Abtei Jumièges

Abtei Jumièges
Abtei Jumièges

Die Abtei Jumièges (Monasterium Gemeticensis ) in Jumièges im Département Seine-Maritime war bis zu den Religionskriegen eines der größten Klöster Frankreichs. Die wenigen bis heute erhaltenen Teile bestehen aus Ruinen, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Abtei wurde vom heiligen Philibert, dem Sohn eines fränkischen Grafen aus der Gascogne um 654 auf einer von Chlodwig II. und Balthild geschenkten königlichen Domäne gegründet. Die Gründung ist wohl auch im Zusammenhang mit dem Ausbau der Klosterstruktur in der Normandie durch Audoenus von Rouen zu sehen. In der Folge konnte sich das Kloster Besitzungen vom Schelderaum bis an die Loire sichern. Politisch verband sich die Abtei mit den aufsteigenden Karolingern und so geriet auch ihr Gründer im Gegensatz zu den neustrischen Großen und musste bis zu seinem Lebensende in Exil. Prägend für die Entwicklung des Klosters war auch die Konkurrenz zum benachberten Fontenelle, was vor allem in einen langjährigen Rechtsstreit um den Wald nördlich von Jumieges, der wiederum südlich an Fontenelle grenzt, deutlich wird. Wahrscheinlich 724 wird Hugo von Rouen, der Neffe Karl Martells, Abt von Jumieges und Fontenelle. Im Jahre 788 wurde der von Karl dem Großen abgesetzte Tassilo III., Herzog von Bayern, und einer seiner Söhne hier inhaftiert.

Am 24. Mai 841 wurde das Kloster von der Wikingern niedergebrannt, woraufhin die Mönche die Abtei zehn Jahre lang aufgaben. Einer der geflohenen Mönche gelangte nach St. Gallen und ein von ihm mitgebrachtes Antiphonar inspirierte Notker Balbulus zu seinen Sequenzen.

Der Wiederaufbau erfolgte auf Anstoß durch Herzog Wilhelm I. der Normandie durch Mönche aus der Abtei Saitnt-Cyprien zu Poitiers. Um 934 war sie soweit wieder hergestellt, dass sie 12 Mönche aufnehmen konnte.

Der Abt Robert Champart ließ das Kloster 1040 bis 1052 neu bauen, am 1. Juli 1067 wurde die Klosterkirche vom Erzbischof von Rouen in Anwesenheit von Wilhelm dem Eroberer geweiht. Der Chor der Kirche wurde um 1267 bis 1270 restauriert.

1431 war der Abt Nicolas Le Roux aktiv am Prozess gegen Jeanne d’Arc beteiligt.

Während der Religionskriege wurde die Abtei erneut geplündert. Als die Hugenotten, die bereits Rouen, Dieppe, Le Havre und Caudebec verwüstet hatten, vor der Abtei auftauchten, hatten die Mönche, die von Caudebec wussten, das Kloster verlassen. Am 8. Mai 1562 wurde die Abtei Jumièges erneut geplündert. Am 28. Juli 1563 nahm König Karl IX. die Verwüstungen in Augenschein. Er erlaubte den Mönchen, Land zu verkaufen, um ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen, woraufhin sie die Herrschaft Norville für 10.220 Livres an Charles de Cossé, Graf von Brissac verkauften. Nur 17 Mönche kehrten in die Abtei zurück.

1947 wurde das Kloster Eigentum des Staates.

Architektur

Die Klosterkirchen

  • Die Notre Dame Abteikirche

bei der Notre Dame Abteikirche handelt es sich um einen romanischen und gotischen Bau, heute eine Ruine.

Die Abtei von Jumièges ist eine Gründung aus fränkischer Zeit. Die ältesten Nachrichten stammen aus dem Jahr 654. 841 hat es einen Brand gegeben. Erst vom Beginn des 11. Jahrhunderts ab gab es wieder neues Leben.

Der Hauptbau stammt aus der Zeit 1040 bis um 1067. Es ist die älteste große Zweiturmfassade der Normandie. Die Türme haben eine Höhe von 46 Metern. Beim Tod Robert Champarts 1052 hatte der Bau angeblich weder „ein Langhaus noch Fensterscheiben“. Am 1. Juli 1067 weihte der Erzbischof von Rouen in Gegenwart Wilhelms des Eroberers feierlich die Kirche. 1267-1270 wurde der romanische Chor durch einen gotischen ersetzt, gleichzeitig erfolgte eine Gotisierung des Querbaus. Zwischen der Eleganz und Kühnheit des ersten Baus und den sichtbaren Unsicherheiten des zweiten besteht ein auffallender Kontrast. Offenbar hat man lange gezögert, bevor man sich zur Gotisierung entschied.

