Straßenbahn der Gemeinde Heiligensee an der Havel

Straßenbahn der Gemeinde Heiligensee an der Havel
Endhaltestelle Barschelplatz in Tegelort im Eröffnungsjahr 1913

Die Straßenbahn der Gemeinde Heiligensee an der Havel war ein ehemals selbstständiger Straßenbahnbetrieb der Landgemeinde Heiligensee, einem heutigen Ortsteil des Bezirks Reinickendorf im Nordwesten Berlins. Die Gesellschaft wurde 1920 von der Großen Berliner Straßenbahn übernommen; die Strecke wurde 1958 stillgelegt und gleich darauf restlos abgebaut.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Entstehungszeit

Straßenbahnstrecke in Heiligensee und Tegelort bis zu ihrer Einstellung am 1. Juni 1958

Um das Jahr 1900 bemühten sich mehrere Orte im damaligen Berliner Umland um einen Eisen- oder Straßenbahnanschluss. Heiligensee war zwar seit 1897 über einen Bahnhof an der Kremmener Bahn mit Berlin verbunden, dieser befand sich allerdings im Norden der Gemeinde, rund zweieinhalb Kilometer von der Dorfkirche entfernt. Zu den Siedlungen Konradshöhe und Tegelort, beide damals zu Heiligensee gehörend, betrug die Entfernung etwa fünfeinhalb beziehungsweise knapp sieben Kilometer. Durch den Bau einer Straßenbahn sollte einerseits eine direkte Anbindung der drei Siedlungen erfolgen, andererseits war der Straßenweg die kürzere Verbindung nach Berlin, da die Kremmener Bahn einen Umweg über Wittenau und Reinickendorf nahm.

Da die Große Berliner Straßenbahn (GBS), welche ihr damaliges Netz schon bis Tegel ausgedehnt hatte, eine Verlängerung ihrer Linien als unrentabel ansah, entschloss sich die Gemeinde dazu, die Bahn in Eigenregie zu bauen. Am 29. Mai 1913 nahm die elektrische Straßenbahn mit zwei Linien bei einer Gesamtstreckenlänge von rund elf Kilometern ihren Betrieb auf. Die beiden Linien führten von der Berliner Straße in Tegel gemeinsam durch den Tegeler Forst. Kurz vor Heiligensee zweigte die grüne Linie in Richtung Süden über Konradshöhe nach Tegelort ab. Die rote Linie verkehrte weiter auf der Hauptstraße und endete am Dorfanger von Heiligensee. Die Gleise befanden sich überwiegend in Straßenrandlage und waren vor allem auf den Strecken durch den Forst als unabhängiger Bahnkörper angelegt. Der Fahrpreis betrug 20 Pfennig für die Gesamtstrecke von Tegel nach Heiligensee beziehungsweise Tegelort sowie 10 Pfennig für Teilstrecken. Der Fahrplan sah einen Ein-Stunden-Takt im Normalfall vor, während des Berufsverkehrs wurde dieser auf 30 Minuten, während des Ausflugsverkehrs an den Wochenenden und in den Sommermonaten auf 20 Minuten verdichtet.

Am 1. Oktober 1920 wurde der Betrieb im Zuge des Groß-Berlin-Gesetzes von der GBS, einem Vorgängerunternehmen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), übernommen. Bis zum 3. Dezember 1920 stellte diese eine direkte Gleisverbindung mit ihrem Netz in Tegel her.

Entwicklung nach 1920

Tw 5964 des Typs T 24 vor dem ehemaligen Depot (2008)

1921 führte die Berliner Straßenbahn als Nachfolger der GBS einheitliche Liniennummern ein. Die rote Linie erhielt zunächst die Nummer 125, die grüne zunächst die Nummer 126. Bis 1924 erhielten beide Äste, unter anderem bedingt durch die Netzneustrukturierung nach dem „Straßenbahnlosen Tag“ diverse andere Linienbezeichnungen bis schließlich die Nummer 28 für den Konradshöher Ast und die Nummer 128 für den Heiligenseer Ast festgelegt wurden. Die Linien wurden in Richtung Innenstadt verlängert und verkehrten bis zum Oranienplatz beziehungsweise Hermannplatz. 1925 wurden die ursprünglich eingleisigen Strecken durchgehend mit einem zweiten Gleis versehen.

