiner Zeit: Der Enthusiasmus der Menschen in ganz Europa an der französischen Revolution könne nur eine moralische Ursache haben. Die Moral der Menschen komme von einem Idealismus.
  7. Die Geschichte selbst sei somit wahrsagend. Die Menschen befänden sich in einer Evolution hin zur idealen Verfassung, zu der sie Geschichtszeichen hinführen würden. Auch bei Rückschlägen komme es bei der nächsten Gelegenheit wieder zur Fortentwicklung. Die ideale Staatsverfassung sei der Republikanismus. Eines Tages werde er so stark verankert sein, dass er nicht mehr umkehrbar sei. Kant zieht aus diesen Betrachtungen das Fazit, dass der Mensch dem Fortschritt folge. Zwischenzeitige Rückschritte seien nicht von der Natur beabsichtigt (dafür sei der Mensch viel zu unwichtig), sondern sind vom Menschen gemacht.
  8. Kant geht auf die Frage ein, die die zum Fortschreiten angelegten Maximen publik gemacht werden sollten: Die Volksaufklärung geschehe nicht vom Staat aus, sondern von den Philosophen aus dem Volk heraus. Damit Fortschritt möglich sei, müsse in einem Staat Publikationsfreiheit herrschen. Im Idealstaat sei der Volk gesetzgebend. Der ideale Realstatt müss indessen erprobt werden.
  9. Der Ertrag, den dieses Fortschreiten abwerfe, sei nicht in Anwachsen der Moralität, sondern ein Anwachsen der Häufigkeit moralischen Handelns. Das Gute stecke bereits jetzt schon im Menschen, sonst könnte sich seine Entwicklung zum Besseren auch nicht vollziehen.
  10. In welcher Ordnung könne der Fortschritt erwartet werden? Der Fortschritt komme von oben nach unten, nicht anders herum. Daher müssten die Erziehung und Bildung des Volkes vom Staate ausgehen. Zudem müsse sich ein Staat von Zeit zu Zeit selbst reformieren. Die perfekte Verfassung verhindere zudem Angriffskriege.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Karl Vorländer: Streit der Fakultäten. 14. Februar 2007. Abgerufen am 17. August 2011.
  2. David Runschke: Immanuel Kant: Der Streit der Fakultäten. Grin-Verlag, 2004.

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