Die Revolution hatte für das Kloster fatale Folgen. 1795 begann man mit dem Abbruch der Konventsgebäude und der Zerstörung der Dächer. 1802 ließ der neue Eigentümer von Jumièges den Chor sprengen, woraufhin die Kirche bis 1824 als Steinbruch diente. Die Familie Lepel-Cointet kaufte die Abtei 1852 und begann damit, die Reste zu sichern. Die Romantik und Victor Hugo, der von „der schönsten Ruine Frankreich“ sprach, sorgten dafür, dass die Kirche eine große Bekanntheit erlangte.

Die Kirche war 88 m lang und 25 m hoch und das Hauptschiff hatte ursprünglich wahrscheinlich eine hölzerne Deckung, keine Gratgewölbe, wie die, die nur in den Seitenschiffen gebaut worden waren. Zwischen 1688 und 1692 erfolgte der Einbau unechter Rippengewölbe. Bei dieser Gelegenheit ummantelte man auch die Stützen.

  • Die Petruskirche (Saint-Pierre)

Sie ist noch älter als Notre Dame, weil sie eine Fassade aus dem 9. Jahrhundert erhält. Sie wurde von den Wikingern verschont, aber die Archäologen haben Feuerspuren auf mehreren Steinen bemerkt. Das ehemalige Westwerk wurde vermutlich von den Mönchen zur Zeit der Gotik zerstört und sie bauten ein neues Schiff und eine Apsis auf.

Der Kreuzgang

Der im spätgotischen Stil erbautete Kreuzgang wurde teilweise zerstört und teilweise erhalten, weil Lord Stuart de Rothesay einen Flügel kaufte und ihn in sein Schloss Highcliffe neben Bournemouth wiederaufbauen ließ. In der Mitte können wir noch die 500 jährige Eibe, wie im Kloster Muckross in Irland sehen.

Kunsthistorische Bewertung

Ernst Adam betont, dass man seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts in Frankreich von Bauschulen sprechen kann. Als frühester selbständiger Kunstbereich tritt die Normandie hervor durch die Ausbildung eines Baustils, der zuerst nur dieser Landschaft eigen war, sich aber dann durch die normannischen Eroberungen auf Süditalien und Sizilien und vor allem auf England auswirkte. Um die Jahrtausendwende tritt in der Normandie die intensive Bautätigkeit ein. Die Herzöge und der Adel wetteifern in der Stiftung von Klöstern. In allen Bischofsstädten entstehen Kathedralneubauten von meist riesigen Dimensionen. Davon ist nur wenig erhalten. Der älteste noch stehende Großbau, die Abteikirche zu Bernay unterscheidet sich im Grundsätzlichen nicht von Vignory oder St-Remi in Reims. Erst in der Abteikirche zu Jumièges tritt das Eigenständig-Normannische voll ausgeprägt in Erscheinung.

Die auffälligsten architektonischen Elemente des Baus sind die Doppelturmfassade, ein mächtiger quadratischer Vierungsturm, Rechteckvorlagen als Verstärkung der Außenmauern, Wandgliederung durch halbrunde Dienste, Schwibbögen und offener Dachstuhl im Mittelschiff, von Halbsäulen gestützte Unterzüge in den Arkadenbögen und Kreuzgratgewölbe zwischen Gurtbögen in den Seitenschiffen. Das sind die Elemente, die von Jumièges an für die normannische Architektur bezeichnend werden. Einzelne Glieder bestimmen den Aufbau, die Wände treten zurück, erscheinen fast als Füllung zwischen einem Gerüst. Darin unterscheidet sich Jumièges von allen früheren französischen Bauten.

Das Pförtnerhaus stammt aus dem 14. Jahrhundert, wurde im 19. Jahrhundert aber beträchtlich vergrößert.

