St. Martin (Hannover-Linden)

St. Martin (Hannover-Linden)
St. Martin mit altem Kirchturm und neuem Kirchenschiff

Die St. Martinskirche ist die älteste Kirche im heute zu Hannover gehörenden Linden und Pfarrkirche der ev.-luth. St. Martinsgemeinde. Das Kirchengebäude beruht auf einem ersten Bau aus dem 13. Jahrhundert und einem barocken Nachfolgebau von 1728, der bis auf den Kirchturm durch die Luftangriffe auf Hannover im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Das neue Kirchenschiff entstand 1957 nach einem Entwurf des Architekten Dieter Oesterlen.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Die Kirche liegt im Stadtteil Linden-Mitte. Durch die erhöhte Lage am Osthang des Lindener Bergs und die Ausrichtung einiger Straßen auf den Turm wirkt die Kirche als Landmarke, lag jedoch nie im Zentrum des Ortes.

Geschichte

Turm mit früherem Maueranschluss zum 1943 zerstörten Kirchenschiff
Die St. Martinskirche um 1895-1905, links von der Bildmitte

Das Dorf Linden, zwischen der Ihme und dem Lindener Berg gelegen, wurde 1115 erstmals erwähnt. Ein erster Kirchenbau am Osthang des Lindener Bergs wird vor 1285 vermutet. Zu dieser Zeit einigten sich die Grafen Gerhard von Hallermund und Johann von Roden vertraglich darauf, das Patronatsrecht gemeinsam auszuüben und die Geistlichen abwechselnd zu ernennen. Die Kirche unterstand zunächst dem Archidiakonat Pattensen der Diözese Minden. Ab 1328 stand die Kirche unter dem Patronat des Klosters Marienwerder. In einer Urkunde von 1333 wurde die feierliche Begehung des Martinstages angeordnet. Diese Erwähnung des Heiligen Martin wurde zum Auslöser für die Namensgebung. Das älteste Kirchensiegel zeigt dagegen den Heiligen Petrus, die größte Glocke Petrus und Paulus. 1538 wurde im Kirchspiel Linden, zu dem jahrhundertelang Linden, Ricklingen, Bornum, Badenstedt und Davenstedt gehörten, die Reformation eingeführt. Im Dreißigjährigen Kriegs wurde das Dorf Linden 1641 ausgeplündert, die Dorfkirche wurde beschädigt. Im 19. Jahrhundert wuchs die Bevölkerung infolge der Industrialisierung des vormaligen Dorfes Linden, das erst 1885 zur Stadt wurde, rasant an. St. Martin wurde dadurch die Mutterkirche für die Tochtergemeinden:

  • 1877 Michaelisgemeinde Ricklingen mit den Tochtergemeinden St. Thomas in Oberricklingen (1955), Maria-Magdalenen in Ricklingen (1962-2009) und Bonhoeffer-Kirchengemeinde in Mühlenberg (1971)
  • 1880 Zionsgemeinde in Linden-Süd (seit 1943 Erlöserkirche)
  • 1892 Bethlehemkirche in Linden-Nord (seit 2009 zusammen mit der Gerhard-Uhlhorn-Gemeinde die Kirchengemeinde Linden-Nord in Hannover)

Erst während des Baus der Zionskirche bekam die alte Kirche in Linden 1879 den Namen Martinskirche nach dem Hl. Martin. 1886 wurde sie dem hannoverschen Konsistorium unterstellt. Von 1981 bis 1991 war Oda-Gebbine Holze-Stäblein Gemeindepastorin der St. Martins-Gemeinde.

Baugeschichte

St. Martinskirche: Kirchenansicht von Osten
Figur des St. Martin am Kirchenschiff

Schon vor 1285 gab es einen ersten Kirchenbau am Lindener Berg. Ein Merian-Stich zeigt um 1650 einen Bau mit vierseitigem Turm und einer mit Ziegeln bedeckten, hohen Spitze.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde die alte baufällige Kirche 1727 abgerissen und 1728 entstand an Stelle des Vorgängerbaus eine neue Kirche als barocker querschiffiger Saalbau nach einem Plan von Johann Christian Böhme mit einem Kanzelaltar im Zentrum. Allerdings reichten die Mittel nicht mehr für die Vollendung des Kirchturms. Der Kirchturm wurde erst 1854 mit einer vom Architekten Conrad Wilhelm Hase im neugotischen Stil entworfenen Turmspitze vollendet. Nach ähnlichem Entwurf gestaltete Hase den Kirchturm der evangelisch-lutherischen Hoffnungskirche Westrhauderfehn. Bei einer grundlegenden Renovierung 1912 wurden vier Seitenemporen und eine Orgelempore eingebaut und die Kirche erhielt eine neue Innenausstattung. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Kirchenschiff am 22. September 1943 durch eine Luftmine weitgehend zerstört, während der Turm unbeschädigt blieb.