Während des Zweiten Weltkrieges war der Berliner Straßenbahnverkehr durch Schäden aus dem Bombenkrieg und Sparmaßnahmen eingeschränkt. Die Linien 28 und 128 konnten aber – wenn auch stark eingeschränkt – bis Mitte April 1945 verkehren. Nach der Kapitulation wurde der Betrieb am 20. Mai, 18 Tage nach der Einnahme Berlins durch die Rote Armee, zwischen Tegel und Heiligensee beziehungsweise Tegelort wieder aufgenommen. Die Linien 28 und 128 sind damit zusammen mit der Treptower Linie 87 (Elsenstraße – S-Bf. Schöneweide) die ersten Straßenbahnlinien, die nach Kriegsende wieder in Berlin regulär verkehrten. Eine Woche später erfolgte zum 27. Mai die Verlängerung der Linien über Tegel bis zur Seestraße.[1]

1949 erhielt die Linie 128 die neue Nummer 29. Die Neunummerierung erfolgte im Zuge der Umstellung von Lochzange auf Fahrkartenstempel. Da die bereits bestellten Stempel nur Platz für zwei Ziffernreihen hatten, wurden die bis dato dreistelligen Liniennummern abgeschafft.[2]

Am 1. Juni 1958 wurden die Linien 28 und 29 einhergehend mit der Verlängerung der U-Bahn-Linie CI nach Tegel eingestellt. Darüber hinaus wurden an diesem Tag zwei weitere Linien des Nordnetzes eingestellt sowie eine weitere verkürzt. Das gesamte Straßenbahnnetz West-Berlins wurde an diesem Tag um 59,6 Kilometer verringert.[3][4]

Fuhrpark und Depot

Für den Betrieb standen zunächst sieben Trieb- und zehn Beiwagen zur Verfügung. Die Wagen verfügten bereits über geschlossene Plattformen. Die Triebwagen erhielten die Wagennummern 1–7, die Beiwagen die Wagennummern 21–30. Gewartet wurden die Fahrzeuge in einem Depot am Heiligenseer Dorfanger. Das Depot wurde von der GBS 1920 mit übernommen und als Betriebshof 6a bis 1922 weiterführt und anschließend bis 1937 als Wagenhalle genutzt.[5]

Die Triebwagen erhielten nach der Übernahme durch die GBS die neuen Nummern 4223 - 4229 und wurden in der Köpenicker Gegend eingesetzt. Sie wurden vor 1934 in den Arbeitswagenbestand übernommen, und einige dienten im Zweiten Weltkrieg dazu, Druckerzeugnisse etc. zu befördern. Von den Beiwagen wurden die Wagen 27–30 unter den neuen Nummern 1486–1489 nach 1934 weiterhin eingesetzt. Beiwagen 1486 wurde nach 1949 nicht mehr in den Bestand übernommen, die übrigen drei Wagen verblieben nach der Betriebstrennung zunächst bei der BVG-Ost, gelangten dann nach Potsdam und wurden in den 1960er Jahren ausgemustert.

Literatur

  • Jürgen Meyer-Kronthaler: Vom Betriebshof Heiligensee zum Steinmetz-Atelier. In: Berliner Verkehrsblätter. Heft 06, 2007, S. 108f.
  • Karl-Heinz Schreck: Die Straßenbahn der Gemeinde Heiligensee. In: Berliner Verkehrsblätter. Hefte 05, 06, 1988, S. 94ff., 123ff.
  • Sigurd Hilkenbach, Wolfgang Kramer: Die Straßenbahnen in Berlin. alba, Düsseldorf 1992, ISBN 3-87094-344-0, S. 30.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Sigurd Hilkenbach, Wolfgang Kramer: Die Straßenbahnen in Berlin. alba, Düsseldorf 1992, ISBN 3-87094-344-0, S. 62ff.
  2. Sigurd Hilkenbach, Wolfgang Kramer: Die Straßenbahnen in Berlin. alba, Düsseldorf 1992, ISBN 3-87094-344-0, S. 73.
  3. Marcel Götze: Streckenchronik 1950–1959. Abgerufen am 30. Dezember 2009.
  4. Holger Orb, Tilo Schütz: Straßenbahn für ganz Berlin. Geschichte, Konzeption, Städtebau. Jaron Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-89773-024-3, S. 31.
  5. René Friese: Berliner Straßenbahn-Unternehmen. Depots A–M. Abgerufen am 30. Dezember 2009.

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