Filialen

Liste der Äbte

  • 1. 654–682: Philibert, Gründer der Abtei
  • 2. 682–687: Aycadre, hl.
  • 3. 687–724:Cochin
  • 4. 724–730: Hugo von Champagne (Arnulfinger), Bischof von Paris, Rouen und Bayeux um 720 bis 730 und Abt von Jumièges und Fontenelle (Abtei Saint-Wandrille)
  • 5. 730–um 750: Hildegard
  • 6. um 750–um 787: Droctegand
  • 7. um 787–um 814: Landry
  • 8. um 814–um 820: Adam
  • 9. um 820–.... : Helisacar
  • 10. Angilbert
  • 11. Ansegisel
  • 12. um 830–um 833: Fulko
  • 849–866: Rudolf I., Graf von Ponthieu (Welfen)
  • Gauzlin († 886), Erzkanzler
  • 22. 930–943: Martin
  • 28. 1037–1045: Robert Champart, 1044 Bischof von London, 1051 Erzbischof von Canterbury
  • 31. 1078–1097: Gontard
  • 44. 1247–1248: Wilhelm V., genannt Wilhelm von Fors
  • 45. 1248–1258: Robert V., genannt, Robert von Etelan
  • 58: 1391–1418: Simon du Bosc
  • 59. 1418–1432: Nicolas Le Roux
  • 60. 1432–1464: Jean V.. genannt Jean de la Chaussée
  • 61. 1464–1473: Antoine Crespin
  • 62. 1473–1474: Louis d'Amboise
  • 63. 1474–1504: Jacques d’Amboise
  • 64. 1504–1510: François de Clermont
  • 65. 1510–1518: Philipp von Luxemburg
  • 66. 1518–1525: Jean Durand
  • 69. 1549–1574: Gabriel Le Veneur
  • 70. 1574–? Charles I. de Bourbon
  • 73. 1607–1614: Marian de Martinbos
  • 80. 1719–1760: Claude de Saint-Simon
  • 81. 1760–1788: François-Camille de Lorraine
  • 82. 1788–.... : Pierre-François Martial de Loménie

Weitere Persönlichkeiten

In der Zeit der Karolinger, ab 788, war Tassilo III., Herzog von Bayern, in der Abtei eingesperrt.

Wilhelm von Jumièges, Mönch in Jumièges, verfasste um 1070 hier seine Gesta Normannorum ducum.

Die Abtei hat darüber hinaus ihre eigenen Annalen: Annales Gemmeticenses (Annalen von Jumièges), geschrieben zu Beginn des 12. Jahrhunderts.

Agnès Sorel starb in der Nähe, ihr Herz wurde in der Abtei beigesetzt, ihr Körper nach Loches gebracht.

Im 17. Jahrhundert war die Abtei erneut ein wichtiges intellektuelles Zentrum. Unter den Mönchen, die hier wirkten, waren:

  • Dom Thomas Dufour, Kenner der orientalischen Sprachen, Autor einer hebräischen Grammatik;
  • Dom Jean Garet, Herausgeber der Werke Cassiodors;
  • Dom Massuet, Herausgeber der Werke des Irenäus von Lyon;
  • Dom Boudier, Schriftsteller und Ordensgeneral;
  • Dom Le Nourry, Autor von Apparatus ad Bibliothecam Maximam Patrum, mit einer Analyse der religiösen Schriftsteller des 2. bis 4. Jahrhunderts.

Anekdote

Die Abtei Jumièges diente als Schauplatz für Arsène Lupins Abenteuer Die Gräfin von Cagliostro.

Literatur

  • Deshayes, Charles Antoine: Histoire de l'abbaye royale de Jumièges, Rouen, Baudry, 1829
  • Decaëns, Henry: Jumièges, Deutsche Ausgabe, Éditions Ouest-France, 1989. Caisse nationale des monuments historiques. Ministère de la Culture.
  • Adam, Ernst: Vorromanik und Romanik. Frankfurt 1968, S. 103.
  • Durliat, Marcel: Romanische Kunst. Freiburg-Basel-Wien 1983, S. 490.
  • Perceval, Alain: Flugbild Frankreich. Zürich / Freiburg 1979, Abb. 104.
  • Schäfke, Werner: Die Normandie. Köln [1981] 7. Auflage 1990. (DuMont Kunst-Reiseführer), S. 107 Abb. 20-23 FT-21.
  • Kergall, Hervé : Gotische Kathedrale und Kunstschätze in Frankreich. Eltville 1990. Abb. 171
  • Unter dem Himmel von Frankreich. Luftbilder einer einzigartigen Kulturlandschaft. Fotografien von Daniel Philippe. Text und Textauswahl von Claire Julliard (1991). Köln 1992, S. 51

Weblinks

 Commons: Abbaye de Jumièges – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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