Der Neubau erfolgte von 1955 bis 1957 nach einem Entwurf von Dieter Oesterlen. Dabei wurden das Kirchenschiff und die Sakristei als Neubau abgesetzt vom Turm errichtet. Der unter Denkmalschutz stehende Turm wurde weitgehend erhalten, er erhielt in der Höhe eine neue Galerie. Der frühere Anschluss des Turms an das Kirchenschiff wurde als unverputzter Bereich in Bruchsteinen belassen. Die Neugestaltung kennzeichnen ein asymmetrischer Grundriss und der nüchterne Baustil unter Verwendung von Stein, Beton und Glas. Dies entspricht der Entwicklung im Kirchenbau in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, als ältere Richtlinien wie das Eisenacher Regulativ und das Wiesbadener Programm aufgegeben wurden, die den Kirchenbau bis weit in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg beeinflusst hatten. Kanzel und Altar sind nun auch im lutherischen Gottesdienst einander gleichwertig zugeordnet. 1980 stiftete ein Lindener Bürger eine neue Kirchturmuhr mit vier Zifferblättern als Ersatz für die 1943 im Krieg zerstörte Vorgängerin.

Ausstattung

Im Turm hängt neben drei kleineren Glocken von 1959 aus der Glockengießerei F.W. Schilling in Heidelberg die große „Lutherglocke“, gegossen im Geburtsjahr Luthers 1483. Inschrift: Anno MCCCCLXXXIII. Defunctos plango, vivos voco, fulgura frango („Im Jahr 1483. Die Toten betrauere ich, die Lebenden rufe ich, die Blitze breche ich“). Zur Verzierung der Glocke ist auf der einen Seite Petrus mit dem Schlüssel, auf der anderen Paulus mit dem Schwert angebracht.

An der östlichen Außenwand befindet sich ein Relief des Heiligen Martin des Bildhauers Kurt Lehmann. Der Taufstein von 1647 konnte aus dem alten Bau übernommen werden. Die Orgel auf der Empore stammt von 1965 (Werkstatt Paul Ott, Göttingen) und wurde 1992 erneuert und ergänzt. Sehenswert sind im Innenraum außerdem die Altarwand, die Buntglasfenster und die Brüstung der Empore, gestaltet von Claus Arnold, Karlsruhe. Die Altarwand zeigt gemauert aus Backstein und plastisch hervortretend die zwölf Tore des himmlischen Jerusalem nach der Offenbarung des Johannes im Neuen Testament. Die Bilder der Empore zeigen in Betonreliefs Motive aus dem Alten Testament wie Schöpfung, Arche Noah, Turmbau zu Babel, die Zehn Gebote und den Tanz um das Goldene Kalb. Das Kruzifix auf dem Altar ist ein Werk von Franz Rickert, München.

Friedhof

Zwei letzte Grabsteine

Die Dorfkirche umgab ursprünglich ein Friedhof. Nach der Eröffnung eines neuen Friedhofs auf dem Lindener Berg 1862 wurde er geschlossen. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und der Umgestaltung in den 1950er Jahren in eine Rasenfläche sind nur noch zwei Grabdenkmäler erhalten. Es handelt sich um Grabsteine für Angehörige der Lindener Industriellenfamilie Egestorff in Form eines beschädigten Grabsteins von Johann Egestorff und eines neueren Grabsteins für Georg Egestorff. Der ehemalige Friedhof ist heute Teil des Von-Alten-Garten, dessen alte Begrenzungsmauer jenseits der Kirchstraße noch zu erkennen ist.

Siehe auch

Literatur

  • Illustrierte Rundschau Nr. 32 vom 9. August 1913, Verlag Illustrierte Rundschau, Hannover, 1913
  • Arnold Nöldeke: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, Provinzialausschuss und Landesdirektorium der Provinz Hannover (Hrsg.),Regierungsbezirk Hannover, Stadt Hannover, II. Teil, Heft 20 des Gesamtwerkes, Selbstverlag der Provinzialverwaltung, Theodor Schulzes Buchhandlung, Hannover, 1932
  • Architektur: Kirchenbau, Etwas überhöht, SPIEGEL 51/1963, S.77
  • St. Martins-Kirche Hannover-Linden, Heft herausgegeben vom Kirchenvorstand aus Anlaß der Orgelweihe, Hannover, 1965
  • Wolfgang Puschmann: St. Martinskirche, in: Hannovers Kirchen. 140 Kirchen in Stadt und Umland. Hrsg. von Wolfgang Puschmann. Hermannsburg: Ludwig-Harms-Haus 2005, S. 12–15. ISBN 3-937301-35-6.

Weblinks

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